Hans Conrad aus Binningen BL liess seine Zähne im Jahr 2006 sanieren. Die Rechnung seines Zahnarzts Sven Egger umfasste damals fast vier A4-Seiten mit je 80 Rechnungspositionen. Gesamtbetrag: rund 57 500 Franken. Doch die Arbeit hielt nicht lange: Ab 2008 mussten Conrads Zähne immer wieder repariert werden. So kamen bis 2015 Rechnungen von total über 70 000 Franken dazu. Conrad bezweifelte zunehmend, dass die Behandlungen sinnvoll und die Forderungen berechtigt waren. «Ich war viel zu lange naiv», sagt er heute.
Extrakosten für das Behandlungsmaterial
Der K-Tipp liess die Rechnungen von Regina Mericske begutachten. Sie ist Spezialistin für rekonstruktive Zahnmedizin und Professorin an der Uni Bern. Sie verglich die Rechnungen mit dem Tarif der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO, nach dem Zahnarzt Egger Rechnung stellte.
Mericske fiel auf, dass Conrad sehr viele Sitzungen durchmachte. Allein im Jahr 2006 seien es 50 gewesen. Sie meint, mit einer besseren Planung hätten die Kosten massiv reduziert werden können: «Für die erste Sanierung hätte man mit etwa 45 000 Franken auskommen müssen.»
Zudem entdeckte Mericske etliche Rechnungspositionen für Material, das beim SSO-Tarif bereits in der Position für die Behandlung inbegriffen ist.
Conrad musste aber für Abdecksets, Bohrer und anderes extra bezahlen. Diese Extrakosten würden allein für die Behandlungen im Jahr 2006 rund 4000 Franken ausmachen, so Mericske. Und: Manche Positionen seien viel zu oft in Rechnung gestellt worden. So habe Zahnarzt Egger die Montage und Demontage von drei Implantaten 17- statt 3-mal berechnet.
Zahnarzt Sven Egger sagt dazu, es habe so viele Termine gebraucht, weil Conrad kurze Sitzungen gewünscht habe und Heilphasen dies erforderlich gemacht hätten. Die zusätzlichen Kosten für die Abdecksets begründet er damit, diese seien für chirurgische Eingriffe umfangreicher ausgestattet und deshalb teurer.
Ferner sei es bei den Implantaten zu Wundheilungsstörungen gekommen. Zwei Implantate hätten deshalb wieder entfernt und ersetzt werden müssen, sagt Egger.
Rechnung überprüfen: Nicht immer gratis
Gut zu wissen: Ist ein Zahnarzt Mitglied bei der Zahnärzte-Gesellschaft SSO, können Patienten die Rechnung bei der Zahnärztlichen Begutachtungskommission überprüfen lassen. Das ist in einigen Kantonen gratis.
Ob ein Zahnarzt Mitglied ist, lässt sich im Internet auf der Website www.sso.ch/sso/zahnarztsuche.html überprüfen. Die Begutachtungskommissionen sind zu finden unter www.sso.ch } Patienten } Recht und Tarif } Reklamationen } Zahnärztliche Begutachtungskommission.
Laut dem SSO-Juristen Simon Gassmann gingen im vergangenen Jahr gesamtschweizerisch 273 Beschwerden ein. Davon wurden 19 Prozent zugunsten des Patienten und 23 Prozent zugunsten des Zahnarzts entschieden. 26 Prozent der Beschwerden endeten mit einem Vergleich, der Rest wurde noch nicht erledigt oder zurückgezogen.
Tipps: So überprüft man Zahnarztrechnungen
Patienten können Rechnungen gemäss SSO-Tarif auch selber kontrollieren – zum Beispiel für das Ziehen eines Zahns.
Eine Übersicht mit den häufigsten Tarifpositionen ist zu finden auf www.sso.ch /Patienten/Recht und Tarif/Zahnarzttarif/Kurztarif. Jeder Zahnarzt muss angeben, welchen Taxpunktwert er in Rechnung stellt. Dieser darf bei Zahnärzten, die bei der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO Mitglied sind, maximal Fr. 5.80 betragen.
Im Kurztarif ist ersichtlich, wie viele Taxpunkte der Zahnarzt für eine Behandlung verlangen darf.
Beispiel:Für das Ziehen eines einwurzligen Zahns darf der Zahnarzt 7,5 bis 10 Taxpunkte in Rechnung stellen. Bei einem Taxpunktwert von Fr. 3.80 ergibt das Kosten zwischen Fr. 28.50 und Fr. 38.–.
Die Kosten für das Material sind in der Behandlung grundsätzlich inbegriffen. Nur bei Positionen mit einem «M» dürfen diese Kosten zusätzlich in Rechnung gestellt werden.