«Das ist gewerbsmässiger Betrug»
Die Esoterik-Werbesendung «Eso TV» lässt Ratsuchende in der Telefonleitung warten – und kassiert so verbotenerweise viel Geld. Die Strafbehörden unternehmen nichts.
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K-Tipp 14/2011
03.09.2011
Letzte Aktualisierung:
06.09.2011
Beatrice Walder K-Tipp
Die Moderatorin Simone von «Eso TV» verspricht: «Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, wir haben absolut keine Wartezeit!» Tatsächlich bleiben die Anrufer jedoch minutenlang in der Warteschlaufe hängen, bis sie zu einem Berater durchgestellt werden. Was viele nicht wissen: Auch fürs Warten bezahlen sie satte Fr. 4.50 pro Minute.
Die Esoterik-Werbesendung läuft fast täglich von 6 bis 15 Uhr auf dem Schweizer Privatsender 3+. F&uum...
Die Moderatorin Simone von «Eso TV» verspricht: «Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, wir haben absolut keine Wartezeit!» Tatsächlich bleiben die Anrufer jedoch minutenlang in der Warteschlaufe hängen, bis sie zu einem Berater durchgestellt werden. Was viele nicht wissen: Auch fürs Warten bezahlen sie satte Fr. 4.50 pro Minute.
Die Esoterik-Werbesendung läuft fast täglich von 6 bis 15 Uhr auf dem Schweizer Privatsender 3+. Für Fr. 4.50 pro Minute können sich Ratsuchende von Hellsehern, Kartenlegern und Astrologen via 0900er-Nummer beraten lassen – «garantiert ohne Wartezeit». Wegen der sehr wohl vorhandenen Wartezeit beschwerten sich mehrere Anrufer in der Sendung. So zum Beispiel eine Frau, die auf das «Medium» Beatrice Bähr warten musste: «Ich habe dich fünf Mal angerufen, ich bin nie durchgekommen.» Und das, obwohl die Beraterin während der Sendung frei gewesen sei. Eine andere Anruferin hatte das gleiche Problem mit Beraterin Simone: «Es ärgert mich, dass ich zehn Minuten warten muss», sagte sie.
Für Strafrechtsprofessor Christof Riedo ist klar: «Das ist gewerbsmässiger Betrug.» «Eso TV» gebe vor, dass keine Wartezeit bestehe. Das stimme jedoch nicht. Die Anrufer könnten das, bevor sie anrufen, aber nicht erkennen. Riedo: «Sie werden somit arglistig getäuscht. ‹Eso TV› bereichert sich auf Kosten der Anrufer.»
Strafbehörden haben nur faule Ausreden
Gewerbsmässiger Betrug ist ein Offizialdelikt. Das heisst, die Strafverfolgungsbehörden müssten von sich aus eine Untersuchung einleiten, wenn sie von der Straftat erfahren – und nicht erst auf einen Strafantrag hin. Zuständig wären die Behörden überall dort, wo Betroffene geschädigt wurden – also in der ganzen Schweiz.
Der K-Tipp hat die Staatsanwaltschaften von Basel, Bern, Zürich sowie die Kantonspolizei St. Gallen gefragt, ob gegen «Eso TV» eine Untersuchung laufe. Dem ist nicht so. Der Strauss der faulen Ausreden ist bunt: In Zürich würde man erst einschreiten, wenn ein Geschädigter Anzeige erstattet. In Bern sieht man keinen hinreichenden Verdacht. Zudem müssten die Behörden nur einschreiten, wenn sie eine Straftat «während ihrer amtlichen Tätigkeit» feststellen. Basel sieht sich nicht als zuständig. Von St. Gallen ging keine Antwort ein.
«Eso TV» hat zu den Vorwürfen nicht Stellung genommen. Der Privatsender 3+ betont, nicht am Umsatz beteiligt zu sein: «Wir haben die Sendezeit zu einem fixen Preis an ‹Eso TV› verpachtet.»
«Eso TV»-Hotline: Kein Hinweis auf die Kosten
Wer auf die Hotline 0901 90 90 03 von «Eso TV» anruft, wird zu Beginn des Anrufs nicht auf die Kosten von Fr. 4.50 pro Minute hingewiesen. Bei einem Minutenpreis von mehr als Fr. 2.– müsste der Preis jedoch unmissverständlich und kostenlos angekündigt werden.
Das Bundesamt für Kommunikation hat angekündigt, dem Hinweis des K-Tipp nachzugehen und «Eso TV» allenfalls die Nummer zu entziehen.