Behörden lassen sich von Handy-Firmen einspannen
«Unbedenklich» und «gering» sei die Strahlenbelastung in der Stadt Zürich, behaupten die Behörden. Das stimmt nicht, wie die Messungen des K-Tipp zeigen.
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K-Tipp 18/2006
01.11.2006
Otto Hostettler - otto.hostettler@ktipp.ch
Die Mitteilung von Stadt und Kanton Z?rich ?ber die Strahlenbelastung durch Mobilfunk kam einer Entwarnung gleich: Trotz einiger hundert neuer Antennen seien die Werte «sehr tief», die Strahlenbelastung «gering». Die Messresultate auf einigen Schulhauspl?tzen verleiteten die verantwortliche Stadt- und Kantonsbeh?rde sogar zum Verdikt «unbedenklich».
Gemessen wurde die Strahlung auf Bodenh?he von zentralen Pl?tzen in Z?rich, Winterthur, Uster und Feuerthalen. Die h?chste Stra...
Die Mitteilung von Stadt und Kanton Z?rich ?ber die Strahlenbelastung durch Mobilfunk kam einer Entwarnung gleich: Trotz einiger hundert neuer Antennen seien die Werte «sehr tief», die Strahlenbelastung «gering». Die Messresultate auf einigen Schulhauspl?tzen verleiteten die verantwortliche Stadt- und Kantonsbeh?rde sogar zum Verdikt «unbedenklich».
Gemessen wurde die Strahlung auf Bodenh?he von zentralen Pl?tzen in Z?rich, Winterthur, Uster und Feuerthalen. Die h?chste Strahlenbelastung wurde am Bellevue in Z?rich registriert. Sie betrug gem?ss offizieller Verlautbarung 1,35 Volt pro Meter (V/m). F?r Orte mit empfindlicher Nutzung (Schulen, Wohnungen usw.) gilt je nach Frequenz ein Grenzwert von 4 bis 6 V/m. Weil der Grenzwert f?r Orte, wo sich Personen nur kurzfristig aufhalten, viel h?her ist, erscheint dieses Ergebnis noch harmloser: «40-mal unter dem Grenzwert», frohlockte die Beh?rde.
Mehrere vom K-Tipp befragte Messtechniker sch?tteln ob den Resultaten jedoch den Kopf. Denn in einem dicht bebauten Gebiet sind die Messstandorte f?r das Resultat entscheidend. Die Strahlung einer Antenne erreicht n?mlich – ?hnlich einem Lichtkegel – nicht alle Winkel, mehrst?ckige H?user werfen ihre Schatten. Folglich differieren die Werte in Strassenschluchten teils erheblich.
Zudem sind die Sender in der Regel nicht direkt gegen den Boden gerichtet. Das heisst: In Stadtzentren ist die Strahlung auf der Strasse meist wesentlich geringer als in den oberen Stockwerken. Gem?ss einem Modell des Bundesamts f?r Kommunikation ist die Belastung im 5. Stock rund zehnmal so hoch wie der auf der Strasse vor dem Geb?ude gemessene Wert.
K-Tipp liess gesamte Belastung messen
«Wer tiefe Werte messen will, kann dies in St?dten problemlos schaffen», sagt Mobilfunkkritiker Hans-Ulrich Jakob. F?r Elektroingenieur Adrian Nussbaumer aus Zug sagen die Werte von Stadt und Kanton Z?rich ohnehin wenig aus.
Aufgrund der Messberichte, die dem K-Tipp nur teilweise offen gelegt wurden, kann man davon ausgehen, dass die Strahlung der Antennen im Vordergrund stand. Aber: Wird ein Handy benutzt, strahlt dieses genauso.
Deshalb beauftragte der K-Tipp den unabh?ngigen Messtechniker Guido Huwiler, in der Innenstadt Z?richs (Bahnhofstrasse) die Gesamtbelastung zu messen – also auch jene Strahlung, die durch Handygespr?che der Passanten entsteht.
Und dies ergibt ein v?llig anderes Bild: Huwiler hat – zwischen Bahnhof- und Paradeplatz – massiv h?here Werte festgestellt. Die Gesamtstrahlung betrug an sieben von zehn Messstellen zwischen 5 und 9 V/m – gemessen auf K?rperh?he.
In einer weiteren Messreihe filterte Huwiler die Strahlung von Handygespr?chen heraus. Doch auch dann ist die Strahlenbelastung h?her, als es Stadt und Kanton Z?rich gerne sehen w?rden. In der Bahnhofunterf?hrung betrug sie bis zu 4 V/m, in der Bahnhofhalle selbst waren es 2 V/m. ?hnlich stark ist die Belastung am Paradeplatz.
Forum Mobil zahlte Beh?rde die H?lfte
Kaum Zufall d?rfte das verharmlosende Fazit der zust?ndigen Beh?rden sein. Denn an der Aktion massgeblich beteiligt war auch das Forum Mobil. Es erledigt f?r die Mobilfunkkonzerne Ericsson, Nokia, Orange, Siemens, Sunrise und Swisscom die ?ffentlichkeitsarbeit. Das Forum Mobil hat die H?lfte der Messkosten bezahlt, will sich aber zur Aktion nicht ?ussern.
F?r den Kanton Z?rich ist die N?he zum Forum Mobil kein Problem: «Grunds?tzlich suchen wir immer die Zusammenarbeit mit der Branche. Damit haben wir nur gute Erfahrungen gemacht», sagt Hansj?rg Sommer von der Baudirektion des Kantons Z?rich.
Keine Hemmungen gegen?ber der Mobilfunk-Organisation hat auch die Stadt Z?rich. Sie r?hrt sogar f?r das Forum Mobil die Werbetrommel: Es «versachliche» den Dialog, schreibt Peter B?r, Leiter der Abteilung Umwelt.
Sowohl Stadt als auch Kanton Z?rich betonen, dass die Messungen von einem «unabh?ngigen» B?ro durchgef?hrt worden seien. Ganz so «unabh?ngig» ist die mit den Messungen betraute Inventis AG allerdings nicht – sie ist ebenfalls Mitglied beim Forum Mobil.