Viele Vereine, Restaurants und Firmen kaufen bei TopCC ein, wenn sie grosse Mengen Esswaren, Getränke oder andere Produkte benötigen.
Wer das in der Filiale in Winterthur ZH tun will, läuft beim Eingang an einem grossen Bildschirm vorbei. Darauf sehen Kunden unter anderem Werbung für Wein, Fleisch und Käse. Über dem Bildschirm ist ein kleines weisses Kästchen mit zwei Linsen montiert. Links unterhalb des Schirms gibt es einen Kleber mit einem Kamerasymbol und dem Hinweis, dass der Bereich für Marktforschung mit Advertima- Technologie ausgestattet sei.
Im Laden selbst gibt es einen weiteren Werbebildschirm über der Rolltreppe. Auch auf ihm ist ein weisses Kästchen angebracht.
Kunden werden durch den Laden verfolgt
Was die TopCC-Kunden nicht wissen: Das Kästchen ist eine spezielle 3-D-Kamera der St. Galler Firma Advertima. Sie filmt laufend die Gesichter und Körper der Kunden. Computerprogramme analysieren die Aufnahmen und ermitteln daraus:
- das Geschlecht
- das Alter
- die Blickrichtung
- den Gang und die Gestik – so erkennt das System auch Kunden, die nicht in die Kameras blicken
- die Verweildauer
- den Gang durch den Laden
- wer zu wem gehört: Stehen Leute eng beieinander, kann es sich um Familien oder Paare handeln.
Ausserdem teilt das System jedem Kunden eine Identifikationsnummer zu. So kann es Leute durch den Laden verfolgen und bei späteren Besuchen wiedererkennen.
Laut Advertima können die per Kamera erhobenen Daten auch dazu genutzt werden, den Kunden auf den Bildschirmen personalisierte Werbung anzuzeigen. So sähen beispielsweise jüngere Leute Werbung für Energy-Drinks, ältere Werbung für Wein.
Mit der Identifikationsnummer ist es technisch aber sehr einfach, Kundendaten von Advertima auch mit Daten aus anderen Quellen zu verknüpfen, wie von Kundenkarten oder Kreditkarten. So kennt der Computer auch die Namen der Kunden und kann dazu Daten aus anderen Quellen hinzufügen.
Sowohl TopCC als auch Advertima sagen gegenüber dem K-Tipp, Kundendaten würden anonymisiert und nicht weiterverkauft. Anonymisierte Daten lassen sich jedoch mit einfachen Mitteln wieder personalisieren. Das zeigen diverse Studien des Fachbereichs Datenschutz des Imperial College London.
K-Tipp-Recherchen vor Ort zeigen: Wahrscheinlich werden die Daten übers Internet verschickt. Alle Kameras waren mit einem Internetkabel verbunden.
Was wirklich mit den gesammelten Daten geschieht, weiss deshalb niemand. TopCC und Advertima sagen: Alle Sensordaten würden sofort gelöscht und nicht verschickt.
Spar montiert System in allen Filialen
Die Advertima-Kameras kommen bereits in allen elf TopCC-Filialen der Schweiz zum Einsatz. Doch bald werden auch die Daten anderer Kunden erfasst. TopCC gehört zur Spar-Gruppe. Und Spar will gemäss Recherchen des K-Tipp bis Mitte dieses Jahres alle Filialen mit Advertima-Kameras ausstatten.
Anfang Jahr wurden in der Filiale an der Freilagerstrasse 51 in Zürich-Altstetten Tests durchgeführt. Dafür montierte Advertima im Laden Kameras über den Bildschirmen und zeigte je nach Kunde andere Werbung an. Stolz halten Advertima und Spar in einer Pressemitteilung fest: «Dank personalisierter Kundenansprache erhöhte Spar zusammen mit Marken wie Coca-Cola, Red Bull und Nestlé seine Verkäufe um 10,5 Prozent.»
Advertima hat laut eigenen Angaben und diversen Medienberichten auch mit anderen Firmen wie ZKB, Raiffeisen und Topwell-Apotheken schon ähnliche Tests durchgeführt. Alle Kameras seien aber mittlerweile wieder entfernt.
Migros-Kameras erkennen Gesichter
Miteigentümerin von Advertima ist die Migros. Im Migros-Einkaufszentrum Westside in Bern gab es bis Ende Januar Tests mit Advertima-Kameras – installiert vor dem Migros-Restaurant und dem Laden. Angebliches Ziel: Herausfinden, wie viele Kunden nur einkaufen, nur essen gehen oder beides kombinieren. Laut Sprecherin Andrea Bauer wird die Technik nicht mehr eingesetzt. Es sei auch kein weiterer Einsatz geplant.
Tatsache ist jedoch: Die Migros testet in einigen Filialen Kameras des kanadischen Herstellers Avigilon. Dieser wirbt mit integrierter Gesichtsanalyse und Erkennung von Geschlecht, Alter und Kleidung der Kunden. Es könne «umfangreiches Videomaterial einfach nach bestimmten Personen» durchsucht werden. Die Migros wollte dem K-Tipp nicht sagen, in welchen Filialen die Kameras eingesetzt werden. Sprecher Patrick Stöpper sagt nur: «Gesichtserkennung ist in keiner Filiale im Einsatz.»
Aldi, Denner und Lidl verzichten bewusst auf Gesichtserkennung oder das Aufzeichnen des Kundenverhaltens. Coop wollte keine Angaben machen.
Kameraüberwachung: Das sind die Rechte der Konsumenten
- Grundsätzlich gilt: Ladenbetreiber müssen ihre Kunden beim Eingang mit einem Signet darauf hinweisen, dass sie in den Filialen Videoüberwachung praktizieren.
- Diese Hinweise sind jedoch oft nur klein und für die Kunden kaum ersichtlich.
- Wer persönliche Daten wie Gesichter oder das individuelle Verhalten der Kunden speichert, muss diese Daten auf Antrag der Betroffenen löschen.
- Die Kunden haben auch Anspruch, schriftlich Auskunft über die erfassten persönlichen Daten zu verlangen.