Brandunfall: Gezeichnet fürs Leben
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saldo 2/2000
02.02.2000
Dank intensiver Behandlung überleben die meisten Kinder einen Brandunfall. Das Problem kommt erst später, wenn sie grösser werden und mit entstellenden Narben leben müssen.
Bojan P., viereinhalbjährig, lebhaft und unbekümmert, ein ganz normaler Junge. Letzten Sommer kletterte er auf einen Güterwagen im nahe gelegenen Bahnhof, winkte übermütig seinen Schwestern zu - und da passierte es: Bojan touchierte eine Hochspannungsleitung und geriet in einen elektrischen Lichtbogen....
Dank intensiver Behandlung überleben die meisten Kinder einen Brandunfall. Das Problem kommt erst später, wenn sie grösser werden und mit entstellenden Narben leben müssen.
Bojan P., viereinhalbjährig, lebhaft und unbekümmert, ein ganz normaler Junge. Letzten Sommer kletterte er auf einen Güterwagen im nahe gelegenen Bahnhof, winkte übermütig seinen Schwestern zu - und da passierte es: Bojan touchierte eine Hochspannungsleitung und geriet in einen elektrischen Lichtbogen. Er brannte sofort am ganzen Körper. "Es war, als sei mein Bruder explodiert", erinnert sich seine Schwester.
Schwere Verbrennungen sind für den Patienten lebensgefährlich
Mit zweit- und drittgradigen Verbrennungen an Gesicht, Rumpf, beiden Armen und Beinen wurde Bojan notfallmässig ins Kinderspital Zürich eingeliefert. 70 Prozent seiner Körperoberfläche waren betroffen, ein lebensgefährlicher Zustand. Die verbrannte Haut schützte den Körper nicht mehr. Die Folge: Flüssigkeitsverlust und Infektionsanfälligkeit.
Bojan machte - wie jeder Verbrennungspatient - unvorstellbar mühsame und schmerzvolle Monate durch. In mehreren langen Operationen trugen Kinderchirurg Martin Meuli und sein Team verbrannte Hautfetzen ab und bedeckten die Wunden mit Kunsthaut und Eigenhaut.
Für die Eigenhauttransplantation werden hauchdünne Schichten gesunder Haut entnommen und dann zu Netztransplantaten weiterverarbeitet. Das Ziel: Möglichst grosse Flächen sollen gedeckt werden. Das Hautnetz wächst dann auf der Wunde zusammen. "Jetzt hat der Junge gute Überlebenschancen", beurteilte Martin Meuli den Zustand des kleinen Patienten nach drei Operationen. Äusserst schmerzhaft sind die täglichen Verbandwechsel, der Patient erträgt sie
anfangs meist nur mit Schmerzmitteln. Auch für das Pflegepersonal ist diese Prozedur sehr belastend.
Gesichtsmaske und Druckanzug für eine flache Vernarbung
Nach zwei Monaten und etlichen Operationen war Bojan so weit, dass er sich wieder bewegen konnte. Das Leiden war aber damit noch lange nicht ausgestanden. Er muss jetzt einen Druckanzug tragen, der die bei Kindern besonders gefürchtete überschiessende Vernarbung vermindert. Da auch sein Gesicht stark verbrannt war, muss er zudem eine Druckmaske überziehen.
Doch damit nicht genug: Der Knabe schläft in einer speziell für ihn angefertigten Liegeschale. Beim Liegen sollen die Gelenke unter der vernarbten Haut gestreckt sein. Sonst besteht die Gefahr, dass die Narben die Gelenke in eine falsche Stellung zwingen und Bojan so seine Beweglichkeit einbüsst.
Weitere Operationen zur Anpassung der Haut an das Körperwachstum
Heute, acht Monate nach dem schweren Unfall, ist das Schlimmste überstanden. Bojan kann die Wochenenden daheim verbringen. Unter der Woche ist er noch in der Rehabilitationsklinik
Affoltern, wo Physio- und Ergotherapeuten seine Be-wegungsfähigkeit schulen und er zudem lernt, mit Druckanzug und Maske unter anderen Kindern zu leben. Nächstens wird seine Familie die Pflegeaufgaben übernehmen, was auch für sie eine grosse psychische Belastung bedeutet. Bojan wird sich sehrwahrscheinlich noch mehreren Korrektur-Operationen unterziehen müssen, da seine Haut immer wieder dem Körperwachstum angepasst werden muss. Wie er später in der Gesellschaft zurechtkommt mit der vernarbten Gesichtshaut, ist ein weiteres Problem. Heute beschäftigt es Bojan noch nicht.
Hildegard Bösch-Billing