Coop machte 2022 gemäss Chef Philipp Wyss allein mit Bio-Produkten einen Umsatz von 6,2 Milliarden Franken.
Während sich die Händler über die hohen Bio-Gewinne freuen, haben Konsumenten allen Grund, sich zu ärgern. Denn die Preise für Bio-Produkte sind unverhältnismässig hoch. Das zeigen Informationen zu den Einkaufspreisen der Grosshändler. Die Quellen, Bauern und Produzenten, die dem K-Tipp Einblick in ihre Abrechnungen gaben, wollen anonym bleiben. Sie befürchten, dass ihre Produkte sonst aus dem Sortiment fliegen.
Käser Viktor Lang (Name geändert) staunt, wie viel sein Produkt in der Migros kostet. Er verkauft dem Händler seinen Bio-Käse für rund 14 Franken pro Kilo. Der Migros-Kunde bezahlt an der Ladentheke das Doppelte (siehe Tabelle im PDF). «Bauern und Käser zusammen bekommen nur die Hälfte vom Endpreis. Ist das gerecht?», fragt Lang.
Bevor Langs Bio-Käse in der Migros steht, wird er transportiert, portioniert, verpackt und etikettiert. Laut Experten kostet das 4 bis 5 Franken pro Kilo. Für den Grossverteiler bleiben immer noch 9 bis 10 Franken übrig – für jedes verkaufte Kilo Bio-Käse.
Zum Vergleich: Abrechnungen zeigen, dass sich bei der Migros ein konventioneller Käse zwischen Käser und Ladenregal nicht um 14 Franken, sondern nur um 10 Franken verteuert. Ein Käser erhält rund 13 Franken pro Kilo, im Laden kostet der Käse 23 Franken. Das gleiche Bild bei Coop: Konventionellen Alpkäse aus der Ostschweiz verkauft ein Käser für Fr. 16.70 pro Kilo. Im Laden kostet er gut 10 Franken mehr.
Der Bio-Bauer Urs Arnet (Name geändert) aus dem Bernbiet bekommt für seine Bohnen 82 Rappen pro Kilo. Im Coop kostete das Kilo tiefgefrorene Bio-Bohnen Mitte Februar Fr. 6.60, in der Migros Fr. 6.20. Das ist fast das Achtfache des Produzentenpreises. Arnet findet die in den Läden verlangten Preise «immer wieder erstaunlich».
Sonderaufschlag bei Demeter-Produkten
Der Zürcher Bio-Bauer Herbert Lehmann (Name geändert) erhält für seine Demeter-Kartoffeln 99 Rappen pro Kilo – etwa 10 Rappen mehr als für Bio-Knospe-Kartoffeln. Im Laden kostete das Kilo Kartoffeln mit dem strengsten Bio-Label Demeter Mitte Februar bei Migros Fr. 3.50, bei Coop Fr. 3.70. Kartoffeln mit Bio-Knospe kosten bei Migros und bei Coop Fr. 2.80.
Hohe Aufschläge auch beim Naturafarm-Label von Coop. Schweinebauern erhalten trotz vielen Auflagen nur 30 Rappen mehr pro Kilo Schlachtgewicht als ihre konventionell produzierenden Kollegen: Fr. 3.30 statt 3 Franken. Im Laden will Coop für das Naturafarm-Schweinsnierstück 38 Franken, für jenes von Prix Garantie Fr. 22.50.
Bio Suisse gibt sich machtlos
Bio Suisse, die Organisation der Bio-Bauern, stört sich offensichtlich nicht an den hohen Ladenpreisen. Auf Anfrage des K-Tipp heisst es dort nur: «Wir kennen die Margen der Detailhändler nicht.» Auf deren Preispolitik habe man keinen Einfluss.
Coop und Migros wollen ihre Gewinnmargen auch dem K-Tipp nicht verraten.Preisüberwacher Stefan Meierhans mussten Coop und Migros dagegen Einblick in ihre Bücher gewähren. In einem im Januar publizierten Bericht schreibt er, es gebe Indizien, «dass Bio-Produkte stärker verteuert werden, weil sie eine extra hohe Marge zu tragen haben». Meierhans will nun die Wettbewerbskommission anrufen (siehe Interview). Sie soll klären, ob es nicht an Preiswettbewerb fehlt. Denn Coop und Migros machen rund vier Fünftel des Umsatzes im Schweizer Detailhandel – und operieren mit ähnlichen Preisen.
Die Migros kritisiert den Bericht von Meierhans als «unseriös». Dieser schaffe «keine Fakten», sondern stütze sich «auf Indizien». Sie habe in diversen Beispielen darlegen können, dass die Marge bei Labelprodukten nicht höher sei. Im Bericht sei das nicht erwähnt.
Auch das Parlament ist aktiv geworden: Der Ständerat verlangt vom Bundesrat, die Wettbewerbssituation im Lebensmittelmarkt zu analysieren – mit dem Ziel, die «Transparenz in der Preisbildung» zu erhöhen.
Übrigens: Die Preise für konventionell produzierte Lebensmittel sind laut Bundesamt für Landwirtschaft 2022 um 2,4 Prozent gestiegen. Bio-Produkte wurden 4,4 Prozent teurer.
«Werde Bio-Preise genau beobachten»
Der K-Tipp legte seine Erkenntnisse über die hohen Bio-Margen von Migros und Coop Preisüberwacher Stefan Meierhans vor. Dieser ist nicht überrascht.
Was unternehmen Sie gegen überhöhte Margen bei Bio-Produkten?
Im Januar habe ich dazu einen Bericht veröffentlicht, als Vorabklärung: Einen Preismissbrauch konnte ich nicht ausschliessen. Die aktuelle Situation der Konsumenten verlangt, dass ich bei den Lebensmitteln schaue, wo ich als Preisüberwacher tätig werden muss. Dies ist ein Gebot der Stunde. Ich werde jedenfalls meine Arbeit zu den Bio-Margen fortsetzen.
Migros und Coop behaupten, die Marge sei bei Bio-Produkten in Prozenten nicht höher als bei normalen. Was sagen Sie dazu?
Wir bezahlen im Laden nicht in Prozenten, sondern in Franken und Rappen. Und für das Budget der Konsumenten ist es eben relevant, ob sie zum Beispiel eine Marge von 20 Prozent bei einem 5-Franken- oder bei einem 10-Franken-Produkt bezahlen. Entweder beträgt die Marge dann nämlich einen Franken oder eben das Doppelte, nämlich zwei Franken. Eine reine Prozentbetrachtung der Marge ist meines Erachtens unvollständig.
Der K-Tipp hat von Bio-Bauern erfahren, wie viel sie für Kartoffeln, Käse oder Bohnen erhalten, und dies mit den Preisen der Bio-Produkte in Migros- und Coop-Filialen verglichen. Die Preisaufschläge sind enorm. Wie schätzen Sie die Resultate ein?
Das überrascht mich nicht. Es deckt sich in vielem mit dem Inhalt meiner Vorabklärung. Die Wettbewerbskommission und ich stehen in regelmässigem Austausch. Im Rahmen meiner Tätigkeit werde ich die Wettbewerbskommission je nach Verlauf auch offiziell konsultieren müssen.