Früher war Einkaufen einfacher: Auf jedem Produkt stand der Preis. Heute schreiben die Grossverteiler ihre Waren nicht mehr einzeln an, sondern hängen in der Regel ein Preisetikett an Regale oder Truhen. Coop führte dieses System in seinen Läden im Jahr 2001 ein. Die Konkurrenz zog nach, zuletzt die Migros 2011. Seitdem finden die Kunden die Preisangaben oft nicht. Manchmal erfahren sie einen Preis auch erst an der Kasse.
Nur: Gemäss der Preisbekanntgabeverordnung des Bundes müssten Preise «durch Anschrift an der Ware selbst oder unmittelbar daneben (Anschrift, Aufdruck, Etikette, Preisschild usw.) bekanntgegeben werden». Und zwar «in gut lesbarer Form».
Trotzdem sind viele Produkte nicht angeschrieben. Das zeigt eine Stichprobe des K-Tipp. Im Mai besuchte die Redaktion in Bern und Zürich 20 Filialen von Aldi, Coop, Denner, Lidl und Migros und überprüfte, ob der Preis von Produkten klar erkennbar ist. In der Stichprobe kontrollierte der K-Tipp Kühltruhen und Sonderauslagen. Ernüchternd: In allen Filialen gab es etwas zu beanstanden. Bei mehr als 300 Produkten fehlte das Preisschild an Regalen oder Truhen.
Die wichtigsten Ergebnisse:
Am meisten Produkte ohne Preisanschrift fand der K-Tipp bei den vier Lidl-Filialen (80), gefolgt von Aldi (71), Coop (59) und Migros (55). Am wenigsten häufig fehlte die Anschrift bei Denner (52).
Die Filialen mit den meisten nicht angeschriebenen Preisen: Coop Bellevue Zürich (31), Aldi Ostermundigen BE (27), Aldi Zollstrasse Zürich (26).
Bei Coop, Denner und Migros sind Tiefkühltruhen mit Glaceprodukten oft unübersichtlich, Kunden müssen die Preise regelrecht suchen.
Bei Aldi und Lidl herrschen bei Aktionsauslagen teils chaotische Zustände.
«Kunden fragen oft nach den Preisen»
Fehlen die Preise, bekommt dies das Personal zu spüren. Eine Coop-Kassiererin aus Zürich sagte dem K-Tipp: «Die Kunden fragen mich ständig nach Preisen.» Sie findet, dass sie wieder direkt auf dem Produkt aufgedruckt sein sollten. Eine K-Tipp-Umfrage bei rund 50 Kunden zeigt: Die Preisangabe auf den Produkten wünschen sich auch viele Konsumenten (siehe Umfrage unten).
Doch davon wollen die Grossverteiler nichts wissen. Aldi, Coop und Migros bestreiten Missstände bei der Preisanschrift. Laut Coop kommt es vereinzelt vor, «dass Glace-Multipacks, die nicht für den Einzelverkauf vorgesehen sind, in der Verkaufsstelle geöffnet und die einzelnen Produkte zurück in die Kühltruhe gelegt werden». Für solche gebe es dann natürlich keine separaten Preisschilder.
Denner schreibt: «Falls ein Preiskleber oder eine Regalbeschriftung fehlt, ist das ein unbeabsichtigter Fehler.» Lidl sagt, Aktionsware werde öfters umgestellt. Bei solchen «Warenverschiebungen» könne auch mal ein Preisschild vergessen gehen.
Beim Bund ist das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) für die Durchsetzung der Preisbekanntgabeverordnung verantwortlich. Es hat die Oberaufsicht über den kantonalen Vollzug. Trotzdem gibt das Seco den Ball weiter: «Es entzieht sich unserer Kenntnis, wie oft, wann und mit welchem Ergebnis die kantonalen Behörden die Preisbekanntgabe bei Detailhändlern kontrollieren.» Das Seco selber führe keine Kontrollen durch.
Umfrage bei Kunden: Genügt die Preisanschrift am Regal?
«Dass die Preise nur am Regal angeschrieben sind, finde ich unangenehm. Sie sollten auf den Produkten stehen, dann könnte man im Nachhinein vergleichen»
Elisabeth Fuchs, Zürich
«Je nach Laden regt es mich auf, wie unübersichtlich die Produkte angeschrieben sind. Minutenlang nach dem Preis suchen zu müssen, finde ich daneben»
Daniela Odermatt, Rotkreuz ZG
«Es gibt für Kunden nichts Mühsameres, als nach Dingen zu suchen. Fehlende Preisangaben auf den Produkten sind ein No-Go»
Claudia Imhof, Bern
«Je nach Laden sind die Preise nicht sofort ersichtlich. Das ist störend, weil ich nicht mehr gut sehe. Nicht immer ist Personal in der Nähe, das man fragen könnte»
Elisabeth Steiner, Thun BE
«Bei Gemüse und bei den Früchten fehlt der Preis oft. Das ist doppelt ärgerlich, weil dann auch die Nummer zum Wägen fehlt»
Philip Meier, Zürich