Der K-Tipp hat in Haushalten in der Deutsch- und der Westschweiz 20 Trinkwasser-Stichproben genommen. Gewählt wurden Regionen, in denen der K-Tipp bereits früher Pestizide nachgewiesen hatte, und Gegenden in der Nähe von Landwirtschaftszonen. Das Labor untersuchte das Wasser auf 45 verbreitete Pestizide und deren Abbauprodukte. Am schlechtesten schnitt das Trinkwasser aus der Zürcher Gemeinde Höri ZH ab: Die Experten fanden darin 16 verschiedene Pestizid-Rückstände.
16 der 20 Proben enthielten Abbauprodukte von Chlorothalonil. Dieses Pilzvernichtungsmittel wurde seit den Siebzigerjahren im Wein- und Getreideanbau eingesetzt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit geht davon aus, dass das Mittel Krebs auslösen kann.
Seit Anfang 2020 darf in der Schweiz Chlorothalonil nicht mehr verwendet werden. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit legte damals für Trinkwasser einen Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter für Abbauprodukte von Chlorothalonil fest.
Einige Wasserproben der K-Tipp-Stichprobe lagen über diesem Wert: die Proben aus Aarau, Rothenhausen TG, Kappelen BE, Neunkirch SH, Rickenbach SO, Trimbach SO, Höri ZH und Goumoens-la-Ville VD. Bei Kappelen wurde der Wert sogar um mehr als das 18-fache überschritten.
Rückstände bauen sich nur langsam ab
In zehn Trinkwasserproben fand das Labor Abbauprodukte des Pestizids Chloridazon. Zwischen 2008 und 2015 wurden davon nach Angaben des Bundesamts für Landwirtschaft jährlich fünf bis zehn Tonnen verspritzt. In der EU ist der Unkrautvernichter für den Rüeblianbau seit 2018 verboten. Er gilt als giftig für Wasserorganismen. In der Schweiz dürfen Mittel mit Chloridazon noch bis Ende Jahr eingesetzt werden.
Laut dem Bundesamt für Umwelt dürfte es Jahrzehnte dauern, bis das Verbot zu einer Verringerung der Konzentration im Grundwasser führt. Denn Grundwasser erneuere sich nur sehr langsam.
In acht Proben fand das Labor ein Abbauprodukt des Pestizids Nicosulfuron. Dieser Unkrautvernichter wird im Maisanbau eingesetzt. Im Kanton Jura ist der Einsatz von Nicosulfuron in der Nähe von einigen Flüssen seit Anfang Jahr verboten.
Der Grund: Nicosulfuron ist für Wasserorganismen hochgiftig. Für dieses Pestizid gilt in der Schweiz ein gesetzlicher Höchstwert von 0,0087 Mikrogramm pro Liter in Gewässern für die Trinkwassernutzung. Für sein Abbauprodukt Nicosulfuron USCN gibt es allerdings keinen Grenzwert. Das Trinkwasser aus den beiden solothurnischen Ortschaften Rickenbach und Trimbach enthielt mehr als 0,1 Mikrogramm pro Liter.
In diesen beiden Gemeinden sowie in Neunkirch SH fand das Labor auch die höchsten Rückstände von Dimethachlor CGA 369 873, einem Abbauprodukt des Unkrautvernichters Dimethachlor. In Höri wies das Labor im Trinkwasser auch Rückstände des Pestizids Atrazin nach. Das Mittel darf seit 2007 nicht mehr verkauft werden, weil es für Wasserlebewesen schädlich ist.
Risiko für die Wasserversorgung
Kurt Seiler ist Leiter der Lebensmittelkontrolle der Kantone AR, AI und SH. Er sagt: «Die Resultate überraschen mich nicht. Sie sind typisch für Trinkwasser, das aus landwirtschaftlich intensiv bewirtschafteten Regionen stammt.» Es sei wichtig, dass die vier Pestizide Dimethachlor, Nicosulfuron, Metazachlor und Terbuthylazin, deren Abbauprodukte der K-Tipp unter anderem fand, «im Bereich der Wasserversorgungen nicht mehr eingesetzt werden dürfen».
Die vom K-Tipp gemessenen Pestizidmengen sind für sich alleine keine akute Gefahr für die Gesundheit. Das Problem: Auch viele Lebensmittel enthalten Pestizide, wie die Tests von K-Tipp und «Saldo» immer wieder zeigen.
Die Fachleute gehen davon aus, dass sich diese Schadstoffe nicht nur summieren, sondern in der Kombination noch gegenseitig verstärken. Welche konkreten Folgen solche Pestizidcocktails für die menschliche Gesundheit haben, ist nicht erforscht.
Glyphosat auch in Naturpärken
Eine «Saldo»-Stichprobe zeigte: Pestizide finden sich auch dort, wo sie nicht eingesetzt werden. Sie verschmutzen zum Beispiel grossflächig geschützte Naturlandschaften. Denn die Stoffe werden von den Äckern durch den Wind weitergetragen.
«Saldo» hatte in zehn Naturschutzgebieten, Naturwaldreservaten, Wild- und Stadtparks Pflanzenproben genommen und auf Pestizide untersuchen lassen. In allen Proben wies das Labor Glyphosat und dessen Abbauprodukt Ampa nach («Saldo» 10/2021). Die internationale Agentur für Krebsforschung stufte Glyphosat aufgrund von Tierversuchen als möglicherweise krebserregend ein.
Unbestritten ist, dass das Pestizid und sein Abbauprodukt Ampa langfristig schädlich für Wasserorganismen sind. Die «Saldo»-Proben stammen vom Zürcher Uetliberg, vom «Heididorf» bei Maienfeld GR, aus dem Naturschutzgebiet Hudelmoos bei Amriswil TG, aus dem Naturwaldreservat Teufelskeller in Baden AG, dem Garten der Psychiatrischen Kliniken in Basel, dem Dählhölzliwald in Bern, dem Naturschutzgebiet Weihermatte in Reiden LU, dem Berggebiet Charmey im Kanton Freiburg, dem Wildpark Peter und Paul in St. Gallen sowie dem Parc de Sauvabelin in Lausanne.