Billig hin - mit viel zu teurer Ware zurück
Trips in die Türkei sind nur dann ein Schnäppchen, wenn man nichts kauft. Wer nicht Nein sagen kann und Schmuck- oder Teppichverkäufern auf den Leim kriecht, kehrt oft mit überteuerter Ware heim.
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K-Tipp 2/2005
26.01.2005
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Argos Juwel Art heisst das Geschäft im türkischen Antalya, wo Pia Fischli (die Name aller Betroffenen sind geändert) in die Falle tappte. Nachdem ihr die raffinierten Verkäufer einen Raki offeriert und ausführlich auf sie eingeredet hatten, unterschrieb die 51-jährige Frau einen Vertrag für 6940 Franken. «Ich war wie hypnotisiert und weiss heute nicht mehr, warum ich unterzeichnet habe», sagt die Käuferin.
Klar ist aber: Sie hat die Halskette mit Anhänger, den Ring und ...
Argos Juwel Art heisst das Geschäft im türkischen Antalya, wo Pia Fischli (die Name aller Betroffenen sind geändert) in die Falle tappte. Nachdem ihr die raffinierten Verkäufer einen Raki offeriert und ausführlich auf sie eingeredet hatten, unterschrieb die 51-jährige Frau einen Vertrag für 6940 Franken. «Ich war wie hypnotisiert und weiss heute nicht mehr, warum ich unterzeichnet habe», sagt die Käuferin.
Klar ist aber: Sie hat die Halskette mit Anhänger, den Ring und die beiden Ohrringe massiv überzahlt. Dies zeigte sich, als sie die Stücke der Schweizer Schmuckhandelskette Bucherer vorlegte: Der Bucherer-Experte beziffert den Wert in einem offiziellen «Schätzungsbericht» mit 4500 Franken. Ein Zürcher Goldschmied ging gar noch tiefer: 3000 Franken.
Enttäuscht ist auch Türkei-Touristin Esther Mahrer. Sie hat bei D-Jewels in Antalya einen Ring für rund 3000 Franken gekauft. Das Stück wurde ihr spät am Abend ins Hotel geliefert - ein paar Stunden vor dem Rückflug in die Schweiz, für den sie morgens um 2.15 Uhr bereit sein musste. Als die Käuferin das Stück bei Tageslicht sah, kam sie zur Überzeugung: «Das ist nicht der Ring, für den ich unterschrieben habe.»
«Der Edelstein von Frau Mahrer ist von minderer Qualität», urteilt Edelsteinexperte Daniel Simonin von Bolli Goldschmied in St. Gallen. «Einen solchen Stein würden wir nie auf einen Ring setzen.» Er ist überzeugt, dass in der Türkei viele Käufer «massivst über den Tisch gezogen werden».
In Antalya um 40 000 Franken geprellt
Das dürfte auch bei einem Ehepaar aus dem Berner Seeland der Fall sein. Es hat bei Mondial Jewellery in Antalya Schmuck für rund 30 000 Franken gekauft; ein Goldschmied aus Lyss BE schätzt den Wert auf 10 000 Franken.
Besonders krass ist das Beispiel eines Rentnerehepaares aus dem Appenzellerland: Es war mit Castell Reisen unterwegs und hat ebenfalls bei Mondial Jewellery in Antalya Schmuck für rund 70 000 Franken gekauft. Eine Schweizer Experten-Schätzung kommt auf einen Wert von nur 25 000 Franken.
Auch bei Teppichen sind Reinfälle häufig - wie sich am Beispiel einer Türkei-Reisenden aus dem Zürichbiet zeigen lässt. Sie hat bei der Firma Phaselis Hali in Kemer bei Antalya einen Seidenteppich für 13 000 Franken gekauft. Die Expertenkommission der schweizerischen Interessengemeinschaft Orienttepich (IGOT) schätzt seinen Marktwert in einem Gutachten auf 4500 Franken. «Die IGOT hat jedes Jahr 20 bis 30 solcher Fälle», sagt ihr Präsident Bruno Meier.
Betroffen sind in erster Linie Touristen, die mit sehr billigen Arrangements oder mit Gratis-Reisen in die südtürkische Region Antalya gelockt werden. Bei solchen Arrangements sind Besichtigungen von Schmuck-, Teppich- und Lederwarenfabriken meist fester Bestandteil des zweitägigen Ausflugs-Programms zu den weltberühmten Kalkstein-Terrassen von Pamukkale.
Wer nicht rein will, muss draussen warten
Auch auf organisierten Türkei-Rundreisen sind Fabrikbesuche vorgesehen. Wer die Fabrik nicht besuchen will, muss draussen beim Bus warten - und da ist oft nichts als Einöde, weil viele Produktionsstätten ausserorts liegen.
Mit anderen Worten: Viele Reiseveranstalter nehmen bewusst in Kauf, dass ihre Kundinnen und Kunden in der Türkei minderwertige Ware zu überteuerten Preisen kaufen. Die bekanntesten heissen Castell Reisen, Sun Tours, Sunshine Touristik (früher Sunshine Travels), Startklar Reisen, Mediashop Reisen, Columbus Reiseclub sowie Kaufmann/Edelweiss Ferien.
Selbst renommierte Firmen wie der Weltbild-Verlag und der Buchclub «Neue Schweizer Bibliothek NSB» schenken ihren Kunden Türkei-Reisen als Zückerchen.
Rita Graf, Weltbild-Geschäftsführerin, will alle Kundinnen und Kunden, die beim Türkei-Angebot zugegriffen haben, über ihre Erfahrungen befragen. «Sollten wir Reklamationen erhalten, werden wir Konsequenzen ziehen.»
In der Kritik steht auch Reiseveranstalter Arena & Partner, mit dem Pia Fischli unterwegs war. Doch Geschäftsleiter Michael Kroll weist die Vorwürfe zurück. Der Besuch von Souvenir-Läden habe in der Türkei eine lange Tradition, und Schweizer Juwelierunternehmen würden ausländischen Schmuck ohnehin immer zu tief einschätzen, um die eigene Produktion zu schützen.
Aggressive, versierte Verkäufer
Wer mit Günstig-Anbietern in die Türkei reist, muss Folgendes wissen:
- Solche Reisen finden vorwiegend in den Wintermonaten statt und sind nur deswegen so günstig, weil sie von den türkischen Veranstaltern bzw. Geschäften massiv subventioniert werden. Dafür erhofft man sich gute Zusatzgeschäfte in den Hotels und Läden.
- Viele Reisende sind von Land, Unterkunft und Verpflegung begeistert. Wichtig ist aber, bei Kaufangeboten Nein sagen zu können.
- Käuferinnen und Käufer berichten übereinstimmend von aggressiven Verkäufern, die äusserst versiert und redegewandt sind und sogar Schweizerdeutsch reden. Wer sich einlullen lässt und in eine Euphorie verfällt, hat verloren. «Wir waren wie manipuliert», ist eine typische Aussage der Opfer. Oder: «Ich hätte nicht geglaubt, dass mir so etwas passieren könnte.» Oder: «Ich war mit fünf Verkäufern allein in einem Raum.»
- Immer wieder taucht der (bisher unbewiesene) Verdacht auf, Kunden würden unter Drogen gesetzt. Üblich ist auch, dass die Kundinnen und Kunden innerhalb der Fabrik auf verschlungenen Wegen in Séparées geführt werden, von denen aus sie den Ausgang nicht mehr selber finden.
- Wer in der Türkei nur eine Anzahlung gemacht hat und mit der Ware unzufrieden ist, kann die Bezahlung verweigern - riskiert dann aber juristische Schritte seitens der Verkäufer. Immerhin: Im geschilderten Fall der Frau, die für einen Seidenteppich zu viel zahlte, ist der Schweizer Anwalt der türkischen Teppichfirma vor dem hiesigen Gericht abgeblitzt. Die IGOT hatte im Gutachten nachgewiesen, dass die angepriesene Knotenzahl und die Herkunft des Teppichs falsch waren. (Telefon der IGOT: 044 825 38 60.) Bei Schmuck sind Gutachten mit so klaren Aussagen schwieriger zu beschaffen.
- Eine zusätzliche Gefahr droht von Betrügerbanden, die sich Daten über die Einkäufe von ehemaligen Türkei-Urlaubern beschaffen und dann bei ihnen zu Hause aufkreuzen. Das deutsche Bundeskriminalamt warnte im Mai 2004, die Detailkenntnisse der Täter hätten die Opfer so stark beeindruckt, dass sie den Betrügern grössere Beträge liehen und sich als Pfand wertlose Ware andrehen liessen. Auch in der Schweiz sind schon Verkäufer aufgetaucht, die sich Kundendaten aus der Türkei beschafft hatten.