In der Schweiz kann jeder jeden betreiben. Kein Betreibungsamt prüft, ob eine Forderung berechtigt ist. Ein Zahlungsbefehl sagt also nichts darüber aus, ob jemand wirklich einem anderen Geld schuldet. Des-
halb kann man Betreibungen einfach per Rechtsvorschlag stoppen – eine Unterschrift des Betriebenen auf dem Zahlungsbefehl reicht dazu.
Will der Auslöser des Zahlungsbefehls die Betreibung danach weiterziehen, muss er beim Gericht die Beseitigung des Rechtsvorschlags verlangen. Dafür hat der Gläubiger ein Jahr nach Zustellung des Zahlungsbefehls Zeit. Danach kann er die Betreibung nicht mehr fortsetzen. Trotzdem bleibt die Betreibung fünf Jahre lang im Betreibungsregister eingetragen und kann von jedem Interessierten eingesehen werden.
Löschungsgesuch nach drei Monaten
Immerhin: Seit einer Gesetzesänderung von 2019 können sich Betriebene einfacher gegen ungerechtfertigte Einträge wehren. Erhebt ein Betroffener gegen eine Betreibung Rechtsvorschlag, kann er drei Monate später vom Betreibungsamt verlangen, dass es die Betreibung nicht mehr bekannt gibt. Das ist nach Gesetz aber nur möglich, wenn der Gläubiger in der Zwischenzeit kein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingeleitet hat. Zwei Fragen lässt das Gesetz jedoch offen, nämlich
- ob das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger die Betreibung weiterzieht, aber vor Gericht unterliegt, und
- wie lange der Betriebene die Nichtbekanntgabe der Betreibung verlangen kann.
Beide Fragen hat das Bundesgericht jetzt dank der K-Tipp-Leserin Franziska Crivelli beantwortet – allerdings zum Nachteil der Schuldner. Crivelli wurde nach ihrem Umzug von Maur ZH nach Zumikon ZH im Juni 2018 von einer Umzugsfirma zu Unrecht betrieben. Die Zürcherin stoppte die Betreibung mit Rechtsvorschlag. Die Umzugsfirma leitete ein Rechtsöffnungsverfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags ein, unterlag aber. Danach unternahm die Firma nichts mehr.
Anfang 2019 verlangte Crivelli vom Betreibungsamt Küsnacht-Zollikon- Zumikon, die Betreibung Dritten nicht mehr bekannt zu geben.
Das Amt und später das Bundesgericht lehnten das Gesuch ab. Nur Betreibungen, bei denen der Gläubiger nach Zustellung des Zahlungsbefehls und Erhebung des Rechtsvorschlags untätig geblieben sei, sollen nicht bekannt gegeben werden. Es spiele keine Rolle, ob der Gläubiger vor Gericht gewinne oder verliere, urteilte das Bundesgericht Ende Juni 2020 (Urteil 147 III 41, K-Tipp 13/2020).
Lapidare Begründung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht sagte in seinem Urteil nichts dazu, was nach Ablauf eines Jahres gilt, wenn der Gläubiger die Betreibung nicht mehr fortsetzen kann. Franziska Crivelli verlangte vom Betreibungsamt erneut die Nichtbekanntgabe der Betreibung. Das Amt und später das Bundesgericht lehnten erneut ab. Lapidare Begründung der Richter: «Weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte der neuen Norm lassen den Schluss zu, dass der Schuldner nach Ablauf eines Jahres noch ein Gesuch um Nichtbekanntgabe stellen kann» (Urteil 5A_927/2020 vom 23.8.2021).
Jurist Artur Terekhov hat Crivelli vertreten. Er ist mit dem Entscheid des Bundesgerichts nicht einverstanden: «Weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte schliessen die Möglichkeit aus, ein Gesuch auf Löschung des Registereintrags auch nach einem Jahr noch zu stellen. Das Urteil des Bundesgerichts ist unverständlich.»
Der Entscheid wird auch von anderen Rechtsexperten kritisiert: «Es entbehrt jeglicher Logik, dass ein Gesuch nach einem Jahr nicht mehr möglich sein soll. Hier hat das Bundesgericht gepfuscht», sagt ein Jurist, der in das damalige Gesetzgebungsverfahren involviert war.
Ähnlich äussert sich der Aargauer GLP-Nationalrat Beat Flach, der damals in der Rechtskommission des Nationalrates sass: «Es war nie die Absicht, dass der Betriebene nur ein Jahr Zeit haben soll, ein Gesuch zu stellen. Ich verstehe nicht, wie das Bundesgericht auf diese Befristung kam.» Flach will den Entscheid des Bundesgerichts in der Rechtskommission thematisieren.
Registereintrag bleibt nach Bezahlung ersichtlich
Ende Juli entschied das Bundesgericht in einem anderen Fall, dass ein Gesuch um Nichtbekanntgabe einer Betreibung nicht mehr möglich ist, wenn der Betriebene die Forderung nach der Einleitung der Betreibung beglichen hat. Ein Mann aus Zürich hatte vergeblich verlangt, dass seine nach der Betreibung bezahlten Steuerschulden im Registerauszug nicht mehr erscheinen (K-Tipp 14/2021, Urteil 5A_701/2020 vom 23. Juli 2021).
Auch der Ständerat hat kein Gehör für Betriebene, die ihre Schulden bezahlt haben: Ende Mai lehnte er die Motion «Automatische Löschung einer getilgten betriebenen Forderung» von Michaël Buffat ab. Der Waadtländer SVP-Nationalrat hatte gefordert, dass eine betriebene und vom Schuldner bezahlte Forderung automatisch aus dem Betreibungsregister gelöscht wird.