Alle fünf Jahre legt das Bundesamt für Statistik die «Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung» vor. Das jüngste Werk stammt von Ende Mai dieses Jahres und enthält Prognosen bis zum Jahr 2050.
Die Bedeutung der Szenarien ist nicht zu unterschätzen. Für AHV, Pensionskassen und andere Versicherungen etwa spielt es eine grosse Rolle, ob und allenfalls wie stark die Zahl der Rentner steigt. Ob die neuesten Vorhersagen bis ins Jahr 2050 zutreffen, ist heute ungewiss. Es zeigt sich erst in 30 Jahren. Die Treffgenauigkeit der Prognosen aus dem Jahr 1990 fürs Jahr 2020 hingegen lässt sich inzwischen genau beurteilen. Damals legte das Bundesamt für Statistik sechs Szenarien vor. Der K-Tipp hat deren Voraussagen mit den tatsächlichen Zahlen verglichen. Das Resultat ist für die Statistiker wenig schmeichelhaft.
So prognostizierten sie fürs Jahr 2020, dass die ständige Wohnbevölkerung mindestens 6 579 000 und höchstens 7 701 000 Personen zählen werde. Sie lagen damit um rund 900 000 bis 2 000 000 Personen zu tief. Denn Anfang 2020 zählte die Schweiz rund 8 604 000 Einwohner.
Rentneranteil überschätzt
Die 1990er-Vorhersagen des Bundesamts für Statistik unterschätzten auch:
- das Bevölkerungswachstum (es betrug letztes Jahr 0,7 Prozent statt der maximal prognostizierten 0,2 Prozent),
- den Geburtenüberschuss (0,2 Prozent statt maximal 0,1 Prozent),
- den Ausländeranteil (25,3 Prozent statt maximal 20,4 Prozent) und
- die Differenz zwischen Ein- und Auswanderung (0,5 Prozent statt maximal 0,1 Prozent).
Den Anteil Rentner an der Gesamtbevölkerung hingegen überschätzte das Statistikamt. Er belief sich auf 18,7 Prozent statt auf die prognostizierten 19,1 bis 22,8 Prozent. Schon 1990 sagten die Szenarien des Bundes also eine schwierigere Situation für die Altersvorsorge im Jahr 2020 voraus als dies effektiv der Fall ist. Den Rentneranteil überschätzten auch die Szenarien des Bundes in den Jahren 2000, 2005 und 2010, die der K-Tipp ebenfalls auswertete. Immerhin: Die Treffgenauigkeit verbesserte sich, je kurzfristiger die Prognosen wurden.
Da stellt sich die Frage: Weshalb erstellt das Bundesamt für Statistik überhaupt Prognosen, die 25 und mehr Jahre in die Zukunft reichen? Was soll dieses Stochern im Nebel? Corinne di Loreto vom Bundesamt für Statistik sagt, man mache das «auf Wunsch» gewisser Bundesstellen. «Sie benötigen nicht unbedingt sehr präzise Ergebnisse, um für ihre Aufgaben nützliche Informationen zu erhalten.»
Daran sollte man sich erinnern, wenn Bundesrat und Parlament die Finanzperspektiven der Sozialversicherungen in düsteren Farben schildern und einschneidende Massnahmen auf dem Buckel von Erwerbstätigen und Rentnern durchsetzen wollen.