Seit zehn Jahren flimmern Werbespots für Schweizer Zucker über die Bildschirme. Zuerst zeichnet ein unsichtbarer Finger etwas in den Zucker. Dann folgt der ungelenke Spruch: «Schweizer Zucker. Weil aus der Schweiz.»
Was der Werbespot unterschlägt: Nicht einmal der Zucker aus den Schweizer Zuckerfabriken stammt ausschliesslich von Schweizer Rüben. Ausgerechnet der Bio-Zucker wird fast zu 100 Prozent aus ausländischen Rüben gewonnen.
In konkreten Zahlen: 2016 verarbeitete die Zuckerfabrik in Frauenfeld gut 41 000 Tonnen Bio-Rüben. Nur 293 Tonnen stammten aus der Schweiz. Das sind gerade mal 0,7 Prozent. Der ganze Rest kam aus Deutschland – obwohl gerade Bio-Käufer viel Wert auf kurze Transportwege legen.
«Der Bio-Anbau ist sehr aufwendig», erklärt Guido Stäger, Chef der Zuckerfabriken in Aarberg BE und Frauenfeld. «Mit den Schweizer Löhnen ist der Anbau kaum rentabel. Und dies, obwohl der Bio-Zucker mehr als doppelt so teuer ist wie konventioneller Zucker.»
Auf den ersten Blick merkt niemand, dass der Bio-Zucker in den Regalen gar nicht von Schweizer Rüben stammt. Nur im Kleingedruckten steht beispielsweise auf dem Bio-Kristallzucker von Coop und Migros, woher die Rüben stammen.
Auch für den konventionellen Zucker importieren die Schweizer Zuckerfabriken ausländische Rüben. Im Jahr 2016 waren es fast 46 000 Tonnen. Oder anders gesagt: fast 1000 Eisenbahnwagen.
Allerdings macht der Importanteil beim kon-ventionellen Zucker nur 3,5 Prozent aus. Abnehmer sind ausschliesslich Industriekunden.
Der konventionelle Kristallzucker, den Coop und Migros verkaufen, ist mit einem Logo samt Schweizer Kreuz und dem Schriftzug «Zucker, Sucre, Zucchero» versehen. Guido Stäger versichert: «Wenn das Schweizer Kreuz auf der Packung ist, dann ist reiner Schweizer Zucker drin.»
Zuckerlobby will Importe verteuern
Doch eine gesetzliche Garantie gibt es nicht. Für Zucker gilt nämlich die Regel, dass mit dem Schweizer Kreuz geworben werden darf, wenn 80 Prozent der Rüben aus der Schweiz stammen und wenn der wesentliche Verarbeitungsschritt in der Schweiz ausgeführt worden ist. Das heisst: Auch Zucker, der aus bis zu 20 Prozent ausländischen Rüben gewonnen worden ist, darf mit einem Schweizer Kreuz versehen werden.
Übrigens: Zucker soll in der Schweiz nach dem Willen der Zuckerlobby auf keinen Fall billiger werden. Das Parlament diskutiert zurzeit darüber, ob die Schweiz Importzucker verteuern soll. Damit sollen die Bauern und Zuckerfabriken vor günstigen Importen geschützt werden. Der Entscheid ist noch nicht gefallen: Die Kommission des Nationalrats ist dafür, diejenige des Ständerats dagegen.