Bienen züchten kann eigentlich fast jeder. Das zeigt sich an diesem Samstag, als sich 14 Frauen und Männer im Lehrbienenstand Segeten in Zürich-Witikon einfinden. Der Verein Zürcher Bienenfreunde hat zum Schnupperkurs «Einblick in die Imkerei» geladen.
Die Teilnehmer sitzen auf Festbänken. Auf den Tischen stehen Blumensträusse in mit Wasser gefüllten Plastikbechern. Sachbücher und Flugblätter übers Imkern liegen auf. An Kleiderständern hängen Imkerblusen. Das Bienensummen vernimmt nur, wer genau hinhört. Dabei sind die Bienen sehr nah. Beim Eingang des Lehrbienenstands sind verglaste Bienenkästen in die Wand eingebaut. Der Kursort ist gleichzeitig das Bienenhäuschen.
Städter entdecken das Imkern
Vor drei Jahren machten verschiedene Medienberichte und der Schweizer Dokumentarfilm «More than Honey» auf das Bienensterben aufmerksam. Seither interessieren sich immer mehr Leute für die Bienen und die Imkerei. Das Zürcher Veterinäramt registrierte im Jahr 2014 im ganzen Kanton insgesamt 1039 Imker, ein Jahr später waren es bereits 1189. Auf dem Land gehören Bienenhäuschen längst zum Landschaftsbild. In Städten sind mobile Magazine immer öfter in Gärten, neben Friedhöfen und auf Dächern zu sehen. Allein in der Stadt Zürich gibt es inzwischen rund 120 gemeldete Standorte.
Der Schnupperkurs des Zürcher Vereins wird regelmässig durchgeführt. Jedes Mal ist er ausgebucht. Die Kursleiter haben immer das gleiche Ziel vor Augen: «Wir sind hier, um eine Entscheidungsgrundlage zu liefern, ob die Imkerei etwas für euch ist», sagt Brigitte Hilfiker. Sie ist Vizepräsidentin des Vereins und führt zusammen mit Irma Götsch und Roger Marti den Kurs. Themen: Welche Aufgaben haben Bienen? Wie ist eine Wabe aufgebaut? Wie sieht ein Imkerjahr aus? Benötigt man eine Bewilligung?
Imker benötigen keine amtliche Bewilligung. Sie müssen gemäss der Tierseuchenverordnung einzig ihren Bienenstandort registrieren lassen. Bei der Behausung können Imker zwischen einem stationären Imkerhäuschen und mobilen Magazinen auswählen.
Viel Praxiswissen im Grundkurs
Erfahrungsgemäss widmet sich schliesslich ein Drittel der Kursteilnehmer ernsthaft der Imkerei. Sie besuchen nach dem Schnuppern einen Grundkurs. Dieser vermittelt wichtiges Praxiswissen und dauert zwei Jahre – auf 18 halbe Tage verteilt.
Das Imkern wird in der Schweiz praktisch nur als Hobby betrieben. Ein Vollerwerb ist schwierig. Der Grund ist vegetationsbedingt: Blütezeit ist nur im Frühling.
Die Kursteilnehmer im Lehrstand Segeten tragen inzwischen Imkerblusen und Hüte mit Schleiern. Irma Götsch öffnet ein Magazin und entnimmt mit einer Wabenzange Waben: «Am Nachmittag sind Bienen meist etwas hässiger», so Götsch. Ruhe bewahren ist deshalb das A und O. Je mehr man herumfuchtelt, umso angriffslustiger werden die Insekten. Roger Marti zündet vorsorglich einen Zündwürfel in einem Rauchapparat an. Der Rauch simuliert einen Waldbrand und stimmt Bienen ruhig. Sie sind dann damit beschäftigt, sich mit Honig vollzusaugen – als Nahrungsvorrat für die Flucht.
Die Farbe verrät das Alter der Königin
Götsch hält den Teilnehmern eine Wabe entgegen. Im Bienenwirrwarr ist die Königin leicht zu erkennen: Auf ihrem Brustkorb befindet sich ein winziger Farbkleber. Die Farbe verrät ihr Alter. Königinnen werden fünfjährig und legen täglich bis zu 1500 Eier. Arbeiterinnen putzen, pflegen die Brut und beobachten das Flugloch. Ihr Leben ist arbeitsintensiv und kurz: Sie sterben bereits nach 5 Wochen, im Winter nach 5 Monaten.
Ein Bienenvolk besteht im Winter aus 5000 bis 8000 Bienen, im Sommer sind es 30 000 bis 40 000 Insekten. Davon sind einige Hundert männlich – die Drohnen. Sie erfüllen einzig den Zweck der Fortpflanzung.
Am Schluss des Kurses wird den Teilnehmern ein Geschenk überreicht: Ein selbst gemachter Lippenbalsam. Er ist aus Bienenwachs, Bienenharz, Olivenöl, Honig, und Kamillenextrakt hergestellt.
«Werden Sie weitermachen?», fragt Roger Marti eine Teilnehmerin. Sie antwortet: «Ich werds mir überlegen.» Das ist dem Kursleiter lieber als unüberlegte Schnellschüsse.
Tipp: Auch Nicht-Imker können ihren Beitrag an die Bienen leisten – indem sie einen Garten mit bestimmten Blumen anlegen oder Dächer begrünen. Die Insekten finden dort Nahrung, wo es blüht und duftet. Dazu reicht im Übrigen schon ein Blumenbeet im Kistli auf dem Fenstersims.
Weitere Infos: Zuercher-bienenfreunde.ch