Autofahrer in Dänemark müssen seit diesem Jahr ab 75 zum Fahrtauglichkeitstest. Bisher lag die Grenze bei 70 Jahren. In den Niederlanden gilt dieselbe Regelung seit 2014. Nationalrat Maximilian Reimann (SVP) fordert nun, dass sich auch in der Schweiz Autofahrer erst ab 75 alle zwei Jahre vom Arzt begutachten lassen müssen. Er begründet das damit, dass ältere Fahrer aus Deutschland, Frankreich und Österreich gar keine Tests machen müssten. Seine Initiative kommt demnächst ins Parlament.
Die Fakten sprechen dafür, die obligatorischen Tests für ältere Fahrer ganz abzuschaffen. Denn die Kontrolle gilt den Falschen. Von Senioren am Steuer geht nämlich keine besondere Gefahr für andere aus (saldo 7/11). Das zeigen die Statistiken der Beratungsstelle für Unfallverhütung: Von 2011 bis 2014 starben auf Schweizer Strassen jedes Jahr durchschnittlich 30 Personen bei Autounfällen, die von über 70-jährigen Autofahrern verursacht wurden. Bei 12 Opfern handelte es sich um andere Verkehrsteilnehmer, bei den andern 18 Verkehrstoten um die älteren Fahrer selbst. Zum Vergleich: Bei Autounfällen, für die unter 25-jährige Fahrer verantwortlich waren, starben durchschnittlich 31 Menschen pro Jahr. Bei 18 von ihnen handelte es sich um andere Verkehrsteilnehmer. In 13 Fällen kamen die jungen Unfallverursacher selbst ums Leben. Fazit: Jüngere Fahrer sind eine grössere Gefahr für andere als ältere Lenker.
«Geschäftemacherei und Diskriminierung»
Unfallforscher erklären das damit, dass zwar die Leistungsfähigkeit Älterer am Steuer mit den Jahren abnimmt. Die meisten können das aber kompensieren, weil sie viel Fahrroutine haben und seltener schnell oder angetrunken fahren. Viele verzichten auf gefährliche Manöver und Nachtfahrten, oder sie sind nur auf ihnen bekannten Routen unterwegs.
Der österreichische Unfallforscher Ralf Risser sagt: «Das Alter sagt nichts über die Verkehrssicherheit des Individuums aus.» Für ihn sind die Reihenuntersuchungen älterer Fahrer «Geschäftemacherei und ein Akt der Diskriminierung einer Gruppe». In der Schweiz haben rund 400 000 unter 25-Jährige und 550 000 über 70-Jährige Auto-Führerausweise.
Die Gesundheitschecks der Älteren machen zudem die Strassen nicht sicherer. Der führende deutsche Unfallforscher Wolfgang Fastenmeier hat alle wichtigen internationalen Studien zu staatlich verordneten Fahreignungstests von Senioren ausgewertet: «Keine Studie zeigt ein positives Ergebnis.» Denn ältere Fahrer verursachen nur selten schwere Unfälle. Und nur einer von 20 000 Fahrern ist in der Schweiz pro Jahr überhaupt in einen Unfall verwickelt.
«Checks lassen keine Schlüsse zu»
Der Medizincheck für ältere Fahrer ist auch nicht geeignet dazu, potenzielle Unfallverursacher zu identifizieren. Hausärzte messen bei über 70-jährigen Lenkern bloss den Blutdruck, fragen nach Leiden, Alkohol- und Drogenkonsum, machen Sehtests und Mentalchecks. Laut Fastenmeier lässt sich «aus diesen Messwerten nicht auf die tatsächliche Fahreignung einer individuellen Person schliessen».
Die Checks älterer Fahrer richten sogar Schaden an: Denn man zieht laut Fastenmeier «für ein entdecktes schwarzes Schaf fälschlicherweise mindestens 20 weisse Schafe aus dem Verkehr». Zudem geben viele Senioren aus Angst vor der Prüfung frühzeitig den Führerausweis ab, obwohl sie noch sicher Auto fahren. Sie gehen dann mehr zu Fuss oder fahren mehr Velo. Dabei sind sie jedoch weniger gut geschützt als im Auto und werden bei einem Verkehrsunfall eher verletzt oder getötet. Denn ältere Körper sind viel verletzlicher als jüngere.
Tests in 40 Jahren noch nie ausgewertet
Das Bundesamt für Strassen hat seit der Einführung der Checks für Senioren vor über 40 Jahren nie wissenschaftlich untersuchen lassen, ob diese etwas nützen.
Für die Unfallforscher Risser und Fastenmeier sind die Zwangstests sinnlos – egal, ob ein Autofahrer schon mit 70 oder erst mit 75 antreten muss.
Die Heraufsetzung des Testalters auf 75 Jahre hätte zumindest einen Vorteil: Die Zahl der Älteren, die zu Unrecht den Fahrausweis verlieren, würde reduziert.