Bei Zahnärzten beisst man auf Granit
In 27 von 35 Zahnarztpraxen hing auch drei Wochen nach Einführung der Preis-anschreibepflicht kein Aushang. Schuld sind unmotivierte Zahnärzte - und ein Brief ihres widerspenstigen Verbandes.
Inhalt
K-Tipp 13/2004
25.08.2004
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Zahnärzte halten nicht viel von Transparenz. Das musste schon der Preisüberwacher erfahren, als er vor drei Jahren die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft (SSO) bat, ihm die Taxpunktwerte aller Mitglieder mitzuteilen. Die Antwort war ein schroffes Nein. Seit 1. Juni dieses Jahres haben die Zahnärzte keine Wahl mehr. Sie unterstehen neu der Preisbekanntgabeverordnung. Diese verpflichtet die Ärzte, den Taxpunktwert in ihrer Praxis «leicht zugänglich und gut lesbar» publik zu machen. Anha...
Zahnärzte halten nicht viel von Transparenz. Das musste schon der Preisüberwacher erfahren, als er vor drei Jahren die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft (SSO) bat, ihm die Taxpunktwerte aller Mitglieder mitzuteilen. Die Antwort war ein schroffes Nein. Seit 1. Juni dieses Jahres haben die Zahnärzte keine Wahl mehr. Sie unterstehen neu der Preisbekanntgabeverordnung. Diese verpflichtet die Ärzte, den Taxpunktwert in ihrer Praxis «leicht zugänglich und gut lesbar» publik zu machen. Anhand des Taxpunktwerts können Patienten das Preisniveau ihres Arztes besser einschätzen.
Doch die meisten Zahnärzte nehmen es mit der Preisbekanntgabe nicht so genau. Eine K-Tipp-Stichprobe in mehreren Städten ergab, dass über drei Viertel der besuchten Praxen den Taxpunktwert nicht von sich aus offen legten. Der Kassensturz kam bei einer Stichprobe auf ein vergleichbar schlechtes Resultat.
Die Liste der Ausreden ist lang. Sie reicht von «Bin noch nicht dazu gekommen» über «Mache immer einen Kostenvoranschlag» bis zu «Patienten können jederzeit fragen».
SSO: Keine Korrektur der Falsch-Info
Am häufigsten berufen sich die befragten Zahnärzte jedoch auf eine SSO-Information, wonach die Preisanschreibepflicht noch gar nicht gelte.
Tatsächlich schrieb der Verband seinen rund 4800 Mitgliedern am 14. Juni 2004: «Die Vorschriften treten für Sie in Kraft, sobald Ihr Kanton Ihnen den entsprechenden Bescheid übermittelt hat.» Dumm nur: Diese Information ist falsch.
«Die Preisbekanntgabeverordnung gilt unabhängig von einer Information durch die SSO oder durch den Kanton», erklärt Guido Sutter, stellvertretender Leiter Ressort Recht beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Klar, denn wer auf der Autobahn in der Radarfalle hängen bleibt, kann sich auch nicht damit herausreden, er sei nicht persönlich über die Höchstgeschwindigkeit informiert worden.
Die SSO schweigt ihren Fehler tot. In seiner Stellungnahme an den K-Tipp geht Verbandssekretär und Jurist Alexander Weber mit keinem Wort auf den Vorwurf der Falschinformation ein. Auch die Frage, weshalb der Verband den Fehler nicht wenigstens auf seiner Internet-Homepage korrigiert habe, bleibt unbeantwortet.
«Verband bediente uns schon früher schlecht»
Dass die Zahnärzte-Gesellschaft die Umsetzung der Preisanschreibepflicht verzögert, erstaunt die Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz nicht: «Wir werden wohl einige Fälle durchziehen müssen, damit die Zahnärzte von ihrer Obstruktionspolitik abrücken», kündigt Simonetta Sommaruga an.
Nun wird sogar Kritik aus den eigenen Reihen laut: «Wir werden vom Verband nicht das erste Mal schlecht bedient», klagt eine Zahnärztin, die anonym bleiben will. Andere haben längst gehandelt: «Ich habe keinen Grund, auf eine kantonale Anweisung zu warten», erklärt etwa der Zürcher Zahnarzt Roger Knechtli dem K-Tipp. In seinem Wartezimmer liegt denn auch seit längerem ein Ordner mit dem Titel «Wie verrechnet Ihr Zahnarzt?». Inhalt: Angaben zum Taxpunktwert und Berechnungsbeispiele für einige Leistungen.
Es braucht nicht gleich einen ganzen Ordner. Auch ein Schild auf der Empfangstheke (Praxen Krethlow und Nordenström), ein Anschlag an der Wand (Dillena, Sieber, Sweys) oder die Abgabe eines Infoblatts an Erstpatienten (Furrer, Häfliger) genügen.
Das Infoblatt von Balz Häfliger aus Kreuzlingen TG liegt laut Seco-Mann Sutter allerdings «an der untersten Schwelle einer noch zu akzeptierenden Preisinfo». Darauf steht: «Der Taxpunkt beträgt 3,3 nach SSO.» Verständlich wäre: «Der Taxpunktwert beträgt Fr. 3.30.»
Zahnärzte, die den Taxpunktwert nicht oder ungenau («Fr. 3.10 bis Fr. 3.50») angeben, riskieren als Strafe «Haft oder Busse bis 20 000 Franken». Das gilt übrigens auch für Dentalhygienikerinnen und Zahnprothetiker.
Zahnärzte reagierten zum Teil aggressiv
Für Zündstoff ist also gesorgt. Denn viele Zahnärzte wehren sich nach wie vor gegen Transparenz. 16 von 27 «Sündern» wollten dem K-Tipp nicht sagen, weshalb in ihrer Praxis ein Preisaushang fehlt und wie hoch ihr Taxpunktwert ist. Eine entsprechende Anfrage blieb unbeantwortet.
Bei den Restlichen war der aggressive Unterton zum Teil unüberhörbar. So schrieb der Kreuzlinger Zahnarzt Werner Kündig: «Wenn die Bürokratie dann so weit ist, kreiere ich einen Anschlag. Beruhigt Sie das?»
So fühlen Sie der Rechnung auf den Zahn
Zahnarztrechnungen lassen sich anhand von zwei Angaben überprüfen: der Anzahl Taxpunkte und des Taxpunktwerts.
- Taxpunkte: Wie viele davon ein Zahnarzt für eine bestimmte Leistung verrechnen darf, ergibt sich aus dem zwischen den Sozialversicherungen und der Zahnärzte-Gesellschaft SSO ausgehandelten Tarif.
Beispiel: Für eine Befundaufnahme darf der Zahnarzt je nach Aufwand zwischen 18 und 24 Punkte verrechnen.
90 Prozent aller Leistungen sind im so genannten Kurztarif enthalten, den die Zahnärzte seit dem 1. Juni in ihrer Praxis auflegen müssen. Er ist gratis erhältlich beim SSO-Shop, Postfach, 3000 Bern 8, oder unter www.sso.ch.
- Taxpunktwert: Diesen darf jeder Zahnarzt selber wählen. Für Mitglieder der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO gilt jedoch eine Obergrenze von Fr. 4.95. Kommt eine Unfallversicherung oder Krankenkasse für die Behandlung auf, beträgt der Taxpunktwert immer Fr. 3.10. Teure Zahnärzte arbeiten für einen Taxpunktwert von über 4 Franken; günstigere für Fr. 3.- bis 3.50. Der Taxpunktwert multipliziert mit der Anzahl Taxpunkte ergibt den Rechnungsbetrag. Tipp: Wer bar oder mit Maestro-Karte zahlt, erhält bei einigen Zahnärzten Rabatt.
- Details: SSO-Mitglieder sind verpflichtet, auf der Rechnung jede erbrachte Leistung einzeln aufzuführen und ihre Positionsnummer gemäss Tarif sowie die Anzahl verrechneter Taxpunkte anzugeben (K-Tipp 14/01). Nicht fehlen darf auch der Taxpunktwert.
Verlangen Sie eine detaillierte Rechnung. Prüfen Sie diese anhand des Kurztarifs und des in der Praxis publizierten Taxpunktwerts.
- Reklamationen: Falls Sie mit der Rechnung nicht einverstanden sind, reklamieren Sie schriftlich beim Zahnarzt. Können Sie sich nicht einigen, wenden Sie sich an die SSO. Sie verweist Sie an die Begutachtungskommission in Ihrem Kanton. Die Liste der Kommissionen finden Sie auch unter www.sso.ch.
(thm)
Nur 8 von 35 informierten korrekt
Die Tabelle zeigt, welche der 35 zufällig ausgewählten Zahnarztpraxen anlässlich der K-Tipp-Stichprobe vom 21. und 22. Juni 2004 den Taxpunktwert vorschriftsgemäss deklariert hatten und welche nicht. Ein Stern (*) hinter dem «Nein» bedeutet: Der Arzt versichert, nach der Stichprobe einen entsprechenden Aushang angebracht zu haben.
Bei Zahnärzten ohne Preis-Info in der Praxis hat sich der K-Tipp schriftlich nach dem Taxpunktwert erkundigt. Die meisten haben nicht geantwortet.