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Aus Angst vor dem Coronavirus fassen zurzeit viele Passagiere die Haltestangen im Bus oder Zug nur noch mit Handschuhen an. Wer ein Billett lösen will, muss die Automaten jedoch mit blossen Fingern per Bildschirmberührung bedienen. Das kann unhygienisch sein. Denn auf den Touchscreens befinden sich oft viele Bakterien und Pilze. Das zeigt eine Stichprobe bei 20 Billett- und Geldautomaten in der Deutsch- und der Westschweiz. Der K-Tipp nahm Proben auf 5 mal 5 Zentimetern grossen Flächen der Bildschirme (siehe Kasten «So wurde getestet»). Bei insgesamt 9 Automaten fand das beauftragte Labor über 100 Bakterienkolonien (KBE). Darunter an 4 Bank- oder Postomaten in Basel, Frauenfeld, Luzern und Winterthur sowie 5 Billettautomaten in Glarus, Lausanne, Luzern, St. Gallen und Winterthur (siehe Tabelle im PDF).
Hygieneregeln zwingend beachten
Gesamtkeimzahlen über 100 Kolonien sind nicht direkt gesundheitsgefährdend. Solche Zahlen weisen aber darauf hin, dass die Geräte ungenügend oder zu wenig oft gereinigt werden. So steigt das Risiko für Benutzer, über eine Schmierinfektion einen Krankheitserreger aufzulesen. Gemäss dem deutschen Bundesamt für Risikobewertung können Bakterien und Viren je nach Oberflächenmaterial wenige Stunden bis mehrere Tage überleben. Deshalb ist es nicht völlig auszuschliessen, dass sich Personen anstecken könnten, wenn zuvor ein mit Corona infizierter Nutzer den Bildschirm angehustet hat. Spezielle hygienische Anforderungen für öffentlich zugängliche Billett- oder Geldautomaten gibt es jedoch auch in Coronazeiten nicht.
Die Kommission für Krankenhaushygiene des deutschen Robert-Koch-Instituts empfiehlt, Flächen mit häufigem Hand- und Hautkontakt regelmässig zu reinigen und zu desinfizieren.
Insgesamt waren 11 der vom K-Tipp überprüften 20 Billett- und Geldautomaten in der Stichprobe unhygienisch. Der K-Tipp orientierte sich bei der Bewertung der Proben an der deutschen Norm für die Hygiene auf Einrichtungs- und Bedarfsgegenständen im Lebensmittelbereich – schweizerische Vorschriften gibt es nicht. Danach gelten Gesamtkeimzahlen ab 60 KBE pro 25 Quadratzentimeter als unhygienisch.
In der Spitalhygiene und in Labors gelten strengere Standards. In Bereichen mit erhöhtem Infektionsrisiko – dazu gehören auch Touchscreens auf Geräten in Arztpraxen und Spitälern – werden maximal 30 Bakterienkolonien als noch akzeptabel angesehen. Hätte der K-Tipp die Automaten mit diesem strengen Massstab beurteilt, wären 17 von insgesamt 20 Proben mangelhaft gewesen.
Keine gefährlichen Fäkalkeime
Immerhin: Die Mikrobiologen fanden auf den Bildschirmen keine Fäkalkeime. Solche Keime können Krankheiten auslösen. Auf einigen Bildschirmen wuchsen aber Schimmel- und Hefepilze. Diese können Hautkrankheiten, Blutzuckerprobleme und Allergien verursachen. Die festgestellten Mengen waren aber klein.
Der K-Tipp konnte nicht messen, ob auf den Touchscreens Coronaviren zu finden wären. Dafür werden für Private bislang keine Tests angeboten. Hält man sich an die folgenden Grundsätze, ist das Risiko einer Infektion mit Keimen aber klein: Wer öffentliche Geräte benutzt oder Flächen anfasst, sollte sich danach die Hände reinigen – oder zumindest penibel darauf achten, sich nicht ins Gesicht zu fassen, bis die Hände wieder sauber sind. Laut dem deutschen Bundesamt für Risikobewertung sind keine Fälle bekannt, bei denen sich Menschen über trockene Oberflächen mit dem Coronavirus ansteckten.
Der K-Tipp wollte von den Betreibern der überprüften Automaten wissen, wie regelmässig sie ihre Geräte reinigen. Bernmobil schreibt: «Die Automaten werden gereinigt, wenn an den Geräten Unterhalts- und Wartungsarbeiten durchgeführt werden.» Wie oft das ist, bleibt unklar. Bei Meldungen über erhöhte Verschmutzung putze man das betroffene Gerät noch am gleichen Tag. Selbst mit einer intensiven Reinigung könne man jedoch nicht verhindern, dass die Kunden die Automaten verschmutzen.
Post: «Tägliche Reinigung unmöglich»
Die SBB gibt an, ihre Billettautomaten je nach Standort mehrmals täglich zu reinigen. Um sich selber und das Schalterpersonal der SBB vor dem Coronavirus zu schützen, bitten sie die Kunden, die Tickets wenn möglich bis auf weiteres digital über die SBB-App oder per Internetseite zu kaufen.
Die Post schreibt, dass es am geprüften Postomaten beim Hauptbahnhof Winterthur durch die sehr häufige Benutzung zu erhöhten Keimzahlen kommen könne. Das Gerät werde mehrmals wöchentlich gereinigt. Eine tägliche Reinigung der rund 1000 Postomaten in der Schweiz sei nicht möglich.
Nützlicher Trick mit dem Kugelschreiber
Die Credit Suisse gibt sich verschlossen. Auf Anfrage heisst es nur: «Unsere Bancomaten werden regelmässig gereinigt. Nähere Details dazu geben wir nicht bekannt.» Auskunftsfreudiger ist die Valiant-Bank: Das Unternehmen teilt mit, dass eine Reinigungsfirma die Bancomaten je nach Standort mehrmals am Tag putze. Auch Bankmitarbeiter vor Ort würden bei Bedarf Reinigungsarbeiten übernehmen.
Das schlechte Ergebnis beim Gerät in Luzern erklärt die Valiant mit dem Zeitpunkt der Stichprobe am Abend. Zudem liege der Bancomat sehr zentral und werde häufig benutzt.
Die Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) geben einen nützlichen Tipp für die Bedienung der Automaten: «Wir empfehlen, die Bildschirme mit der stumpfen Seite eines Stifts zu bedienen.» Ein K-Tipp-Versuch mit einem Plastik-Kugelschreiber zeigt: Dieser Trick funktioniert auch bei den Automaten des Zürcher Verkehrsverbundes. Man muss mit dem Stift allerdings ordentlich drücken. SBB-Automaten lassen sich auf diese Weise nicht bedienen.
Lieber die Hände waschen als das Handy desinfizieren
Private Smartphones und Tablets werden in der Regel nur von einer Person benützt. Das bedeutet: Auf den Bildschirmen finden sich vor allem Keime des Benutzers. Handys sind also vor allem ein Spiegelbild der eigenen Hygiene.
Spezielles Desinfizieren ist laut verschiedenen Experten nicht nötig. Somit kann man sich bei Handy und Tablet teures Desinfektionsmittel sparen. Es genügt, den Bildschirm mit einem feuchten Tuch abzureiben.
Das deutsche Robert-Koch-Institut und auch das Bundesamt für Risikobewertung raten zu einer gründlichen Hygiene der Hände. Das sei der effizienteste Weg, um Übertragungswege zu unterbrechen.
So wurde getestet
Von St. Gallen bis nach Lausanne: Der K-Tipp war in der Deutsch- und Westschweiz unterwegs und hat mit speziell vorbereiteten Probeplatten die Hygiene auf den Touchscreens von 20 Billett- und Geldautomaten untersucht.
Bei den sogenannten Abklatschproben handelt es sich um 25 Quadratzentimeter grosse Platten mit Nährböden. Zum Vergleich: Das Display eines aktuellen «iPhone 11» ist rund 113 Quadratzentimeter gross.
Die Platten wurden fünf Sekunden lang auf die zu testende Oberfläche gepresst. Dabei übertrugen sich die Keime auf den Nährboden. Danach wurden die Proben im Labor für eine gewisse Zeit bebrütet und die Keimkolonien ausgezählt.
Die Experten massen Gesamtkeimzahl, Schimmel- und Hefepilze sowie E.Coli (Fäkalbakterien). Die Gesamtkeimzahl weist auf den generellen Hygienezustand hin. Sie zeigt, ob das Gerät kürzlich gereinigt wurde oder nicht. Pilze und E.Coli sind potenzielle Krankheitsauslöser.
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