Die Schweiz hat mit mehr als 100 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Diese legen fest, welcher Staat welche Gelder besteuern darf. Es soll verhindert werden, dass Einkommen und Vermögen in verschiedenen Ländern voll versteuert werden müssen.
Nur: Das klappt nicht immer, wie das Beispiel von Danuta Zellweger aus Zürich zeigt. Die gebürtige Polin heiratete 1980 in Posen (Pl) einen Schweizer und zog in die Schweiz. Hier arbeitete die ausgebildete Ingenieurin an der Universität Zürich, später für Novartis. Im Jahr 2000 wurde die heute 84-jährige schweizerisch-polnische Doppelbürgerin pensioniert.
Neben ihrer AHV- und Pensionskassenrente erhielt sie ab 2005 auch eine Altersrente aus Polen. Zellweger hatte bis zu ihrer Heirat während 23 Jahren am Institut für Landwirtschaft der Universität Posen gearbeitet. Von den rund 1000 Zloty (rund 200 Franken) Rente pro Monat zogen die polnischen Behörden die Steuern ab und überwiesen den Rest auf ein Bankkonto in Polen. Mit dem Geld bezahlte die Rentnerin ihre Ausgaben, wenn sie im Sommer Freunde und Bekannte in ihrer alten Heimat besuchte.
Nachdem das letzte Mitglied ihrer Familie Ende 2016 verstorben war, reiste sie nicht mehr nach Polen. Ab 2017 liess sich Zellweger die Rente in die Schweiz überweisen und gab diese das erste Mal in der Zürcher Steuererklärung an. Es stellte sich heraus, dass sie die Rente in der Schweiz und nicht in Polen hätte versteuern müssen. Zwar ist in der Regel eine staatliche Altersrente in jenem Staat zu versteuern, aus dem die Zahlung erfolgt. So steht es in den meisten Abkommen zur Doppelbesteuerung. Das Abkommen der Schweiz mit Polen weicht von dieser Regel aber ab: Ist die Steuerpflichtige wie Danuta Zellweger Schweizer Bürgerin, hat sie die staatliche Altersrente aus Polen hier in der Schweiz zu versteuern.
Polnische Behörden lenken ein
Das kantonale Steueramt eröffnete gegen Zellweger ein Nachsteuerverfahren: Im Oktober 2020 verfügte es eine Nachsteuer von rund 2700 Franken für die nicht versteuerte Rente aus den Jahren 2010 bis 2017.
Zellweger stellte ein Gesuch um Erlass der Nachsteuern. Es wurde im Juni 2021 abgewiesen. Sie zahlte deshalb die Nachsteuern. Mit Hilfe des K-Tipp beantragte sie jedoch gleichzeitig beim Staatssekretariat für internationale Finanzfragen ein sogenanntes Verständigungsverfahren: Die polnischen Behörden sollten ihr die zu Unrecht abgezogenen Steuern zurückzahlen (siehe Kasten). Im Februar dieses Jahres musste sie dem polnischen Finanzministerium diverse Fragen beantworten.
Am 24. März kam dann die erfreuliche Nachricht: «Die polnischen Behörden werden Ihnen die zu Unrecht abgezogenen Steuern zurückzahlen», schreibt ihr das Staatssekretariat. Immerhin 3451 Zloty – oder umgerechnet rund 760 Franken.
Doppelbesteuerung: So wehren Sie sich
Wer trotz Doppelbesteuerungsabkommen für das gleiche Einkommen oder Vermögen in beiden Ländern voll besteuert wird, kann sich dagegen wehren. In der Schweiz geht das mit einer Einsprache beim Steueramt, im Ausland mit den dort vorhandenen Rechtsmitteln. Unabhängig davon können Betroffene in der Schweiz ein kostenloses Verständigungsverfahren beantragen. Zuständig ist das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF). Der Antrag ist mit einem Formular schriftlich oder per E-Mail einzureichen. Mehr dazu unter www.sif.admin.ch.
Ziel des Verfahrens ist eine Einigung zwischen den Steuerbehörden, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Im Jahr 2020 wurden 156 Verfahren eröffnet und 115 erledigt. Oft ging es um die Besteuerung des Einkommens aus unselbständiger Tätigkeit und aus Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Im Durchschnitt dauerte ein Verfahren 20 Monate.