Billigflüge ins Teppichland
«Erlebnisferien» in der Türkei zum Tiefstpreis: Solche Angebote gibt es ab November viele. Doch wer Einkaufstouren nicht mag, muss draufzahlen.
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K-Tipp 18/2003
29.10.2003
Gery Schwager - gschwager@ktipp.ch
Vögele Reisen will es wissen: «Halb gratis! Türkei schon für Fr. 245.-», heisst es auf dem Titelblatt eines Prospekts, der kürzlich der Zeitschrift «Beobachter» beigeheftet war. Der Veranstalter aus dem Hause Tui Suisse geht da mit Angeboten auf Kundenfang, wie sie die kleineren Veranstalter Direkt Reisen und Sultan Reisen heuer schon zum zweiten bzw. dritten Mal als Köder auswerfen.
Wer sich zum Wintertrip in die Südtürkei verführen lässt, muss allerdings einiges in ...
Vögele Reisen will es wissen: «Halb gratis! Türkei schon für Fr. 245.-», heisst es auf dem Titelblatt eines Prospekts, der kürzlich der Zeitschrift «Beobachter» beigeheftet war. Der Veranstalter aus dem Hause Tui Suisse geht da mit Angeboten auf Kundenfang, wie sie die kleineren Veranstalter Direkt Reisen und Sultan Reisen heuer schon zum zweiten bzw. dritten Mal als Köder auswerfen.
Wer sich zum Wintertrip in die Südtürkei verführen lässt, muss allerdings einiges in Kauf nehmen: Zu den einwöchigen «Kultur- und Erlebnisreisen», als die sie teils angepriesen werden, gehören meist auch diverse Besuche in Souvenirläden und ein zweitägiger Ausflug zu den Kalk-Sinterterrassen von Pamukkale - inklusive Halt in einer Teppichknüpferei.
Wer den Ausflug nicht mitmacht, der zahlt
Natürlich kann man diese Fahrt auslassen. Aber nicht gratis: Der Verzicht auf diesen Abstecher kostet je nach Veranstalter 50 bis 79 Franken. Deren Begründung: Die Teilannullierung verursache Kosten; zudem sei die Hotelübernachtung an der Küste teurer als in Pamukkale.
Allerdings hat eine Stichprobe des K-Tipp bei drei Thermalhotels in Pamukkale und vier von den Schweizer Veranstaltern angebotenen Erstklasshotels an der Küste ergeben: Zumindest die online ausgeschriebenen Preise dieser Häuser unterscheiden sich nicht wesentlich. Da erstaunt es nicht, wenn Reisende, die für ihren Verzicht auf den Pamukkale-Ausflug zur Kasse gebeten werden, dies als «Strafe» für verweigerten Teppichkauf interpretieren.
Unbestritten ist: Das lokale Gewerbe hat keine Freude an Touristen, die seine Läden verschmähen. Es finanziert die - bereits durch tiefe Hotel- und Flugtarife verbilligten - Winter-Ferienwochen in der Südtürkei nämlich mit. «Jeder Tourist wird als potenzieller Kunde angesehen», räumt Kadir Ugur, Geschäftsführer von Sultan Reisen in Zürich, freimütig ein. Konkret werden die Agenturen, welche die Schweizer Veranstalter vor Ort vertreten, dafür bezahlt, dass sie Reiseteilnehmer in Teppich-, Textil-, Lederwaren- und Schmuckgeschäfte führen.
Touristen werden oft übers Ohr gehauen
Wie viel das Gewerbe springen lässt, wollen oder können die Schweizer Veranstalter nicht sagen. Klar ist aber: «Die Rendite der türkischen Läden ist gesichert durch die grosse Menge an Kunden, die ihnen gebracht werden», sagt Ernst Mühlemann, Leiter von Vögele Reisen.
Gleichzeitig fallen für die lokalen Reiseleiter oft auch Umsatzprovisionen ab. Besonders hoch sind diese laut Direkt-Reisen-Geschäftsführer Urs Tanner bei Ladenbesuchen im Rahmen freiwilliger Ausflüge, wo Reiseleiter schon mal 30 bis 40 Prozent des erzielten Umsatzes erhielten. Entsprechend eifrig dürften Reiseleiter sich bemühen, Touristen zu Einkäufen zu motivieren. Doch die Veranstalter wiegeln ab. Ein Kaufzwang bestehe nirgends, beteuern sie alle. Und Urs Tanner ergänzt, man rate schon in den Reiseunterlagen all jenen, die allenfalls Teppiche, Schmuck oder Lederwaren kaufen wollten, «sich vorgängig in der Schweiz über Verarbeitungsmerkmale und Richtpreise zu orientieren».
Allein schon dieser Hinweis zeigt, dass Shoppen in der Türkei für Laien in Sachen Schmuck und Teppiche riskant sein kann. Schweizer Experten stellen oft minderwertige Qualität und massiv übersetzte Preise fest, wie auf der Homepage der Schweizerischen Interessengemeinschaft sauberer Orientteppichhandel (www.igot.ch) nachzulesen ist. «Die mangelnden Produktekenntnisse und das Vertrauen der Touristen werden von professionellen Teppichhändlern oft schamlos ausgenützt.»
Unter dem Strich droht auf Südtürkei-Reisen also recht grosse Frust-Gefahr. Reise-Ombudsman Nicolas Oetterli stellt jedoch klar, dass Ausschreibungen «ohne deutlichen Hinweis, dass es sich um Shopping-Touren handelt», unzulässig seien. Ebenso wenig sei ein Kunde verpflichtet, für die Nichtteilnahme an einem Ausflug zu bezahlen, «wenn er von solch komischen Praktiken bei Vertragsabschluss keine Kenntnis hatte».