Man stelle sich vor: Eltern sitzen mit ihren Kindern in der Nachmittagsvorstellung eines Kinos und schauen sich einen Zeichentrickfilm an. Vor dem Hauptfilm flimmert plötzlich die Vorschau für einen gewalttätigen Actionstreifen über die Leinwand, in dem das Blut nur so spritzt. Das ist heute in der Schweiz undenkbar.
Ähnliches kommt aber bei harmlosen Spielen auf dem Smartphone vor, die teils schon für Kinder ab drei Jahren empfohlen werden. Häufig handelt es sich bei diesen Spielen um kostenlose Apps. Während des Spiels wird Werbung abgespielt – und zwar für gewalttätige Spiele oder Filme.
Drei Beispiele:
«Crossy Road» (ab 3 Jahren): Kleinkinder können in diesem Spiel mit Figuren eine Strasse überqueren. Weniger kinderfreundlich ist die eingespielte Werbung für «Legendary: Game of Heroes» (ab 12 Jahren) – ein Spiel voller angsteinflössender und schwer bewaffneter Kreaturen. Hauptdarsteller ist der furchterregende Superheld Hellboy. Er wirbt auch für den neuen Fantasy-Film «Hellboy – Call of Darkness», der seit April in den Kinos läuft. Er ist ab 16 Jahren freigegeben und erschrickt mit Monstern und brutalen Kampfszenen.
«Jump Smash!» (ab 9 Jahren): In dieser App schlagen Spieler mit einem Schläger Bälle gegen die Wand. Dazwischen taucht Werbung für das Schiessspiel «Sniper Arena» (Altersfreigabe 17+) auf. Aus der Perspektive eines Scharfschützen ist zu sehen, wie er Gegner mit Kopfschüssen niederstreckt. Bei jedem Treffer spritzt das Blut, die Szenen wirken sehr realistisch.
«Subway Surfers» (ab 9 Jahren): In diesem App-Spiel fliehen Graffiti-Sprayer vor einem Aufseher. Dazwischen gibt es Werbung für das Schiessspiel «Mr Gun» (ab 12 Jahren). Auch hier werden die comic-haften Gegner mit Kopfschüssen getötet. Und auch hier spritzt viel Blut.
Das Problem: Viele Eltern verlassen sich auf die Altersangaben im App-Store von Apple und im Play-Store von Google. Doch diese sind oft willkürlich angesetzt und schützen die Kinder offensichtlich nicht vor brutaler Werbung.
Apple und Google verweisen auf Anfrage des K-Tipp auf ihre Richtlinien. Diese sehen eigentlich vor, dass in den Apps nur Werbung gezeigt werden darf, die der Altersangabe des Spiels entspricht. Apple schreibt: «Grundsätzlich sollten solche nicht altersgerechten Werbeschaltungen nicht passieren.» Apps würden von Apple gesperrt, falls die Richtlinien nicht eingehalten würden. Doch Apple will nicht sagen, wie viele Spiele aus diesem Grund gesperrt wurden. Google behauptet, man habe Werbung aus 1,5 Millionen Apps entfernt.
Auch beim Bund ist man besorgt
Yvonne Haldimann ist Projektleiterin Jugend und Medien beim Bundesamt für Sozialversicherungen. Das Informationsportal des Amts soll die Medienkompetenz von Erwachsenen und Jugendlichen fördern. Haldimann verfolgt die Situation mit Besorgnis. «Solche verstörenden Bilder mit comicmässigen oder realistischen Gewaltszenen können Kinder in ihrer Entwicklung gefährden.»
Der Bundesrat hat kürzlich ein neues Gesetz entworfen, das staatliche Kontrollen der Altersfreigabe von Videospielen und der darin enthaltenen Werbung vorsieht. Damit sollen Minderjährige vor Gewalt- oder Sexualdarstellungen in Filmen und Videospielen geschützt werden. Doch das Gesetz wird nicht verhindern können, dass solche Apps oder Spiele aus dem Internet heruntergeladen und angeschaut werden können.
So schützen Sie sich vor unbeabsichtigten App-Käufen
Auf die Angaben von Apple und Google ist kein Verlass. Heikel sind auch In-App-Käufe.
Apple und Google versehen die in ihren App-Stores angebotenen Spiele mit einer Altersangabe. Bei Apple gibt es sie ab 4, 9,12 und 17 Jahren, Google sieht Stufen ab 3, 7, 12, 16 und 18 Jahren vor. Darauf ist aber kein Verlass: Die Altersangaben sind willkürlich. So macht Apple etwa beim Game «World War Rising» eine Altersangabe ab 12 Jahren, Google empfiehlt im Play Store das gleiche Spiel hingegen bereits ab 7 Jahren.
Achtung: Solche Spiele-Apps bergen auch die Gefahr von sogenannten In-App-Käufen, also kostenpflichtigen Käufen innerhalb einer App. Das macht man mit wenigen Klicks – und oft aus Versehen. So lassen sich In-App-Käufe verhindern:
iOS 12 (Apple): «Einstellungen» } «Bildschirmzeit» } «Bildschirmzeit aktivieren» } «Beschränkungen» (Geben Sie Ihren Code ein, wenn Sie dazu aufgefordert werden) } «Käufe im iTunes & App Store» } «In-App-Käufe» } «Nicht erlauben».
iOS 11 oder älter: «Einstellungen» } «Allgemein» } «Beschränkungen» } «In-App-Käufe» Schieberegler nach links.
Android: Öffnen Sie den Google Play Store, tippen Sie auf das sogenannte «Dreistrich-Menü» } «Einstellungen» } «Authentifizierung für Käufe erforderlich» } «Für alle Käufe bei Google Play auf diesem Gerät». Achtung: Der Käuferschutz muss auf jedem Gerät einzeln eingerichtet werden.
Eine neutrale und ausführliche Bewertung von Apps finden Sie unter Ktipp.ch/kinderapps
Auf den folgenden Seiten finden Eltern Ratschläge und Tipps zum Umgang mit elektronischen Spielen: