Böses Erwachen nach Spitalaufenthalt
«Alle Kosten sind gedeckt», denken Patienten mit Halbprivat- oder Privatversicherung, wenn sie ins Spital gehen. Doch die volle Deckung gewähren Krankenkassen nicht in jedem Fall.
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K-Tipp 03/2013
13.02.2013
Ernst Meierhofer
Damit hatte Mario Campanovo (Name geändert) nicht gerechnet. Nach einem Unfall im Judo-Training liess er sich auf der halbprivaten Abteilung im Salem-Spital in Bern von einem Belegarzt operieren. Weil er bei der Krankenkasse Innova halbprivatversichert war, ging er davon aus, dass er dafür nichts zahlen müsse. Doch von der Schlussrechnung von 8792 Franken musste Camponovo 1067 Franken übernehmen. «Das war ein böses Erwachen», erinnert er sich. Niemand...
Damit hatte Mario Campanovo (Name geändert) nicht gerechnet. Nach einem Unfall im Judo-Training liess er sich auf der halbprivaten Abteilung im Salem-Spital in Bern von einem Belegarzt operieren. Weil er bei der Krankenkasse Innova halbprivatversichert war, ging er davon aus, dass er dafür nichts zahlen müsse. Doch von der Schlussrechnung von 8792 Franken musste Camponovo 1067 Franken übernehmen. «Das war ein böses Erwachen», erinnert er sich. Niemand hatte ihm mitgeteilt, dass er auf einem Teil der Kosten sitzenbleiben würde.
«Abzocker gibts auch bei den Ärzten»
Camponovo ist kein Einzelfall. So erhielten einige Kunden der Helsana, die sich für einen Spitalaufenthalt angemeldet hatten, ein Formular mit dem Titel «Honorarvereinbarung zwischen Patient und Arzt». Das Formular müssen sie vorgängig mit dem operierenden Arzt besprechen. Und dieser muss vor der Operation darauf schriftlich bestätigen, dass er sich an die «von Helsana anerkannten Tarife» hält. Verlangt er mehr, muss der Patient den Aufschlag selber zahlen.
Und es gibt durchaus Mediziner, die mehr verlangen. «Auch bei den Ärzten gibt es Abzocker, nicht nur bei den Banken», sagt Margrit Kessler von SPO Patientenschutz.
Eine unangenehme Erfahrung machte auch ein Privatpatient aus Winterthur ZH. Zuerst staunte er, dass er nach einer Fussoperation in der Klinik Hirslanden in Zürich eine Rechnung der operierenden Ärzte erhielt. Üblicherweise gehen die Rechnungen für sämtliche Kosten direkt an die Krankenkasse. Als der Patient die Rechnung beglichen hatte und die Rückerstattung bei seiner Krankenkasse, der SLKK, verlangte, weigerte sich diese zunächst, 1000 Franken an das ärztliche Honorar zu zahlen. Sie lenkte erst ein, nachdem der Mann seine Rechtsschutzversicherung eingeschaltet hatte.
Das Problem sind die Belegärzte
Die Fälle zeigen: Wer meint, eine Halbprivat- oder Privatspitalversicherung sei immer quasi eine Vollkaskodeckung für die Spitalkosten und die Honorare der Ärzte, ist auf dem Holzweg.
Das Problem liegt bei den Privatkliniken und ihrem Belegarztsystem. Sie unterscheiden sich wesentlich von den öffentlichen Spitälern:
- Im öffentlichen Spital arbeiten in der Regel angestellte Ärzte. Die Tarife werden zwischen Krankenkassen und Spitalleitung ausgehandelt. Auf den Rechnungen für Spitalaufenthalte sind die beiden Posten Klinikaufenthalt (Unterkunft und Pflege) und das Arzthonorar gemeinsam aufgeführt. In der Regel gehen solche Rechnungen direkt an die Krankenkasse. Diese bezahlt sie und stellt dem Patienten dann seine Kostenbeteiligung in Rechnung. Für die Patienten entstehen hier im Prinzip keine Probleme.
- In Privatkliniken hingegen operieren meist sogenannte Belegärzte. Das sind Inhaber einer Arztpraxis, die für Operationen nur die Infrastruktur des Privatspitals in Anspruch nehmen. Diese Spitäler haben mit den Krankenkassen nur Tarifverträge über Pensions- und Behandlungskosten. In vielen dieser Verträge sind dazu im Anhang auch die Arzthonorare geregelt. Die eigentliche Spitalrechnung geht auch hier an die Krankenkasse, der Belegarzt hingegen schickt seine Honorarnote meistens direkt dem Patienten bzw. der Patientin.
Es gibt jedoch Ärzte, die mit den Krankenkassen keine Tarifverträge abgeschlossen haben. Das ist zum Beispiel bei den Ärzten an der Klinik Hirslanden in Zürich der Fall. Bei der Hirslanden-Gruppe heisst es dazu: «An den meisten der zehn Klinikstandorte haben die Ärzte Verträge mit den Krankenkassen abgeschlossen. Wenn keine Verträge bestehen, wie zum Beispiel bei den Belegärzten der Klinik Hirslanden in Zürich, hält sich ein Grossteil der Ärzte bei der Abrechnung an die üblichen Honorare. Es kann im Einzelfall zu tariflichen Abweichungen kommen.»
Kassen zahlen nur anerkannte Tarife
Und genau diese «tariflichen Abweichungen» können für den Patienten ins Geld gehen. Denn die Krankenkassen zahlen nur die erwähnten «üblichen Honorare». Diese orientieren sich an älteren ausgehandelten Tarifen oder an den Tarifen im öffentlichen Spital. Die Krankenkassen stützen sich dabei auf ihre Versicherungsbedingungen: Viele haben dort einen Passus, wonach sie den Versicherten nur «die anerkannten Tarife» vergüten. Verlangt der Arzt mehr, geht das in solchen Fälle zulasten des Patienten.
Das Wichtigste ist deshalb: Verlangen Sie vor einem Spitaleintritt immer eine schriftliche Kostengutsprache von der Krankenkasse (siehe Kasten).
So zahlen Sie nicht drauf
Halbprivat- oder privatversichert: Das sind die wichtigen Punkte bei einer Spitalbehandlung:
- Gehen Sie in ein Spital, das auf der kantonalen Spitalliste figuriert. Die Krankenkassen führen Listen mit den übrigen Spitälern, bei denen sie aufgrund von Verträgen entweder zahlen oder nicht.
- Holen Sie vor einem Eingriff eine Kostengutsprache bei der Krankenkasse ein. Geben Sie dabei das Spital, den Arzt und den geplanten Eingriff an. Sie können auch das Spital bitten, die Kostengutsprache für Sie einzuholen. Dann müssen Sie sich die Gutsprache unbedingt zeigen lassen. Achten Sie darauf, dass sie die Aufenthalts-, Pflege- und Behandlungskosten wie auch das Arzthonorar umfasst.
- Belegärzte schicken ihre Rechnung meist direkt dem Patienten. Leiten Sie diese an Ihre Krankenkasse weiter und warten Sie, bis Sie von ihr die Rückerstattung erhalten haben. Will die Kasse nicht die ganze Rechnung übernehmen, bitten Sie sie, mit dem Belegarzt zu verhandeln. Gemäss einer Umfrage des K-Tipp machen das die Kassen im Sinne ihrer Versicherten.
- Weiss der Arzt von vorneherein, dass er mehr verlangt, als die Kassen zahlen, muss er Sie darüber aufklären. Tut er das nicht, hat der Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt, und Sie müssen ihm nur das zahlen, was Sie von der Krankenkasse vergütet erhalten.
- Falls Sie mit einem Arzt Ihres Vertrauens ein höheres Honorar vereinbaren, ist die Krankenkasse nicht an diese Abmachung gebunden.