Beruhigungspillen en masse
Nach den Anwohnern erhalten dieser Tage Betriebe in AKW-Nähe Kaliumiodid-Tabletten. Bei einem Unfall genügt dieser Schutz jedoch nicht.
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K-Tipp 1/2005
12.01.2005
Marco Diener - mdiener@ktipp.ch
Nicht bestellte Medikamente im Briefkasten? Das haben im Dezember 1,2 Millionen Schweizerinnen und Schweizer vorgefunden. Sie alle wohnen höchstens 20 Kilometer von den Atomkraftwerken Beznau I und II, Gösgen, Leibstadt oder Mühleberg entfernt.
Jede rotweisse Medikamenten-Packung enthält 12 Kaliumiodid-Tabletten. Diese sollen die Bevölkerung bei einem AKW-Unfall vor Schilddrüsenkrebs schützen. Bei einem Unfall besteht nämlich die Gefahr, dass sich radioaktives Iod in der S...
Nicht bestellte Medikamente im Briefkasten? Das haben im Dezember 1,2 Millionen Schweizerinnen und Schweizer vorgefunden. Sie alle wohnen höchstens 20 Kilometer von den Atomkraftwerken Beznau I und II, Gösgen, Leibstadt oder Mühleberg entfernt.
Jede rotweisse Medikamenten-Packung enthält 12 Kaliumiodid-Tabletten. Diese sollen die Bevölkerung bei einem AKW-Unfall vor Schilddrüsenkrebs schützen. Bei einem Unfall besteht nämlich die Gefahr, dass sich radioaktives Iod in der Schilddrüse anreichert. Schluckt man vorsorglich Kaliumiodid, nimmt die Schilddrüse kaum radioaktives Iod auf.
Allerdings bieten die Tabletten keinen Schutz vor äusserer Strahlung. Ebenso wenig vor innerer Strahlung durch verseuchte Nahrungsmittel. Weitere Massnahmen bei einem schweren Unfall:
- Betroffene Gebiete evakuieren.
- Schutz von Nutztieren, Futter und erntereifen Produkten.
- Einschränkung beim Konsum bestimmter frischer Lebensmittel.
Ab nächster Woche verteilt der Bund noch einmal 1,2 Millionen Kaliumiodid-Packungen - diesmal an Verwaltungen, Betriebe, Schulen, Heime und Gefängnisse. Dies, damit Arbeitnehmer, Schüler und Insassen die Tabletten nicht ständig bei sich tragen müssen.
Kostenpunkt für das Verteilen der insgesamt 29 Millionen Tabletten: rund 7 Millionen Franken. Die Behörden betonen, dass nicht der Steuerzahler dafür aufzukommen habe. Die Aktion werde von den Atomkraftwerk-Betreibern bezahlt. Mit anderen Worten: von den Strombezügern.
Doch wann müssen die Tabletten geschluckt werden? Bei einem AKW-Unfall wird zunächst Sirenenalarm ausgelöst. Damit ist die Bevölkerung aufgerufen, Radio zu hören. Via Radio folgt - falls nötig - die Aufforderung, in einem Keller, einem Haus oder einem Schutzraum Unterschlupf zu suchen. Ebenfalls per Radio werden die Betroffenen auch zur Tabletteneinnahme aufgefordert.
Finden Sie es gut, dass rund 7 Mio. Franken für Kaliumiodid-Tabletten ausgegeben werden? Antworten bitte auf www.ktipp.ch.
Die Antworten der Behörden auf die wichtigsten Fragen
Wer hat Kaliumiodid-Tabletten erhalten?
Alle Bewohner der Zonen 1 (bis 5 km vom nächsten AKW) und 2 (bis 20 km).
In welcher Zone wohne ich?
Unter www.kaliumiodid.ch können Sie den Namen Ihrer Gemeinde eingeben und erfahren so, in welcher Zone Sie wohnen.
Ich wohne in Zone 3 - über 20 km entfernt. Warum erhalte ich keine Tabletten?
Für Sie sind Tabletten beim Kanton eingelagert. Man geht davon aus, dass nach einem AKW-Unfall genügend Zeit für die Verteilung bleibt.
Kann ich die Pillen kaufen?
Ja, in der Zone 3 in Apotheken, in den Zonen 1 und 2 auch in Drogerien. Eine Packung kostet 5 Franken.
Woher bekommt man für Neugeborene Tabletten?
Automatisch von der Gemeinde. Das gilt auch für Neuzuzüger.
Wie lange sind die Tabletten haltbar?
10 Jahre (wie die bisherigen).
Welche Nebenwirkungen können die Pillen haben?
Vorsicht ist bei Iod-Überempfindlichkeit oder Schilddrüsen-Krankheiten geboten - fragen Sie den Hausarzt.
Müssen Kinder die Tabletten mit in die Schule nehmen?
Nein, in den nächsten Tagen werden in den Schulen Tabletten eingelagert.
Müssen Kinder die volle Dosis einnehmen?
Nein, die Höhe der Dosis ist altersabhängig. Detaillierte Angaben finden Sie auf dem Beipackzettel.
Was soll ich tun, wenn im Notfall die Pillen nicht zur Hand sind?
Fragen Sie einen Nachbarn. Jede Packung enthält die doppelte Menge.
Ich habe noch alte Tabletten in der blauen Packung. Was tun damit?
Bringen Sie die Schachtel unverpackt auf die Post oder werfen Sie sie in einen Briefkasten.
Ich ziehe weg. Muss ich die Tabletten zurückgeben?
Nein. Sie können sie behalten - auch bei einem Wegzug.
Weitere Informationen gibts online:
www.bevoelkerungsschutz. admin.ch, www.hsk.ch
www.kaliumiodid.ch
www.komabc.ch www.naz.ch
(mdb)