Wer seinen Job aufgibt und noch keine neue Stelle gefunden hat, muss sein Pensionskassen-Guthaben auf ein Freizügigkeitskonto überweisen. Das gilt für Frauen unter 59 und Männer unter 60 Jahren. Üblich sind zurzeit Zinssätze zwischen 0,15 und 0,2 Prozent. Das Altersguthaben wächst also praktisch nicht mehr. Der Mindestzins von aktuell 1 Prozent, den Pensionskassen den Versicherten auf ihrem Altersguthaben zahlen müssen, gilt für Freizügigkeitskonten nicht.
Fabrizio Hutter (Name geändert) aus Ostermundigen BE eröffnete im Oktober 2000 ein solches Konto bei der Freizügigkeitsstiftung Avenirplus (früher IGP). Darauf hatte er Anfang 2017 ein Guthaben von rund 4870 Franken. Ende 2017 sah er auf seinem Kontoauszug, dass Avenirplus ihm erstmals eine Jahresgebühr von 40 Franken belastet hatte – 36 Franken für die Kontoführung und 4 Franken für die Verwaltung. Gleichzeitig wurde Hutter für das ganze Jahr nur ein einziger Franken Zins gutgeschrieben. Hutters Erspartes schrumpfte so in einem Jahr um 39 Franken. Das entspricht einem Negativzins von 0,8 Prozent. Hutter ärgert sich: «Ich hätte das Geld besser unter meiner Matratze aufbewahrt.»
Hinter Avenirplus steht die Bank Valiant. Sie ist mit ihrer Gebührenpolitik allein auf weiter Flur. Das ergab eine Umfrage des K-Tipp bei zehn weiteren grossen Banken.
Professor: «Gebühr ist nicht geschuldet»
Hutter sagt, er sei nie über diese Gebühr informiert worden. Avenirplus hingegen erklärt, alle Kontoinhaber seien im Januar 2017 in einem Schreiben auf das angepasste Kostenreglement hingewiesen worden. Darin heisst es schwammig: «Das Kostenreglement wurde den neuen Marktgegebenheiten angepasst, damit die Stiftung auch weiterhin die Gelder sicher im Sinne der versicherten Personen verwalten kann.»
Nur: Der blosse Verweis auf das Kostenreglement genügt nicht. Denn die Einführung von Gebühren stellt eine einseitige Vertragsänderung dar. Um dieser zuzustimmen, muss der Kunde vorgängig ausdrücklich informiert werden und die Preise kennen.
Das bestätigt Frédéric Krauskopf, Professor für Privatrecht an der Uni Bern: «Der Inhaber des Freizügigkeitskontos muss mit den genauen Kosten einverstanden sein.» Ein Schreiben wie das von Avenirplus genüge nicht. «Die Gebühr ist deshalb nicht geschuldet.»
Negativzinsen bei Freizügigkeitskonten sind generell unzulässig. Das ergab ein Gutachten der Genfer Anwälte Jacques-André Schneider und Céline Moullet im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen: «Negativzinsen auf Freizügigkeitskonten sind bei reinen Sparkonten nicht erlaubt.» Das gilt auch, wenn Negativzinsen in Form von Kontogebühren eingeführt werden.
Bei Avenirplus zeigt man sich davon unbeeindruckt: Sie zahlt Fabrizio Hutter die Gebühr nicht zurück.
So wehren Sie sich gegen neue Gebühren
Verlangt eine Bank neue Gebühren, müssen das die Kunden nicht akzeptieren. Eine Vertragsänderung ohne das Einverständnis des Kunden ist rechtlich unwirksam. Wer eine Mitteilung über eine Vertragsänderung erhält, kann diese ablehnen. Dann gilt der bisherige Vertrag. Eine Ablehnung sollte innert eines Monats erfolgen.
Freizügigkeitskonten kann man jederzeit kündigen und das Geld in eine andere Stiftung zügeln: Neues Konto eröffnen, dann das Geld vom alten Konto überweisen.
Die aktuellen Zinsen auf Freizügigkeitskonten: Ktipp.ch/zins