Jede der 305 Raiffeisenbanken in der Schweiz ist eine rechtlich selbständige Genossenschaft. Wer bei einem dieser Institute ein Sparkonto mit Vorzugszins oder eine Hypothek will, muss einen Anteilschein kaufen. In der Regel kostet das 200 Franken, bei einigen Raiffeisenbanken bis 500 Franken.
Dafür zahlen die Raiffeisenbanken einen Zins, aktuell meist 6 Prozent. Bei einigen Raiffeisenbanken können auch mehrere Anteilscheine gezeichnet werden, aber nur bis zum Betrag von 20 000 Franken.
In allen Statuten dieser 305 Genossenschaften war bis Anfang Jahr auch die Nachschusspflicht enthalten. Da hiess es jeweils gleichlautend, Mitglieder müssten «Nachschüsse bis zum Betrag von 8000 Franken leisten, sofern sich aus der Jahresbilanz ergibt, dass das Genossenschaftskapital nicht mehr gedeckt ist».
Diese Risikodeckung durch die Kunden ist jetzt aufgehoben. In der ersten Jahreshälfte 2014 haben die Genossenschaften an ihren Generalversammlungen den Artikel mit der Nachschusspflicht mit Mehrheitsbeschluss aus den Statuten gekippt.
In der über 100-jährigen Geschichte der Raiffeisenbanken ist zwar in der Schweiz noch nie ein Genossenschafter zu Schaden gekommen. Doch ein ungutes Gefühl gab es immer wieder mal – zuletzt 2012, als Raiffeisen die Notenstein Privatbank AG übernahm. Da fragte sich manch ein Genossenschafter, ob er geradestehen müsste, falls dieses Projekt scheitern sollte.
Auch eine Raiffeisen-Kundin aus Solothurn wunderte sich, als sie im letzten April das Konto auflöste und die Mitgliedschaft kündigte. Sie hatte bereits erfahren, dass ihre Genossenschaft die Nachschusspflicht gestrichen hatte – trotzdem erhielt sie mit der Austrittsbestätigung einen schriftlichen Hinweis, der sie verwirrte: «Betreffend Haftung nach Austritt verweisen wir auf Artikel OR 876.»
Des Rätsels Lösung: Im Obligationenrecht (OR) steht in Artikel 876, dass austretende Mitglieder noch ein Jahr lang für die Schulden der Genossenschaft haften, falls über die Genossenschaft in dieser Zeit der Konkurs eröffnet wird.
Was aber gilt jetzt für die verbleibenden Raiffeisen-Mitglieder? Auch für sie gibt es eine gewisse Nachhaftung. Denn das Gesetz sagt: Wenn die Nachschusspflicht abgeschafft wird, haften die Mitglieder trotzdem zeitlich unbeschränkt weiter – aber nur für Verbindlichkeiten, die vor der Veröffentlichung der Statutenrevision im Handelsregister entstanden sind.
Doch dieses Risiko ist weiterhin sehr gering, weil die Nachschusspflicht des Einzelnen sowieso erst bei einem Konkurs der ganzen Raiffeisen-Gruppe beansprucht werden könnte, und weil die davon betroffenen Verbindlichkeiten jetzt sehr schnell abnehmen.
Das sind die wichtigsten Punkte zur Mitgliedschaft bei Raiffeisen
- Viele Dienstleistungen, wie zum Beispiel das normale Privatkonto oder das Seniorensparkonto, sind auch ohne Mitgliedschaft erhältlich.
- Kündigen Mitglieder die Kontobeziehungen oder die Hypothek, bleibt die Mitgliedschaft vorerst weiter bestehen und muss ebenfalls gekündigt werden. Die Kündigung der Mitgliedschaft ist mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist auf Ende jedes Kalendermonats möglich. Die Anteilscheine werden dann im Nominalwert zurückgezahlt.
- Nebst den erwähnten 305 autonomen Banken gibt es sechs direkte Niederlassungen der Zentralbank Raiffeisen Schweiz in Basel, Bern, St. Gallen, Thalwil, Winterthur und Zürich. Diese sind keine eigenständigen juristischen Genossenschaften, eine Mitgliedschaft ist hier deshalb nicht möglich.