Notausgänge muss es in der Schweiz in jedem grösseren Gebäude geben. Doch was nützen sie, wenn sie etwa im Fall eines Brandes versperrt sind? Das fragte sich ein aufmerksamer K-Tipp-Leser. Ihm fiel in einem Aargauer Einkaufszentrum auf, dass einer der Fluchtwege mit Waren blockiert war.
Eigentlich sind die Brandschutzrichtlinien in der Schweiz streng: Die Notausgänge müssen jederzeit frei von Hindernissen sein. Nur so ist gewährleistet, dass gleichzeitig viele Leute schnell ins Freie gelangen können. Auch die Anzahl der Notausgänge in einem Gebäude ist vorgeschrieben. Beispiel: Ein Raum, in dem maximal 100 Leute Platz finden, muss über mindestens zwei Notausgänge verfügen.
Diese Richtlinien werden längst nicht überall eingehalten. Der K-Tipp begutachtete 300 Notausgänge in den Städten Aarau, Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Zürich sowie in Buchs AG. Davon waren 70 ganz oder teilweise versperrt. Beispiele:
Basel: Im Stücki-Center wurden im Laden Toys ’r ’ us Verkaufsartikel direkt vor dem Notausgang aufgestellt.
Bern: Bei Zara im Wankdorfcenter erschwerte ein Absperrband das Durchkommen zum Notausgang.
Buchs AG: Im Wynecenter versperrte ein Einkaufswagen des Personals einen Notausgang.
Luzern: Im McPaperland im Löwencenter war der Notausgang hinter einem Vorhang versteckt. Davor standen Waren.
Zürich: Im Sihlcity wurden zwei Notausgänge zu Stolperfallen. Hinter einem Ausgang standen Velos, hinter dem anderen ein Restaurant-Servicewagen.
Zürich: Im Jelmoli blockierte ein Kleiderständer den Zugang zum Notausgang.
Der K-Tipp bat Brandschutzexperten der zuständigen Gebäudeversicherungen, die Situation aufgrund der vorliegenden Fotos einzuschätzen.
Die Fachleute der Kantone Basel und St. Gallen lehnten eine Begutachtung ab. In den Kantonen Aargau, Bern, Luzern und Zürich bestätigten die Brandschutzexperten die Mängel bei den Notausgängen weitgehend. Konkret: 50 Fluchtwege seien nicht ordnungsgemäss frei gehalten worden. In 20 Fällen wollten sich die Fachleute nicht festlegen, weil sie die Situation anhand der Fotos nicht eindeutig einschätzen konnten.
Thomas Oczipka von der Gebäudeversicherung Zürich kritisiert die Nachlässigkeit: «Notausgänge und Fluchtwege sind in einer Gefahrensituation das A und O. Nicht nur für die Selbstrettung, sondern auch für den Angriffsweg der Feuerwehr. Waren vor Notausgängen können zu gefährlichen Stolperfallen werden – mit verheerenden Folgen.»
Behörden kontrollieren alle zwei Jahre
Warum kontrollieren die Behörden nicht öfter? Laut Thomas Keller von der Gebäudeversicherung finden in Einkaufszentren Kontrollen im Zweijahresturnus statt. «Die Besuche werden vorher angekündigt.» Keller: «Die Brandschutzrichtlinien stützen sich sehr stark auf die Eigenkontrolle der Besitzer. Ob die staatliche Kontrolle verstärkt werden soll, muss man diskutieren.»
Der K-Tipp hat die Einkaufscenter mit den Beanstandungen konfrontiert. Das Stücki-Center in Basel hat die betroffenen Ladenmieter beauftragt, die Fluchtwege frei zu halten. Das Wynecenter in Buchs AG verspricht, die Hinweise des K-Tipp zu überprüfen.
Das Löwencenter in Luzern will den Boden beim Notausgang als Sperrzone markieren. Und das Sihlcity in Zürich hat die festgestellten Mängel nach eigenen Angaben umgehend behoben.