Wenn ein Unternehmen eine Stelle neu besetzen will, kann es damit eine Stellenvermittlerfirma beauftragen. Diese sucht geeignete Kandidaten, führt Interviews, holt Referenzen ein und unterbreitet dann dem Auftraggeber Vorschläge. Kommt zwischen diesem und dem Bewerber schliesslich ein Arbeitsvertrag zustande, hat die Stellenvermittlerin Anspruch auf ein Honorar. Dessen Höhe und die Aufgaben der Stellenvermittlung werden in der Regel in einem Maklervertrag vereinbart.
Das Honorar kann allerdings sogar ohne schriftlichen Vertrag geschuldet sein – allein durch den Erhalt eines Bewerbungsdossiers. Das zeigt ein Urteil aus dem Kanton Zug.
Vermittlerfirma bot Bewerbung an
Im Mai 2021 suchte eine Zürcher Treuhandfirma einen Angestellten. Sie publizierte auf ihrer Internetseite das Stelleninserat «Mandatsleiter/in Treuhand 60–100 %». Dort vermerkte sie ausdrücklich, dass Bewerbungen von Stellenvermittlungen nicht berücksichtigt würden.
Trotzdem meldete sich eine Stellenvermittlungsfirma aus dem Kanton Zug. Sie fragte per E-Mail, ob sie als Spontanbewerbung das Dossier eines diplomierten Wirtschaftsprüfers senden dürfe. «Ausnahmsweise» und «unverbindlich» könne sie das Dossier schicken, antwortete die Assistentin der Geschäftsleitung des Treuhandbüros auf die Anfrage.
Darauf erhielt das Büro die Bewerbungsunterlagen eines Peter Greiner (Name geändert). Dem E-Mail mit dem Dossier war ein Dokument «Leistungen und Konditionen» angehängt. Darin waren umfangreiche Rekrutierungs- und Selektionsarbeiten der Stellenvermittlerin aufgeführt, für die ein Anteil von 15 bis 24 Prozent des Bruttojahreslohns als Honorar geschuldet sei – sofern ein Vertrag mit der vermittelten Person zustande komme.
Ende Mai 2021 gab es ein Vorstellungsgespräch. Ein Vertrag kam nicht zustande. Der 35-jährige Bewerber Peter Greiner war für die ausgeschriebene Stelle überqualifiziert. Sie wurde an einen anderen Bewerber vergeben.
Anfang Juli meldete sich Greiner von sich aus nochmals bei der Treuhandfirma – dieses Mal mit Erfolg. Denn in der Zwischenzeit hatte sich ergeben, dass ein Partner des Treuhandbüros seine Nachfolge plante und der Bewerber als Ersatz und zukünftiger Partner infrage kam.
Das erfuhr auch die Vermittlungsfirma. Am 19. Juli 2021 meldete sie sich erneut beim Treuhandbüro. Dieses bat die Stellenvermittlerin um eine konkrete Offerte für das Weiterleiten von Peter Greiners Dossier. Wenige Minuten später schickte die Vermittlungsfirma wiederum das Blatt «Leistungen und Konditionen» und wies darauf hin, dass die Vermittlungsgebühr von 15 bis 24 Prozent vom Jahressalär abhänge, weswegen eine Offerte schwierig sei. Sie bot dabei 20 Prozent Rabatt auf die Vermittlungsgebühr an.
Zuger Richter geben Vermittlerin recht
Auf dieses E-Mail reagierte die Treuhandfirma nicht mehr, und die Stellenvermittlerin fragte nicht mehr nach. Zwei Monate später schloss die Treuhandfirma mit Peter Greiner einen Arbeitsvertrag für die Stelle als Mandatsleiter ab, mit einem Bruttojahreslohn von 128'000 Franken.
Davon erfuhr die Stellenvermittlerin. Mitte Oktober verhandelten die zwei Firmen telefonisch über eine Vergütung für Greiners Anstellung. Doch es kam zu keiner Einigung.
Im März 2022 klagte die Stellenvermittlerin die Treuhandfirma beim Kantonsgericht Zug ein und verlangte ein Honorar von 19'851 Franken. Das entspricht 18 Prozent des Bruttojahreslohns von 128'000 Franken abzüglich eines Rabatts von 20 Prozent und zuzüglich Mehrwertsteuer.
Das Kantonsgericht Zug gab der Stellenvermittlerin recht. Begründung: Die Parteien hätten stillschweigend einen Maklervertrag abgeschlossen. Weil die Treuhandfirma den vermittelten Peter Greiner angestellt habe, sei ein Honorar geschuldet. Dieses senkte der Zuger Richter auf 10'000 Franken, weil das Dokument «Leistungen und Konditionen» nicht vor dem Bewerbungsdossier zugestellt worden war und somit nicht anwendbar gewesen sei.
Mit dem Urteil waren beide Parteien nicht einverstanden: Sie gelangten an das Zuger Obergericht. Es gab ebenfalls der Stellenvermittlerin recht – allerdings mit einer anderen Begründung: Die Stellenvermittlerin habe am 19. Juli 2021 auf Wunsch des Treuhandbüros eine Offerte für die Vermittlung des Bewerbers abgegeben, welche die Treuhandfirma zwar nicht ausdrücklich, jedoch «stillschweigend» angenommen habe. Deshalb gelte auch das mit der Offerte abgegebene Dokument «Leistungen und Konditionen». Nach Einschätzung der Richter spielt es keine Rolle, dass sich der Bewerber nach der ersten Absage selber erneut bei der Treuhandfirma gemeldet hatte und er in einer ganz anderen Position angestellt wurde.
Das betroffene Treuhandbüro muss nun der Stellenvermittlungsfirma 19'851 Franken bezahlen – ein stolzes Honorar für das Zustellen eines Bewerbungsdossiers.
Stellenvermittlung: So vermeiden Sie unnötige Honorare
- Vermerken Sie im Stelleninserat, dass Bewerbungen über Stellenvermittlerfirmen nicht berücksichtigt werden.
- Erhalten Sie von einer Stellenvermittlerin ungefragt ein Bewerbungsdossier zugestellt: Schicken Sie es zurück, und senden Sie dem Bewerber eine Kopie, wenn dieser für die Stelle infrage käme. So kann er sich selber bei Ihnen melden, ohne dass Sie der Stellenvermittlerin ein Honorar schulden.