Pharma-Unternehmen lassen neue Medikamente patentieren. Folge: Niemand darf eine Arznei mit gleichen Wirkstoffen herstellen oder verkaufen. Nach 20 Jahren läuft dieser Patentschutz ab. Dann darf die Konkurrenz Nachahmerprodukte (Generika) auf den Markt bringen. Diese sind in der Regel deutlich günstiger als das Original.
Viele Pharmakonzerne wehren sich gegen diese Konkurrenz – mit einem Trick. Sie bringen kurz vor Patentablauf ihr eigenes Originalmedikament unter einem anderen Namen und in einer anderen Verpackung zu einem tieferen Preis auf den Markt. «Das ist eine lukrative Strategie, die es dem Hersteller des Originalmedikaments erlaubt, seinen Marktanteil möglichst lange zu verteidigen», sagt Arzneimittelexperte Andreas Schiesser vom Krankenversicherungsverband Curafutura. Er arbeitete 23 Jahre beim Pharmariesen Roche.
Bund verpflichtet die Kassen zu zahlen
Ein Beispiel ist der Cholesterinsenker Crestor von Astra Zeneca. Der Patentschutz lief im vergangenen Jahr ab. Die Firma brachte kurz zuvor das identische Medikament aus der gleichen Fabrik als Generikum auf den Markt. Und bekämpfte damit frühzeitig die billigere Generikakonkurrenz. Der Preisunterschied ist enorm: Das Original Crestor in der Packungsgrösse 100 Tabletten, 20 Milligramm, kostet Fr. 166.70. Für das gleiche Medikament aus derselben Fabrik, das als Crestastatin erhältlich ist, zahlt man noch Fr. 67.90.
Absurd: Sowohl das teure Original als auch das günstigere identische Medikament stehen gleichzeitig auf der Spezialtätenliste des Bundesamtes für Gesundheit. Darauf sind Arzneimittel erfasst, welche die Krankenkassen zahlen müssen. Gesundheitsökonom Guido Klaus von der Helsana kritisiert: «Es ist stossend, dass wir auch für das exakt gleiche Produkt einen deutlich höheren Preis bezahlen müssen.» Schuld sei das Bundesamt für Gesundheit, das die Kassen verpflichte, auch die höheren Preise zu vergüten. Müssten sie nur das günstigere Medikament bezahlen, hätten sie alleine bei Crestor in nur einem Jahr rund 17 Millionen Franken sparen können. Weitere Beispiele:
Für das Magenmittel Pantozol von Takeda (Originalmedikament) in der Packungsgrösse 100 Tabletten, 40 mg, müssen Krankenkassen Fr. 75.60 bezahlen. Das identische Medikament, das Takeda unter dem Namen Pantoprazol Nycomed verkauft, kostet nur Fr. 54.85.
100 Tabletten mit 20 mg des Cholesterinsenkers Sortis von Pfizer kosten Fr. 150.15. Das identische Atorvastatin von Pfizer ist zum Preis von Fr. 74.55 Franken erhältlich.
Für das Epilepsiemedikament Lyrica von Pfizer, in der Packungsgrösse 168 Tabletten, 300 mg, müssen die Kassen Fr. 324.45 zahlen. Für das identische Pregabalin von Pfizer nur Fr. 119.40. Sparpotenzial: 16 Millionen Franken in einem Jahr.
Ärgerlich: Wenn der Arzt das teurere Originalmedikament Crestor, Sortis oder Pantozol verschreibt, müssen die Patienten 20 Prozent Selbstbehalt zahlen. Wer das identische Medikament günstiger unter einem anderen Namen kauft, zahlt nur 10 Prozent. Nur für das Original Lyrica zahlt man ebenfalls nur 10 Prozent.
Das Bundesamt könnte veranlassen, dass die Kassen nur den günstigeren Preis bezahlen müssen. Das tut es aber nicht. Begründung: Dann würden Pharmafirmen ihr teures Medikament nicht vor Patentablauf gleichzeitig auch günstiger anbieten. Doch das sei im Interesse der Prämienzahler. So könnten Kosten gespart werden, noch bevor der Patentschutz ablaufe, sagt das Amt.