Das lange Warten auf den Ombudsman
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K-Tipp 15/2002
18.09.2002
Und wieder nennt der Pensionskassenverband einen neuen Termin: Im Jahr 2004 könne die Ombudsstelle der beruflichen Vorsorge ihre Arbeit aufnehmen. Vielleicht.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Man schreibt das Jahr 1996. Werner Nussbaum arbeitet fleissig am Projekt für eine Ombudsstelle der beruflichen Vorsorge. Motiv sind jene tausende von Anfragen ratsuchender Versicherter, die Nussbaum während seiner zwölfjährigen Tätigkeit beim Bundesamt für Sozialversiche...
Und wieder nennt der Pensionskassenverband einen neuen Termin: Im Jahr 2004 könne die Ombudsstelle der beruflichen Vorsorge ihre Arbeit aufnehmen. Vielleicht.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Man schreibt das Jahr 1996. Werner Nussbaum arbeitet fleissig am Projekt für eine Ombudsstelle der beruflichen Vorsorge. Motiv sind jene tausende von Anfragen ratsuchender Versicherter, die Nussbaum während seiner zwölfjährigen Tätigkeit beim Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) erreicht haben.
Der Jurist und Experte für das Gesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) stiess mit seiner Idee nicht nur beim BSV und zahlreichen Fachleuten auf Zustimmung. «Das Projekt wurde auch vom seinerzeit in Entstehung befindlichen Pensionskassenverband begrüsst», erinnert sich Nussbaum, der heute den Verein Innovation Zweite Säule präsidiert.
Auch das Folgeprojekt scheiterte
Indes: Nach einigen auch öffentlich ausgetragenen Querelen - Nussbaum war im Kassensturz voreilig bereits als neuer Pensionskassen-Ombudsman vorgestellt worden, was einigen Branchenvertretern in den falschen Hals geriet - verschwand das Projekt von der Bildfläche. Dasselbe geschah auch mit dem Nachfolgeprojekt, das der Präsident des Schweizerischen Pensionskassenverbandes (Asip), Hermann Walser, im April 2000 für den Sommer des gleichen Jahres in Aussicht gestellt hatte.
Erstaunlich sind diese Rückzieher schon - erst recht, wenn man sich vor Augen hält, dass es in der 2. Säule rund 3,2 Millionen Versicherte, 750 000 Rentenbezüger und 9000 Vorsorgeeinrichtungen gibt.
Fachleute sind denn auch überzeugt: Eine Ombudsstelle der beruflichen Vorsorge entspräche einem dringenden Bedürfnis. BSV-Direktor Otto Piller bestätigt das: Die Verwaltung erhalte sehr viele Anfragen zur 2. Säule. Piller vergleicht die Situation mit jener der ebenfalls obligatorischen Krankenversicherung. Deren bereits bestehende Ombudsstelle war allein im letzten Jahr mit gegen 6000 Anfragen beschäftigt.
Rudolf Luginbühl, Dozent für Sozialversicherung und Mitarbeiter des Krankenkassen-Ombudsmans, erstaunt der grosse Beratungsbedarf in der 2. Säule nicht: «Die Materie ist für den Laien noch weniger durchschaubar als in der Krankenversicherung. Der Laie versteht in der Regel nicht einmal seinen Pensionskassenausweis.»
Schlichtungsstelle für Streitfälle fehlt
Otto Piller stimmt dem zu: «Die Situation erinnert mich an die Misere bei den Steuerformularen, wo man manchmal das Gefühl hat, sie seien absichtlich so unverständlich abgefasst, damit den Steuerberatern die Arbeit nicht ausgeht.»
Dringend wäre eine Ombudsstelle der beruflichen Vorsorge allerdings nicht nur, weil die Materie so kompliziert ist - zumal es inzwischen einige Beratungseinrichtungen gibt, an die Ratsuchende sich wenden können. Dringend wäre eine solche Stelle vor allem auch, weil es heute bei Konflikten keine Instanz gibt, die auf eine aussergerichtliche Beilegung des Streits hinwirken könnte.
Den Gang vor Gericht trauen sich viele Versicherte nämlich nicht zu. Und das ist besonders arg, weil die Streitbeträge oft sehr hoch sind, wie Rudolf Luginbühl ausführt: «Letztlich geht es um die Existenz im Pensionsalter oder um Invaliditätsfälle.»
Für die Fachleute ist deshalb klar: Die Ombudsstelle müsste als niederschwelliges Angebot funktionieren. «Sie sollte kostenlos sein, damit Hilfesuchende möglichst keine Berührungsängste hätten», rät BSV-Direktor Piller.
«Vor allem aber müsste die Ombudsstelle über grosse Unabhängigkeit, das heisst eine breite Trägerschaft verfügen», betont Rechtsanwalt Dominique Chopard, der rund zehn Jahre lang auf der BVG-Beratungsstelle der Demokratischen Juristinnen und Juristen gearbeitet hat. «Sie dürfte auf keinen Fall als Alibiinstitution der Pensionskassen funktionieren.»
Das sieht selbst Asip-Präsident Hermann Walser so. Trägerin der Ombudsstelle wäre sinnvollerweise eine vom Pensionskassenverband unabhängige Stiftung, hält er fest. Der Verband sollte lediglich in der Trägerschaft mitwirken - zusammen mit dem Schweizerischen Versicherungsverband, der Bankiervereinigung, der Kammer der Pensionsversicherungsexperten und den Spitzenverbänden der Sozialpartner, wünscht sich Walser.
Das grosse Problem ist die Finanzierung
Doch ob dieser Wunsch sich erfüllt, ist fraglich. Spätestens wenn es um die Finanzierung der Ombudsstelle geht, wirds harzig. Daran sind schon die bisherigen Bemühungen des Asip gescheitert. Walser: «Anfragen bei anderen wesentlichen Mitspielern in der beruflichen Vorsorge haben ergeben, dass kaum Bereitschaft besteht, die Kosten einer solchen Stelle substanziell mitzutragen.»
Das ist für Otto Piller unverständlich: «Wenn man bedenkt, wie viel Geld bei den potenziellen Trägern vorhanden ist, dürfte die Finanzierung eigentlich kein Problem sein.» Und wie stehts mit Bundesbeiträgen? «Das sehe ich nicht», so der BSV-Direktor knapp.
Schlechte Aussichten also. Trotzdem stellt Asip-Präsident Walser einen Terminplan auf: Man werde das Projekt bis Ende Jahr bereinigen. Sollten in der Folge Vorstand und Mitgliederversammlung des Pensionskassenverbands zustimmen, könnte die Stelle Anfang 2004 ihre Tätigkeit aufnehmen.
Allerdings glaubt Walser selber offenbar nicht recht an dieses Szenario. «Es kann nicht gesagt werden, dass man seitens der Vorsorgeeinrichtungen Feuer und Flamme für die Ombudsstelle ist», gesteht er, und: «Eine hohe Priorität wird dem Projekt kaum zugemessen.»
Mit anderen Worten: Das Warten geht weiter.
Hier erhalten Sie Auskunft
Haben Sie Fragen zur beruflichen Vorsorge? Oder Probleme mit Ihrer Pensionskasse? Eine Ombudsstelle gibts zwar nicht. Aber immerhin die folgenden Beratungsstellen:
- Verein für unentgeltliche Auskünfte für Versicherte der Pensionskassen (BVG-Auskünfte). Er betreibt Beratungsstellen in
Bern: Belpstr. 23
Frauenfeld: Rathaus
Frauenfeld, 3. Stock
Luzern: Taubenhausstr. 38
St. Gallen: Büro Bezirksgericht, Bohl 1
Zürich: Fraumünsterstr. 21
Besprechungstermin ist überall jeweils der erste Mittwoch des Monats, 17 bis 19 Uhr. Die Beratung erfolgt ohne Voranmeldung, dauert etwa 15 Minuten und ist gratis.
- Verein für BVG- und Pensionskassen-Auskünfte, Sekretariat der GGG, Schmiedenhof 10, 4051 Basel.
Besprechungstermin ist jeweils der erste Montag des Monats von 17 bis 18.30 Uhr. Die Beratung erfolgt ohne Voranmeldung, dauert etwa 15 Minuten und kostet 10 Franken.
- Beratungsstelle für berufliche Vorsorge der Demokratischen Juristinnen und Juristen in Zürich. Termin nach Voranmeldung unter Tel. 01 299 99 50. Die Beratung dauert etwa eine halbe Stunde und kostet 70 Franken.