Den letzten Rüffel kassierte Urs Vögele am 3. Juli 2013. Das Bundesgericht bemängelte seine «Prozess- bzw. Mandatsführung» und brummte ihm zur Strafe Gerichtskosten von 1000 Franken auf. Im Normalfall müssen die Rechtsuchenden Gerichtskosten zahlen und nicht deren Vertreter.
Vögele betreibt in Kleindöttingen AG ein Beratungsbüro, das auf Steuerfragen für Landwirte spezialisiert ist. Er geht im Namen seiner Kundinnen und Kunden auch vor Bundesgericht, obwohl er kein Anwaltspatent hat. Im konkreten Fall hatte er vier Kunden vertreten, die eine Herabsetzung des steuerbaren Einkommens verlangten. Doch das höchste Gericht beschied ihm, seine Beschwerde enthalte «keine hinreichende Begründung». Zudem habe er eine schon mehrfach entschiedene Rechtsfrage nochmals den Gerichtsinstanzen vorgelegt.
Steuersachen
Diese Abfuhr ist kein Einzelfall. Eine Recherche auf der Urteils-Datenbank des Bundesgerichts ergibt: Von 1987 bis heute war Vögele 41-mal vor Bundesgericht. Gewonnen hat er nur gerade zweimal. Das kostete die Klienten der restlichen 39 Fälle zusammengezählt 83 300 Franken Gerichtskosten – für nichts. Die grosse Mehrheit von Vögeles Eingaben hat das Bundesgericht als untauglich im sogenannten einfachen Verfahren erledigt. Und zwar unter anderem mit den Bemerkungen: «Offensichtlich unbegründet», «ungenügend substanziiert».
Regelrecht abgekanzelt wurde Vögele vom Bundesgericht im November 2010. Er missachte mit seinen Beschwerden «die elementarsten Sorgfaltspflichten», seine zweifelhafte «Prozessführung» sei schon länger festzustellen. Auch hätten seine Klienten unnötige Kosten, weil ihm «immer wieder die gleichen, teilweise gravierenden Unzulänglichkeiten auf prozessualer Ebene unterlaufen». Urs Vögele sagt, er habe stets im Auftrag seiner Klienten gehandelt. Das Bundesgericht sei nicht unfehlbar. Es mache sich die Sache leicht, und es stelle auf frühere Fehlurteile ab.
Tipp: Geht es um Steuersachen, dürfen auch Nichtanwälte Klienten vor Bundesgericht vertreten. Es gibt durchaus Steuerberatungsfirmen, die das nötige Wissen und die Erfahrung haben. Voraussetzung ist aber immer, dass man gute Gründe vorbringen kann. Seriöse Firmen (und Anwälte) raten von einem Gang ans Bundesgericht ab, wenn sie keine Erfolgschancen sehen.
Die URR Financialtrust GmbH in Nods BE dürfte nicht zu dieser Kategorie gehören. Sie hat es auch einmal vor Bundesgericht versucht – ohne Erfolg. «Keine sachbezogene, hinreichende Begründung», lautete das Verdikt im Juli 2013. Die Klienten mussten 1000 Franken Gerichtskosten zahlen.
Sozialversicherungen
Auch bei Streitigkeiten um Sozialversicherungen dürfen Nichtanwälte vor Bundesgericht für ihre Klienten argumentieren – und das wird von rechtsunkundigen Beratern teils kräftig ausgenützt.
- Ein besonders krasses Beispiel dafür ist Milosav Milovanovic. Er betreibt in Bülach ZH eine «Beratungsstelle für Ausländer» (vorher war er in Zürich). Milovanovic vertrat in den letzten zehn Jahren über 100 Klienten vor Bundesgericht. Sehr oft ging es um Leistungen der Invalidenversicherung oder der Unfallversicherung. In den meisten Fällen hat er verloren, und seine Klienten mussten sehr oft die Gerichtskosten zahlen.
Das Bundesgericht hat Milovanovics untaugliche Eingaben regelmässig abgeschmettert mit der Kritik: «Keine hinreichende und sachbezogene Begründung», «offensichtlich unbegründet», «kein gültiges Rechtsmittel» oder: «Die Beschwerde genügt den inhaltlichen Mindestanforderungen nicht.»
Zudem hat ihm das Bundesgericht dreimal eine Ordnungsbusse von jeweils 500 Franken auferlegt – wegen mutwilliger Prozessführung auf Kosten seiner Klientschaft. Er habe ein «Minimum an Sorgfalt» vermissen lassen.
Auf dem Gebiet der Sozialversicherungen tummeln sich vor Bundesgericht noch andere Berater bzw. Beratungsstellen:
- Ein Adrian J. Bacchini aus Kloten ZH war gemäss Urteils-Datenbank fünfmal vor Bundesgericht – stets ohne Erfolg. Einmal musste sein Klient 2000 Franken Gerichtskosten zahlen. Das Bundesgericht schrieb, Bacchini habe die verfahrensrechtlichen Vorschriften «notorisch missachtet» und «rechtsmissbräuchlich prozessiert». Bacchini sagt, ihm gehe es nicht ums Geld, er helfe nur Verwandten und Bekannten, die sich keinen Anwalt leisten können.
- Der Rechtsberater und Treuhänder Reza Shahrdar aus Baden AG war zwölfmal vor Bundesgericht – immer vergebens und auf Kosten seiner Kunden, die jeweils 300 bis 1500 Franken Gerichtskosten zahlen mussten. Er werde im Einverständnis mit den Klienten weiterhin «jeden Fall von ungerechten Gesetzen und Gerichtspraxis» vor Bundesgericht ziehen, sagt Shahrdar.
Ausländerfragen
Haben Einwanderer ein Problem mit der Aufenthaltsbewilligung, dürfen sie ebenfalls von Nichtanwälten vor Bundesgericht vertreten werden. Unkundige Ausländerberater scheitern in den meisten Fällen.
Die Datenbank des Bundesgerichts listet unter anderen auf:
- Beratungsbüro Syle Arifi in Bottmingen BL
- Rechtsberatungs- und Übersetzungsbüro Tekol Fatma in Solothurn
- Oliver Egger-Valerio Valdez Camino al Destino, Sozialberatung und Migrationsfragen.
Heisst das umgekehrt: Wer mit einem Anwalt vor Bundesgericht geht, gewinnt garantiert? Nein! Auch bei Anwälten kommt es sehr darauf an, ob sie gute Argumente haben und seriös arbeiten (siehe Kasten).
Ordnungsbussen für Anwalt
Bernhard Zollinger vertritt sehr häufig Ausländer in Sachen Sozialversicherung und Aufenthaltsrecht. Von 2006 bis 2013 hat der Anwalt gemäss Datenbank des Bundesgerichts 171 Verfahren geführt und mehrheitlich verloren, was seinen Klienten insgesamt 46 000 Franken Gerichtskosten bescherte.
Das Bundesgericht musste Bernhard Zollinger wiederholt an die «inhaltlichen Mindestanforderungen an eine Beschwerde» erinnern. In zwei Fällen wurde Zollinger eine Ordnungsbusse von 500 Franken wegen mutwilliger Prozessführung auferlegt. Und einmal hat das Bundesgericht die Gerichtskosten von 500 Franken ihm auferlegt, weil er sie verursacht habe. Zollinger hat dazu nicht Stellung genommen.
In Zürich gibt es die Freiplatzaktion – eine Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende. An deren Tür hängt ein Blatt Papier, das vor Zollinger warnt.