Bidons können das Wässerchen trüben
Hygieneproblem bei Wasserspendern: In einer K-Tipp-Stichprobe wurden bis zu 460 000 Schmutzkeime pro Milliliter Wasser nachgewiesen. Das ist 1500-mal mehr, als bei Hahnenwasser erlaubt ist.
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K-Tipp 13/2005
24.08.2005
Pieter Poldervaart - redaktion@ktipp.ch
Können Sie sich vorstellen, ständig über frisches, reines Wasser zu verfügen, ohne das Haus verlassen zu müssen?» In der Schweiz kann das jeder: «Hahnenburger» ist das am besten kontrollierte Lebensmittel. Trotzdem wirbt die Firma Edensprings in Dorénaz VS blumig mit dieser Selbstverständlichkeit - natürlich nicht für Wasser aus dem Leitungssystem, sondern für ihre Spender mit Wasserbidon.
Doch punkto Hygiene schneiden die Wassermänner aus dem Wallis in einer K-Tipp-...
Können Sie sich vorstellen, ständig über frisches, reines Wasser zu verfügen, ohne das Haus verlassen zu müssen?» In der Schweiz kann das jeder: «Hahnenburger» ist das am besten kontrollierte Lebensmittel. Trotzdem wirbt die Firma Edensprings in Dorénaz VS blumig mit dieser Selbstverständlichkeit - natürlich nicht für Wasser aus dem Leitungssystem, sondern für ihre Spender mit Wasserbidon.
Doch punkto Hygiene schneiden die Wassermänner aus dem Wallis in einer K-Tipp-Stichprobe miserabel ab. Vier von sieben getesteten Eden-Tankstellen schenkten Wasser aus, das weit überdurchschnittlich viele aerobe mesophile Keime (AMK) enthielt - eine davon gar 460 000 dieser Schmutzbakterien. Basis für die AMK-Verunreinigung ist gelöster organischer Kohlenstoff, der in jedem Mineralwasser vorhanden und Auslöser für die Vermehrung von Bakterien ist. Für abgefülltes Mineralwasser existiert in der eidgenössischen Hygieneverordnung zwar kein AMK-Grenzwert. Als Vergleich kann man aber den Wert für Trinkwasser vom Hahnen zuziehen: Hier darf die Gesamtkeimzahl pro Milliliter nicht höher als bei 300 liegen.
Das vom K-Tipp beauftragte Labor untersuchte 37 Proben aus Basel, Bern, Luzern und Zürich. Fazit (siehe auch Tabelle): Zieht man den höchstzulässigen Wert für «Hahnenburger» bei, liegen sämtliche Proben darüber. Am deutlichsten wars beim Herren-Globus in Zürich: Mit den erwähnten 460 000 Keimen pro Milliliter wird der erlaubte Wert beim Hahnenwasser mehr als 1500-mal überschritten. Selbst wenn man die K-Tipp-Resultate mit dem Toleranzwert bei Automaten für Offengetränke wie Cola, Kaffee und Ovo von 100 000 AMK/ ml vergleicht, liegen immer noch 5 von 37 Proben zum Teil deutlich darüber.
Edensprings: 4 der 5 «gruusigsten» Wässer
Auffällig ist, dass vier der fünf Spender, aus denen Wasser mit sehr hoher Keimbelastung floss, vom Anbieter Edensprings stammen. «Alle betroffenen Eden-Spender standen zum Zeitpunkt der Probeentnahme zwei oder drei Wochen vor einem Hygieneservice», behauptet Edensprings-Geschäftsleiter Thomas Pfister. Der Fall mit 460 000 AMK werde noch speziell untersucht. «Die Analyse zeigt, wie sensibel Wasserspender gehandhabt werden müssen, wenn sie im halböffentlichen Bereich zugänglich sind», so Pfister.
Einziger Trost: Krankheitserregende Keime wie Escherichia coli, Enterokokken und Pseudomonas aeruginosa konnte der K-Tipp in keiner der 37 Proben nachweisen. Zum gleichen Ergebnis kommt eine eben publizierte Untersuchung des Kantonalen Labors Zürich: Keine der elf Zürcher Proben war mit Fäkalkeimen belastet.
Nach dem Service dreckiger als vorher
Höchst erstaunlich sind jedoch die Resultate aus einem Vergleich der AMK-Verunreinigung vor und nach dem Hygieneservice durch den Hersteller: Während bei den drei untersuchten Trinkstationen vor der Wartung zwischen 920 und 12 600 AMK pro Milliliter gemessen wurden, betrug die Gesamtkeimzahl nach der Kontrolle zwischen 5010 und 23 600 - die Apparate waren also stärker verunreinigt. Die Messreihe zeigt laut Kantonschemiker Rolf Etter, dass nicht nur das Wasser belastet ist, sondern die Behälter auch bei der Wartung verunreinigt werden. Die vom K-Tipp gefundenen Werte von bis zu 460 000 Keimen beurteilt Etter kritisch: «Wenn Automatengetränke einem Toleranzwert von 100 000 Keimen genügen müssen, darf man das auch von Flaschenwasser erwarten.» Als Alternative empfiehlt er den guten alten Wasserhahnen: «Wasser ab der Röhre ist in der Regel fast keimfrei.»
Den Grenzwert von 300 AMK/ ml einzuhalten ist bei Hahnenwasser deshalb gut möglich, weil das Wasser in der Röhre dauernd nachfliesst und nicht wochenlang aufbewahrt wird. In stillem Mineralwasser hingegen, das bei Zimmertemperatur in Bidons gelagert wird, beginnen sich schon nach wenigen Tagen die Bakterien zu vermehren. Dass Hahnenwasser nicht nur besser, sondern auch billiger ist, haben inzwischen selbst die Anbieter der Wasserspender entdeckt - und schlagen daraus Profit. Seit einem Jahr hat der Automatenriese Selecta ein System im Sortiment, das direkt am hauseigenen Trinkwassernetz angeschlossen wird. Bereits jeder fünfte Selecta-Wasserspender entfalle auf dieses System, so Marketingleiterin Anne Irigoyen. Auch die Konkurrenz von der Firma Water Point offeriert seit Anfang Jahr Festnetzsysteme. Rund 15 Prozent der Neukunden entscheiden sich dafür, so Water-Point-Geschäftsleiter Manfred Lanter: «Leitungswasser ist natürlich günstiger als Mineralwasser», beschreibt er den wichtigsten Grund für die Wahl der Fix-Station.
«Für Spitalpatienten nicht gut genug»
Doch womöglich ist Hahnenwasser oder Mineralwasser in Flaschen ohnehin die bessere Alternative. Denn wo besonders viel Wert auf Hygiene gelegt wird, haben es die 19-Liter-Bidons schwer. Christian Ruef, Leiter Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich, analysierte vor drei Jahren Proben aus einigen Wasserspendern. «Die bakteriellen Werte zeigten, dass das Wasser aus dem Wasserspender schlechter war als das Mineralwasser aus der Literflasche, weil die Öffnung der Bidons während deren Benutzung kontaminiert wurde», so Ruef. Wasserspender sind seither im Zürcher Universitätsspital tabu. Zwar sei das Wasser aus den Spendern für die allgemeine Bevölkerung nicht gesundheitsgefährdend, «aber für Spitalpatienten mit geschwächter Immunabwehr ist es nicht gut genug».
1,5 Millionen Bidons
Rund 35 000 Apparate geben heute in Schweizer Warenhäusern, Schalterhallen von Banken sowie Warteräumen der öffentlichen Verwaltung gratis Wasser in Plastikbechern ab. 1,5 Millionen der voluminösen Behälter werden pro Jahr abgesetzt, die Branche wächst je nach Angaben um 8 bis 20 Prozent jährlich. Edensprings ist mit 45 Prozent Marktanteil vor der Badener Firma Water Point (30 Prozent) Schweizer Leader im Geschäft mit den 19-Liter-Bidons.
Bis zu 460 000 Keime pro Milliliter
Die Gesamtkeimzahl ist ein Indikator für Hygiene. Dabei handelt es sich um so genannte aerobe mesophile Keime (AMK). Für Hahnenwasser gilt laut Hygieneverordnung ein zulässiger Höchstwert von 300 AMK pro Milliliter, für Offengetränke aus Automaten in Bechern von 100 000 AMK/ml. Krankheitserregende Darm- und Fäkalbakterien waren in den K-Tipp-Laborproben bei den 37 Spendern mit Wasserbidon nicht nachweisbar.
Zulässiger Höchstwert der Gesamtkeimzahl bei Hahnenwasser: 300 Keime pro ml