Bio Suisse ist heute komplett vom Geld gesteuert und hat seine Grundwerte verloren»: So kritisch äusserte sich Bio-Bauer Bernhard Hänni im letzten K-Tipp über die Branchenorganisation (K-Tipp 9/2023). Gilt das auch für den Umweltschutz – ein Kernanliegen der Bio-Bauern? Mitte April forderte Bio Suisse vom Bauernverband Unterstützung im Kampf gegen mehr Naturschutzflächen. Eine überraschende Kehrtwende, wie auch die «Bauernzeitung» schrieb.
Der Hintergrund: Gemäss Plänen des Bundes sollen die Bauern künftig einen kleinen Teil ihres Ackerlands (3,5 Prozent) zu sogenannter Biodiversitätsförderfläche machen. Also zu Fläche, auf der die Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten gefördert wird. Darauf sollen nicht mehr Getreide oder Mais angebaut, sondern ökologisch wertvolle Brachen mit Wildkräutern und Blumen angelegt werden und Lebensräume für Schmetterlinge, Lerchen, Hasen und andere Tierarten entstehen.
Laut Bundesamt für Landwirtschaft gibt es im Ackergebiet diesbezüglich ein Defizit. Es fehle an Räumen, die den «seltenen Arten Nahrung und Nistmöglichkeiten bieten». Eine neue Studie mit Daten aus 28 europäischen Ländern kommt zum Schluss, dass die Landwirtschaft der Hauptgrund für das Vogelsterben ist. Der Bestand an Vögeln in Landwirtschaftsgebieten sank zwischen 1980 und 2016 um die Hälfte. In der Schweiz ist rund jede dritte Pflanzen- und Tierart vom Aussterben bedroht.
Der Bund wollte diese Biodiversitätsflächen bereits 2023 einführen, verschob den Zeitpunkt aber um ein Jahr. Der Bauernverband bekämpfte das Vorhaben grundsätzlich, doch er scheiterte im Parlament. Auf Druck und Initiative der Bio-Bauern fordert der Verband nun in der aktuellen Vernehmlassung vom Bundesrat, die Massnahme noch einmal um ein Jahr auf 2025 zu verschieben.
Bio-Bauern fordern Sonderbehandlung
Bio Suisse schreibt dem K-Tipp, es brauche mehr Zeit, um die Umsetzung der Biodiversitätsflächen biotauglich zu gestalten. Diverse Fragen seien noch nicht geklärt. Und: «Wer wie die Bio-Bauern schon viel für Biodiversität macht, soll belohnt werden.» Zudem müsse verhindert werden, dass wertvolle Bio-Ackerfläche verloren gehe.
Nur: Die Bauern erleiden durch die neuen Ökoflächen kaum finanzielle Einbussen. Laut Bundesamt für Landwirtschaft sind die dafür entrichteten Direktzahlungen vergleichbar mit den Erträgen der Ackerkulturen.
Eva Wyss vom WWF findet es «unverständlich», dass Bio Suisse die Einführung der Naturschutzflächen verzögern will. Die Bio-Organisation habe sich in der parlamentarischen Beratung immer für die Einführung engagiert, sagt sie dem K-Tipp. «Die Biodiversität steht besonders im Ackergebiet unter Druck.»
Auf der Hälfte der Fläche für Biodiversität kann laut dem Bundesamt für Landwirtschaft weiterhin Getreide «in weiter Reihe» gepflanzt werden. Und: Es sei mindestens ein Anteil von 10 Prozent solcher Naturschutzflächen nötig, um die Artenvielfalt im Ackergebiet zu erhalten.