«Da wird viel Mist erzählt»
Sie schlafen unruhig und vermuten eine Wasserader im Haus? Kann sein - oder auch nicht. Denn: Drei von SPEZIAL beauftragte Pendler und Wünschelrutengänger untersuchten eine Wohnung auf Störungen - und jeder stellte etwas anderes fest.
Inhalt
Haus & Garten 1/2005
05.01.2005
Bernhard Matuschak
Die Diagnose von Franz Sutter (Name geändert) fällt deprimierend aus: Die gemütliche Wohnung im Zürcher Seefeld entpuppt sich als wahrer Hort schlechter Energie: «Eine mächtige Wasserader zieht sich durch die Räumlichkeiten, Schlaf- und Wohnräume sind durch Krebs- und Depressionszonen beeinträchtigt und im Flur wirken zwei unheilvolle Kraftzentren.» Auch die Bovis-Energie - eine mit wissenschaftlichen Methoden nicht messbare Einheit der Erdstrahlung - erpendelt Sutter. Und die liegt be...
Die Diagnose von Franz Sutter (Name geändert) fällt deprimierend aus: Die gemütliche Wohnung im Zürcher Seefeld entpuppt sich als wahrer Hort schlechter Energie: «Eine mächtige Wasserader zieht sich durch die Räumlichkeiten, Schlaf- und Wohnräume sind durch Krebs- und Depressionszonen beeinträchtigt und im Flur wirken zwei unheilvolle Kraftzentren.» Auch die Bovis-Energie - eine mit wissenschaftlichen Methoden nicht messbare Einheit der Erdstrahlung - erpendelt Sutter. Und die liegt bei 3000, das sei deutlich unter dem Idealwert von rund 7000.
Rosenquarz und Amethyst sollen Störungen aufheben
Doch Sutter glaubt zu wissen, wie dem schlechten Wohnklima beizukommen ist: Drei faustgrosse Rosenquarze und zwei Amethysten an verschiedenen Stellen der Wohnung - millimetergenau ausgerichtet - sollen alle negativen Einflüsse beseitigen.
Seit fast 30 Jahren ist der 82-Jährige als Pendler und Rutengänger (Radiästhet) im Einsatz. Rund 1400 Wohnungen und Häuser hat er nach eigenem Bekunden in diesem Zeitraum entstört, nur in drei Fällen musste er aufgeben.
Franz Sutter ist Mitglied im Verband für Radiästhesie und Geobiologie Schweiz. Im Internet (www.vrgs.ch) wirbt der Verein mit seinem 50-jährigen Bestehen. Wer dort Mitglied ist, arbeitet sicher seriös, könnte man meinen. SPEZIAL engagierte für einen Test neben Sutter zwei weitere Rutengänger aus dem Raum Zürich. Die gestellte Aufgabe: Eine Wohnung soll untersucht und, falls nötig, entstört werden.
Die Preise für die Wohnungsuntersuchung sind unterschiedlich. Sutter stellt 400 Franken plus allfälliges Entstörmaterial in Rechnung. Peter Elser verlangt 120 Franken Grundhonorar und Thomas Jäggi (beide Namen geändert) liegt mit einem Betrag um 250 Franken dazwischen.
«Am schlimmsten ist die mumifizierende Kreuzader»
Franz Sutter hat einige Tage vor seinem Besuch auf seinen Wunsch eine massstabgetreue Skizze der Wohnung mit Markierung der Nordseite erhalten. Anhand des Plans könne er feststellen, wo Störzonen verlaufen.
«Am schlimmsten ist die mumifizierende Kreuzader. Die Energie stammt noch aus dem "Urblitz" und wird durch Satelliten in der Erdumlaufbahn um das Zwei- bis Dreifache verstärkt», sagt Sutter. Am Tisch demonstriert er seine Methode. Während er in der rechten Hand das Pendel - einen an einer Schnur befestigten Bergkristall - hält, fährt er mit dem Zeigefinger der linken über den Plan. Dabei «befragt» er das Pendel, wo eine Wasserader und andere Gefahrenzonen verlaufen. «Überall, wo das Pendel ausschlägt, findet sich eine Störung», sagt Sutter.
«Insgesamt ein hervorragendes Wohnklima»
Peter Elser, Architekt im Nebenberuf, hatte bereits am Telefon vor Scharlatanen gewarnt: «Da wird viel Mist erzählt und für teures Geld Matten und Kügeli verkauft. 90 Prozent davon gehören in den Abfall.» Er - so Elser - gehe seriös an die Sache heran. Elser beginnt mit einer akribischen Vermessung der (wieder von Rosenquarzen und Amethysten befreiten) Wohnung und erstellt einen massstabgetreuen Grundriss.
Danach erpendelt er den Verlauf von «Energielinien, die den Globus umspannen». Die Kreuzungspunkte seien Störzonen und sollten im Schlafbereich gemieden werden. Ein Kopfkissen liegt im Bereich eines Knotenpunktes. Elser empfiehlt, das Bett um 30 Zentimeter zu verschieben.
Die Bovis-Energie ermittelt der Radiästhet mit Hilfe eines Messingpendels. Das Ergebnis ist ein sehr guter Wert zwischen 5000 und 6500. Elser attestiert ein insgesamt hervorragendes Wohnklima, das nicht einmal durch eine Wasserader gestört werde. Einzig Elektrosmog, den er mittels eines Netzspannungsfeld-Messgerätes misst, trübt den positiven Eindruck ein wenig.
Elser rät zum Einbau eines Netzfreischalters. «Den können Sie bei mir erwerben. Inklusive Einbau kommt die Umrüstung auf maximal 400 Franken pro Stromkreis.» Das in den Sicherungskasten montierte Gerät erkennt, wann der letzte Stromverbraucher im Raum ausgeschaltet wird und unterbricht daraufhin das Stromnetz.
«Bovis-Wert 100 - und acht Wasseradern»
Thomas Jäggi, gelernter Architekt, braucht keinen Plan für seine Arbeit. Der 77-Jährige kommt mit viel Intuition aus. Kaum hat Jäggi die Wohnung betreten, hat er ein ungutes Gefühl. Er stellt sich mitten in den Raum und - beginnt zu zählen. Plötzlich schnippt er mit den Fingern. «Bovis-Wert 100. Hier könnte ich es keine zwei Stunden aushalten. Es entzieht mir sämtliche Energie», sagt er. Negativ fällt ausserdem eine hohe Dichte von acht Wasseradern ins Gewicht. Der Pendler liefert dazu detaillierte Informationen: «Das Wasser fliesst in 81 Meter Tiefe in einer Kiesschicht unter dem Haus.»
Jäggi weiss Rat, wie dem unheilvollen Wohnklima zu begegnen ist. Er platziert eine Rundspule aus Elektrodraht - 5 Zentimeter hoch, Durchmesser von 20 Zentimetern - auf dem Boden, atmet tief ein und sagt: «Spüren Sie es? Ich kriege schon warme Füsse, und die Energie kommt zurück.» Das Prinzip der Spule, ein Eigenprodukt, erklärt er folgendermassen: Die schlechte Energie werde von unten angezogen, im Ring gebündelt und entweiche nach oben wie durch ein Ventil.
Zum Aufatmen ist es allerdings noch zu früh. Nachdem er sich auf Störsender «sensibilisiert» hat, findet Jäggi eine ganze Batterie von Netzfunkbetreibern und Sendestationen, die ihre unheilvolle Strahlung durch die Wohnung schicken. Von Swisscom über Sunrise und Orange bis hin zu Polizeifunk, Radar und den Wellen vom Sendeturm St. Chrischona in Basel ist fast alles vertreten, was in Zürich empfangen werden kann. Zum Abschirmen der Strahlen verwendet Jäggi eine 8-schichtige Goldfolie, die er in den Sicherungskasten, unter Modems und in Mobiltelefone klebt.
In keinem Bereich stimmen die Pendler überein
SPEZIAL fasst zusammen: Weder bei Bovis-Werten, Wasseradern oder sonstigem Störpotenzial gibt es auch nur den Hauch einer Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Befunden. Deshalb konfrontieren wir die drei Radiästheten mit allen Ergebnissen.
- Peter Elser windet sich um eine Erklärung, warum er als einziger keine Wasserader entdeckte: «Wenn man etwas finden will, dann findet man auch etwas. Ich suche nur nach Wasseradern, die tatsächlich gesundheitsschädlich sind, und will den Leuten nicht wegen jedem Furz Angst einjagen», rechtfertigt er sich. Im gleichen Atemzug bietet er an, dass er auf sein Honorar verzichten würde, «wenn Sie nicht zufrieden sind».
- Franz Sutter verweist auf völlig unterschiedliche Methoden und lange Erfahrung. Schliesslich ringt er sich zu einer Kritik an Thomas Jäggis Befund (8 Wasseradern/ Bovis-Wert 100) durch: «Einen so niedrigen Bovis-Wert gibt es gar nicht, das ist viel zu wenig. Jäggi kennt sich nicht aus, ich stehe auf einer viel höheren Stufe.»
- Jäggi wiederum meldet Zweifel an der Seriosität seiner Kollegen an. «Die meisten behaupten, sie könnten die Bovis-Energie messen und Wasseradern finden. Doch viele können es eben nicht beziehungsweise wollen irgendetwas verkaufen.»
Er verweist auf zahlreiche Ärzte, die, wenn sie mit ihrem Latein am Ende seien, ihre Patienten zu ihm schickten. Zuletzt gibt er dem SPEZIAL-Tester eine Warnung mit auf den Weg: «Der Markt ist versaut. Die einen machen etwas mit Steinen, die anderen mental, und wenn sie aus dem Haus sind, ist alles wieder beim Alten. Pendeln ist eine Kunst, die nicht jeder versteht.»
Fazit: Guten Gewissens muss Spezial davon abraten, Wohnungsprobleme mit Hilfe eines Pendlers oder Rutengängers zu lösen.