Wohneigentümer zahlen bei einer Festhypothek während einer bestimmten Laufzeit einen gleichbleibenden Zins. Kündigt jemand vor Vertragsende, verlangen die Banken meist eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung. Diese entspricht in der Regel der Differenz zwischen dem Zins der Festhypothek und dem Ertrag bei einer Wiederanlage des Geldes für die verbleibende Laufzeit. Es gibt jedoch auch Banken, die bei vorzeitiger Rückzahlung mehr verlangen, als wenn sie das Geld erst bei Ablauf erhalten hätten. Das musste auch Beatrice Erismann aus Schöftland AG erfahren.
Erismann hatte Ende 2013 bei der Migros-Bank für ihr Haus eine Festhypothek in der Höhe von 260 000 Franken zu einem Zins von 1,68 Prozent abgeschlossen. Laufzeit: 1. April 2014 bis 1. April 2019. Im Juni 2017 beschloss sie, die Liegenschaft per Oktober zu verkaufen. Sie teilte das der Bank mit und fragte nach, wie hoch die Vorfälligkeitsentschädigung sei.
Erismann rechnete mit Ausstiegskosten von rund 6500 Franken. Das entsprach dem Zins für die restlichen eineinhalb Jahre. Die Migros-Bank verlangte jedoch rund 8500 Franken. Die Bank berief sich auf eine Klausel im Kreditreglement zur vorzeitigen Rückzahlung: «Die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet sich nach der Differenz zwischen dem vereinbarten Kreditzinssatz und dem bei Beendigung des Vertrages erzielbaren Zinssatz für eine Anlage am Geld- oder Kapitalmarkt mit der entsprechenden Restlaufzeit.» Die Migros-Bank behauptete, sie müsse für das zurückgezahlte Geld Negativzinsen bezahlen und belastete dem Konto von Erismann 8500 Franken.
Der K-Tipp finanzierte den Musterprozess
Das akzeptierte die Aargauerin nicht und wandte sich an den K-Tipp. Dessen Rechtsschutzfonds finanzierte daraufhin einen Musterprozess gegen die Migros-Bank. Denn: Rechtlich ist unhaltbar, dass eine Kundin bei vorzeitiger Rückzahlung eines befristeten Darlehens mehr Zins bezahlen muss, als sie bis zum Endtermin des Vertrags geschuldet hätte. Und: Ein laut Vertrag «am Kapitalmarkt erzielbarer Zinssatz» kann keine Gebühr sein. Ein Zins ist rechtlich der Ertrag einer Vermögensanlage – und nie vermögensvermindernd («Saldo» 19/2016).
Das bestätigte die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Zürich, die sich mit dem Fall befassen musste. Sie entschied Ende Januar, dass die Migros-Bank Erismann die rund 2000 Franken zurückzahlen muss. Begründung: Der Vertrag spreche von einem «erzielbaren» Zins. Das deute klar auf einen Zinssatz im positiven Bereich hin. Ein Negativzinssatz komme «als Wiederanlagesatz zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht in Frage». Kunden müssten bei dieser Formulierung im Vertrag nicht damit rechnen, dass mehr als der noch bis Ende der Laufzeit geschuldete Zins zu zahlen ist. In einem ähnlichen Fall entschied das Bezirksgericht Zürich ebenfalls zugunsten des Bankkunden.
Die Migros-Bank wollte zu ihrem Vorgehen nicht Stellung nehmen. Auch sagte sie dem K-Tipp auf Anfrage nicht, ob sie künftig bei allen Kunden auf überhöhte Vorfälligkeitsentschädigungen verzichten wird.
Der K-Tipp bietet Rechtsschutz
Der K-Tipp unterstützt Musterprozesse bei Rechtsfragen, die für eine Vielzahl von Konsumenten von Bedeutung sind. Wer eine Klage zu einem Konsumentenvertrag in Erwägung zieht, melde sich schriftlich bei: Rechtsberatung K-Tipp, Postfach 431, 8024 Zürich.