Dem K-Tipp liegen Auszüge aus einem noch unveröffentlichten Bericht vor. Er zeigt: Bei rund 30 Prozent der bedrohten Arten besteht dringender Handlungsbedarf – das sind rund 900 Tier-, Pflanzen-, Pilz- und Flechtenarten.
Wissenschafter stellten im Auftrag des Bundesamts für Umwelt eine aktualisierte Liste der «prioritären Arten» zusammen. Die bedrohliche Lage dieser Arten habe sich in den letzten fünf Jahren nicht verbessert. Die Kantone müssten Fördermassnahmen ergreifen.
Der Bericht liegt dem Bund seit Herbst 2023 vor, er verschwand aber in den Schubladen. Eine gut unterrichtete Person sagt zum K-Tipp: «Bereits Ende 2023 hiess es, der Bericht werde nicht vor der Abstimmung über die Biodiversitätsinitiative veröffentlicht.» Diese findet am 22. September statt und hat zum Ziel, die Biodiversität zu bewahren und zu fördern.
Der Umweltminister beschönigt die Lage
Gemäss dem Bericht ist die Artenvielfalt in der Schweiz gefährdet. Fördermassnahmen wären dringend nötig. Doch Bundesrat Albert Rösti zeichnete in den vergangenen Wochen ein ganz anderes Bild in der Öffentlichkeit. In einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» beschönigte er die Situation und wollte nicht «von einer Biodiversitätskrise sprechen».
Weshalb wurde der Bericht bisher nicht veröffentlicht? Röstis Departement UVEK schreibt auf Anfrage des K-Tipp: Der erwähnte Bericht sei noch nicht fertig. Man kläre noch Fragen zur Methodik ab und sei an der «textlichen Bereinigung».
Bundesamt schrieb zentrale Aussagen um
Sicher ist: Der Bericht wäre für die Meinungsbildung der Stimmbevölkerung wichtig gewesen. Doch nicht zum ersten Mal geht Röstis Departement mit wissenschaftlich erhobenen, unliebsamen Fakten hemdsärmelig um.
Bereits im letzten Jahr wurden im Bericht «Wirkung des Aktionsplans Biodiversität» zentrale Aussagen umgeschrieben, wie das Internetmagazin «Republik» nachwies. Röstis Departement verschleierte damals, dass die Landwirtschaft eine der Hauptschuldigen für den Verlust der Artenvielfalt ist. Aus dem Satz «In der Agrarlandschaft wirkt sich die landwirtschaftliche Praxis mit ihren hohen Stickstoff- und Pflanzenschutzmitteleinträgen negativ auf die Artenvielfalt aus» wurde: «In der Agrarlandschaft gestaltet sich die Entwicklung bei den Biodiversitätsförderflächen positiv.»
Über hundert Forscher verfassten daraufhin eine öffentliche Stellungnahme, um sich unverfälscht und direkt an die Bevölkerung zu wenden. Die zentrale Aussage: «Der Zustand und die Entwicklung der Biodiversität in der Schweiz machen uns Sorgen. Wir sehen grossen Bedarf für rasche und griffige Massnahmen, um den Schutz und die Förderung der Biodiversität in der Schweiz zu sichern und zu stärken.»