Banken- statt Volksvertreter
Der Bundesrat will von den Forderungen von 50 000 K-Tipp-Lesern nichts wissen: Er lehnt die Petition «Faire Zinsen für alle» ab. Das letzte Wort ist damit aber nicht gesprochen.
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K-Tipp 04/2008
25.02.2008
Bennie Koprio
«Faire Zinsen für alle!» – diese Petition reichte der K-Tipp in der ersten Januarwoche dieses Jahres ein (siehe unten). In der ersten Februarwoche erhielt der K-Tipp einen Brief von Bundespräsident Pascal Couchepin. Er lehnt die Petition ab mit den genau gleichen Argumenten wie die Banken.
So schreibt Couchepin: «Bei den Konten der 3. Säule und vor allem bei den Freizügigkeitsstiftungen kann nicht von einem langen Anlagehorizont ausge...
«Faire Zinsen für alle!» – diese Petition reichte der K-Tipp in der ersten Januarwoche dieses Jahres ein (siehe unten). In der ersten Februarwoche erhielt der K-Tipp einen Brief von Bundespräsident Pascal Couchepin. Er lehnt die Petition ab mit den genau gleichen Argumenten wie die Banken.
So schreibt Couchepin: «Bei den Konten der 3. Säule und vor allem bei den Freizügigkeitsstiftungen kann nicht von einem langen Anlagehorizont ausgegangen werden.» Freizügigkeitsgelder müssten dem Versicherten kurzfristig zur Verfügung stehen – zum Beispiel, wenn er eine neue Stelle antrete. Deshalb könnten die Banken nicht gleich hohe Zinsen wie die Pensionskassen zahlen.
K-Tipp weiss: Das Argument sticht nicht. Auch die Pensionskassen verlieren kurzfristig das Alterskapital eines Versicherten, wenn dieser die Firma verlässt. Und wie gut sich mit Freizügigkeitsgeldern geschäften lässt, hat die Stiftung Auffangeinrichtung gezeigt. Die mit 600 000 Konten grösste Verwalterin von solchen Geldern machte mit ihrem Kapital von vier Milliarden Franken 2005 eine Rendite von 6,8 Prozent, 2006 waren es 5,8 Prozent. Den Alterssparern hingegen vergütete die Stiftung magere 1,25 Prozent (2006), im Jahr zuvor zeitweise gar nur 1 Prozent.
Ähnlich hohe Profite aus dem Zinsdifferenz-Geschäft haben Geldinstitute bei Säule-3a-Konten herausgeholt. Insgesamt 500 Millionen Franken, die eigentlich den Vorsorgesparern gehören, stecken die Banken pro Jahr in die eigene Tasche. Dieser Rentenklau ist wegen einer Gesetzeslücke möglich: Bei Freizügigkeits- und 3a-Konten können Geldinstitute den Zins selbst festlegen. Die Pensionskassen nimmt der Bundesrat hingegen mit einem Mindestzins (derzeit: 2,75 Prozent) in die Pflicht.
Der Bundesrat übersieht: Man muss nicht über mögliche Renditen von Freizügigkeits- und 3.-Säule-Konten werweissen. Die in den letzten Jahren erzielten tatsächlichen Renditen lassen eine Verzinsung im Bereich des für Pensionskassen vorgeschriebenen Mindestzinses ohne weiteres zu.
Couchepin schreibt weiter: «Die Verzinsung der Freizügigkeitskonten und der Konten der 3. Säule unterliegt heute dem freien Wettbewerb.»
K-Tipp weiss: Der Wettbewerb spielt nicht. Fast alle Banken zahlen Alterssparern dieselben Zinsen – und die Zinsen auf den Freizügigkeitskonten sind alle weit unter denjenigen der PKs. «Ein Tiefzinskartell», so Sozialversicherungs-Experte Rudolf Rechsteiner. Anders gesagt: eine unter den Banken abgekartete Sache statt Wettbewerb.
Das ist das Gegenteil von Wettbewerb
Schönfärberisch verbrämt bestätigt dies auch die Auffangeinrichtung. In ihrem Jahresbericht 2006 schreibt sie offen, die Verzinsung der Freizügigkeitskonten «richtet sich nach den Zinssätzen, die von repräsentativen Schweizer Banken vergütet werden» – und nicht etwa nach den mit den Kundengeldern erzielten Renditen. Das ist das Gegenteil von Wettbewerb.
Weiter schreibt Bundesrat Couchepin, es gebe auch «Möglichkeiten, in Wertschriftenanlagen zu investieren – gerade im Bereich der 3. Säule». Diese böten höhere Erträge, allerdings auch höhere Risiken.
K-Tipp weiss: Viele Sparer wollen ihre Vorsorgegelder nicht dem Auf und Ab der Börse ausliefern, und viele sollten auch nicht. Vor allem älteren Angestellten, die vor der Pensionierung stehen, drohen Verluste, wenn sie ihre Wertschriften zu Zeiten einer Börsen-Baisse versilbern müssen.
Mit denselben Argumenten hat der Bundesrat auch die Vorstösse der SP-Nationalräte Rudolf Rechsteiner und Liliane Maury Pasquier abgelehnt. Auch sie fordern faire Zinsen auf Freizügigkeits- und Säule-3a-Konten.
Das Thema ist aber nicht vom Tisch: Die Motionen kommen noch vors Parlament. Dort wird sich zeigen, wie viele Volks- und wie viele Bankenvertreter in den Räten sitzen.