Beratung im Séparée
Viele Kunden trauen sich bei heiklen Themen nicht, in der Apotheke ein ungestörtes Gespräch zu verlangen - dabei hätten sie das Recht dazu.
Inhalt
K-Tipp 1/2005
12.01.2005
Markus Kellenberger - mkellenberger@ktipp.ch
Der Gang in die Apotheke fällt nicht immer leicht, je nach- dem, um was es geht. Das bestätigt Margrit Kessler von der Schweizerischen Patienten-Organisation (SPO). «Gerade wenn mehrere Kunden im Geschäft sind, fühlt man sich schnell blossgestellt, wenn man sein Problem für alle hörbar an der Theke besprechen muss.»
Den Apothekern ist das bewusst. «Aber ich bin immer wieder überrascht, was für intime Probleme Kunden am Ladentisch anschneiden», erzählt Guido Brun von d...
Der Gang in die Apotheke fällt nicht immer leicht, je nach- dem, um was es geht. Das bestätigt Margrit Kessler von der Schweizerischen Patienten-Organisation (SPO). «Gerade wenn mehrere Kunden im Geschäft sind, fühlt man sich schnell blossgestellt, wenn man sein Problem für alle hörbar an der Theke besprechen muss.»
Den Apothekern ist das bewusst. «Aber ich bin immer wieder überrascht, was für intime Probleme Kunden am Ladentisch anschneiden», erzählt Guido Brun von der St.-Peter-Apotheke in Zürich. «Als Kunde würde ich selber bei vielen davon erst mal ein Gespräch unter vier Ohren verlangen.»
Das ist grundsätzlich möglich, wie eine Stichprobe des K-Tipp in Zürich zeigt. Jede der zwölf besuchten Apotheken hat für solche Fälle entweder eine ruhige und meist nicht einsehbare Ecke oder sogar einen eigentlichen Beratungsraum eingerichtet - je nach Ladengrösse und baulichen Möglichkeiten.
Dies entspricht auch dem Wunsch des Schweizerischen Apothekerverbandes SAV, der solche Einrichtungen seit Jahren empfiehlt. «Dass das auf freiwilliger Basis praktisch überall verwirklicht ist, hat mit der Erfahrung unserer Mitglieder zu tun», begründet SAV-Generalsekretär Marcel Mesnil das positive Resultat.
Grundsätzlich zeigten sich alle befragten Apothekerinnen und Apotheker erstaunt darüber, wie selten Kunden von sich aus ein Beratungsgespräch abseits des Kundenstroms verlangen. Im Schnitt komme das zweimal in der Woche vor, so der gemeinsame Tenor.
Dankbar für deutliche Signale der Kunden
Wesentlich häufiger, nämlich bis zu fünfmal täglich, seien es die Apotheker selber, die einen Kunden ins Séparée bitten. «Wir merken das meist am Verhalten der Betroffenen», sagt Sabine Lorch von der Coop-Vitality-Apotheke. «Ein Rückzug in die Kammer ist manchmal auch durch gewisse Stichworte gegeben.» In der Regel seien dies Krankheiten im Genitalbereich, Schwangerschaftsabbruch, Verhütung, Aids und Inkontinenz.
Doch die Grenze dessen, was als peinlich empfunden wird, ist nicht für jeden Menschen gleich. Der eine kann mit einer Geschlechtskrankheit locker umgehen, dem anderen treibt bereits ein Fusspilz die Schamröte ins Gesicht.
Das herauszufinden ist für das Apotheken-Personal oft schwierig - und unangenehme Situationen sind darum für einzelne Kunden nicht auszuschliessen. «Wir wären oft froh, unsere Kunden würden uns deutlich signalisieren, wenn sie ungestört mit uns sprechen wollen», sagt darum Susanne Hugentobler von der Pfauenapotheke in Zürich.
Falls Sie also auf keinen Fall möchten, dass Dritte in der Apotheke von Ihrem Problem erfahren, hier die wichtigsten Tipps:
- Verlangen Sie an der Theke ausdrücklich ein Gespräch in der Beratungsecke oder - falls vorhanden - im Beratungszimmer.
- Rufen Sie vorgängig in der Apotheke an, wenn Sie Medikamente oder Hilfsmittel gegen ein Gebrechen abholen müssen, das niemanden etwas angeht. Das Personal kann das Gewünschte dann diskret eingepackt bereitstellen.
Diesen Service bieten viele Apotheken übrigens auch ohne Telefonanruf automatisch bei vielen Produkten, die sonst einen allzu intimen Einblick ins Leben des Kunden gewähren würden. So werden zum Beispiel Medikamente gegen HIV grundsätzlich neutral verpackt über die Theke geschoben - Kondome aber nur auf Wunsch.
Was Patienten neu bezahlen müssen
Seit Anfang Jahr gelten neue Tarife. Sie bestimmen, was Apotheken maximal verlangen dürfen.
- Patienten-Pauschale: Sie wird für das Führen des Patientendossiers verrechnet und neu - bei Käufen in derselben Apotheke - nur einmal pro Patient und pro drei Monate erhoben. Bis anhin fiel die Taxe mehrfach an, sofern ein Patient Rezepte von mehreren Ärzten hatte. Im Gegenzug zahlt man neu Fr. 9.20 statt Fr. 7.55.
Unverändert fallen an:
- Apotheken-Pauschale: Sie beträgt Fr. 4.30 pro Rezeptzeile - als Abgeltung für Leistungen wie Beratung des Patienten.
- Generika-Pauschale: Sie wird verrechnet, wenn die Apothekerin statt des verschriebenen Originalmedikaments ein Generikum abgibt.
Die Pauschale beträgt 40 Prozent der Preisdifferenz zwischen dem Original und dem Generikum; maximal jedoch Fr. 21.80.
Die Stiftung für Konsumentenschutz kritisierte den neuen Vertrag, weil er keine verbesserten Anreize zur Abgabe von Generika schaffe.
(pag)
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