Eine K-Tipp-Leserin warf eines Abends um 20.30 Uhr in der Stadt Bern eine leere Bierflasche in einen Altglas-Container. Danach wurde sie von einem Mitarbeiter der Broncos Security AG angehalten und aufgefordert, ihre Personalien anzugeben. Ein paar Tage später erhielt sie eine Busse von 60 Franken «wegen Entsorgung zu Unzeit». Gleich erging es einem weiteren K-Tipp-Leser, der am Pfingstmontag bei der Deponie zwei Milch-PET-Flaschen entsorgte. Ab 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen darf man dort keine Flaschen einwerfen.
«Versteckis» bei Entsorgungsstellen
Die Broncos Security AG arbeitet im Auftrag der Stadt Bern. Das Unternehmen wurde von einem Mitglied der gleichnamigen Motorradgang gegründet. Auftrag: an Wochenenden, Feiertagen und nach 20 Uhr die Entsorgungsstellen überwachen. Die Mitarbeiter verstecken sich dazu hinter parkierten Autos, Bäumen oder einer Mauer. Hier warten sie auf Abfallsünder, um sie in flagranti zu ertappen. Dann erstatten sie Anzeige bei der Polizei, die ein Ordnungsbussenverfahren einleitet.
Der Motorradclub Broncos MC hat einen ausserordentlich schlechten Ruf: Schlägereien, unzimperliches Vorgehen gegen Konzertbesucher, gewaltsames Räumen von besetzten Häusern in Genf, eine Schiesserei mit Schrotgewehren – die Liste liesse sich fortsetzen. Pesche Widmer, Gründer und Geschäftsführer der Broncos Security AG, behauptet: «Diese Firma ist ein vom Broncos MC völlig unabhängiges Unternehmen.» Er bestätigt aber, dass mehrere Mitarbeiter gleichzeitig Mitglied des Motorradclubs Broncos MC sind.
Wieso setzen die Stadtbehörden ausgerechnet die Broncos für Über-wachungsaufgaben ein? Die Antwort ist banal: Die Broncos Security AG habe das günstigste Angebot eingereicht, sagt die Stadt dem K-Tipp.
Polizeidienste werden eingekauft
Der Hintergrund: Die Stadt Bern unterhält kein eigenes Polizeikorps mehr. Deshalb muss sie die entsprechenden Dienste bei der Kantonspolizei einkaufen. Das ist teuer. Darum engagiert die Stadt wenn möglich lieber günstigere private Firmen. Der Haken: Auf diese Weise kommen Privatpersonen ohne staatlich anerkannte Schulung zum Einsatz. Ob ein Mitarbeiter einer beauftragten Sicherheitsfirma vorbestraft ist, wird von der Stadt Bern nicht abgeklärt. Der Geschäftsführer der Broncos Security AG, Pesche Widmer, sagt allerdings, bei der Broncos Security AG sei zur Anstellung ein Strafregisterauszug ohne Einträge im Bereich Gewalt-, Waffen-, Betäubungsmittel- und Finanzdelikte erforderlich.
Angestellte von privaten Sicherheitsfirmen haben keine speziellen Befugnisse. Warum werden sie trotzdem eingesetzt? Walter Langenegger, Sprecher der Stadt Bern, sagt, damit werde Präsenz markiert: «Im Konfliktfall ist es Aufgabe der Sicherheitspersonen, deeskalierend zu wirken und zuhanden der Kantonspolizei Beobachtungen festzuhalten.» Mit anderen Worten: Die Sicherheitsfirmen fungieren quasi als bezahlte Zeugen.
Private Sicherheitsdienste: Das muss man sich nicht gefallen lassen
Private Sicherheitsdienste haben kaum mehr Kompetenzen als jeder Normalbürger. Niemand muss deshalb den Angestellten von privaten Sicherheitsdiensten seine Personalien angeben. Markus H. F. Mohler, ehemals Dozent für Sicherheits- und Polizeirecht an der Uni St. Gallen, bestätigt: «Ein Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes darf zwar nach dem Namen fragen, falls das kantonale Recht dies zulässt und er von der zuständigen Behörde ausdrücklich dazu befugt ist.» Die kontrollierende Person «muss aber aufgeben, wenn die Namensangabe verweigert wird». Die Sicherheitsdienste haben keine Polizeibefugnisse und dürfen Personen bei relativ harmlosen Übertretungen wie unkorrektem Abfallentsorgen auch nicht festhalten.
Die Kompetenzen der Sicherheitsfirmen sind von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. An einigen Orten dürfen sie Parkbussen verteilen. Was Broncos, Securitas & Co. bei Übertretungen jedoch generell nicht erlaubt ist:
- Ausweise verlangen
- Personen abtasten
- Personen festhalten
- Personen befragen
- Taschen durchsuchen
- Gegenstände beschlagnahmen