Es ist idyllisch im Weiler Weissenbach, der rund vier Kilometer oberhalb von Boswil AG liegt. Nur das Krähen eines Hahns ist zu hören. Nach Weissenbach fährt kein Bus, und Wasser beziehen die Einwohner aus einer eigenen Quelle. «Wer hier lebt, ist sich bewusst, dass nicht alles funktioniert wie anderswo», sagt die Einheimische Silvia Huber. Nur eines mag die Lehrerin nicht hinnehmen: den extrem langsamen Internetanschluss.
Surfen im Schneckentempo
Als im vergangenen Jahr plötzlich Homeoffice und Homeschooling verordnet wurden, geriet die Familie mit zwei Teenagern an den Anschlag. «Wir konnten kaum eine Seite im Internet aufrufen, geschweige denn gleichzeitig an Sitzungen oder am Unterricht teilnehmen», erzählt Huber. Nach einigen Tests war klar, weshalb: Die Internetleitung der Swisscom gibt maximal 7 Megabit pro Sekunde her und wird immer wieder unterbrochen. Silvia Huber ärgert sich: «Die gesetzlich vorgeschriebene Grundversorgung verspricht in der Schweiz für das Internet eine Geschwindigkeit von 10 Megabit pro Sekunde. Wieso ist das bei uns nicht möglich?»
Zwei Prozent aller Haushalte betroffen
Die Idee der Grundversorgung ist es, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz überall von bezahlbaren Grundleistungen profitieren können. So soll das Land auch in abgelegenen Gegenden bewohnbar bleiben. Die Swisscom ist für die Telecom-Grundversorgung zuständig und muss auf Wunsch der Kunden dafür sorgen, dass die Internet-Mindestgeschwindigkeit zur Verfügung steht.
Doch das ist längst nicht überall der Fall, wie Zahlen des Bundesamts für Kommunikation zeigen. Laut der Fernmeldedienstverordnung darf die Swisscom die Geschwindigkeit reduzieren, wenn ein Anschluss «die Bereitstellung des Dienstes aus technischen oder ökonomischen Gründen» nicht erlaubt. Diese Ausnahmefälle muss sie dem Bundesamt jährlich melden. Der K-Tipp hat die Meldeliste verlangt: Sie umfasst für das Jahr 2020 über 1300 Einträge von Swisscom-Abonnenten, bei denen die Grundleistung von 10 Megabit pro Sekunde dauerhaft nicht erbracht wird. Und das sind nur jene Haushalte, die bei der Swisscom reklamiert und ein sogenanntes Grundversorgungsabo abgeschlossen haben. Insgesamt sind weit mehr Haushalte betroffen: Laut Swisscom ist zurzeit bei 2 Prozent der Schweizer Haushalte noch kein Internetzugang mit der geforderten Mindestübertragungsrate möglich. Rund 75 000 Haushalte surfen also langsamer als versprochen.
Swisscom wollte Kosten abwälzen
Bei Silvia Huber stellte ein Techniker fest, dass die Leitung zu alt und das Haus zu weit von der nächsten Zentrale entfernt ist. Doch Huber liess nichts unversucht, um die versprochene Bandbreite zu erhalten. Ihre Bemühungen protokollierte sie fein säuberlich. Über Wochen schrieb sie E-Mails und Briefe an die Swisscom und telefonierte mit mehreren Hotline-Angestellten. Zudem liess sie ihre Hausanschlüsse prüfen. Alles war in Ordnung.
Einem Nachbarn, der sich ebenfalls an die Swisscom wandte, schlug diese vor, die Einwohner könnten auf eigene Kosten eine neue Leitung ins Zentrum des Weilers bauen lassen. Kosten: 22 000 Franken. Das brachte für Huber das Fass zum Überlaufen. Sie wandte sich an den K-Tipp: «Es kann doch nicht sein, dass wir diesen Grundversorgungsausbau selber zahlen müssen.»
Peter Eschmann von der Swisscom sagt dazu: «In diesem Fall ist vieles nicht gut gelaufen. Die Erschliessung mit einer alternativen Internetlösung im Rahmen der Grundversorgung muss nicht von den Kunden bezahlt werden.» Kurz nach der Intervention des K-Tipp meldete sich die Swisscom bei Silvia Huber. Man bot ihr an, eine Satellitenschüssel zur Unterstützung der DSL-Leitung zu installieren. Dazu sagt Huber: «Diese Lösung bringt zwar mir persönlich etwas, die Situation der Nachbarn ist jedoch unverändert.» Die Einwohner von Weissenbach haben sich daher nochmals an die Swisscom gewandt – in der Hoffnung, dass die Leitung doch noch ausgebaut wird. Das Unternehmen versprach im Juli, die Anfrage zu prüfen – eine Antwort steht noch aus.
Laut Swisscom ist Silvia Huber ein Einzelfall: «Wenn jemand Grundversorgungsleistungen bei uns beantragt, finden wir praktisch immer eine Lösung», sagt Eschmann. Doch warum gibt es dann rund 1300 Ausnahmefälle auf der Liste des Bundesamts für Kommunikation? Laut Eschmann hat der grösste Teil der Betroffenen eine Internetleitung nahe bei 10 Megabit pro Sekunde: «Vielen reicht das und sie verzichten freiwillig darauf, die Geschwindigkeit per Satellit zu erhöhen.»
Wie bei Silvia Huber greift die Swisscom bei der Grundversorgung oft auf günstigere Lösungen wie Satelliten und Mobilfunk zurück – vor allem wenn ein Leitungsausbau in einem Gebiet nicht vorgesehen oder zu teuer ist. Die Swisscom darf gemäss Bundesamt diejenige Technologie einsetzen, die sich am besten eignet. Eine Leitung per Satellit ist jedoch oft nicht so stabil. Schneit oder regnet es, ist die Geschwindigkeit geringer. Bei Mobilfunklösungen gibt es ebenfalls Einschränkungen – zum Beispiel dann, wenn eine Zelle von zu vielen Leuten genutzt wird.
Es lässt sich nicht überprüfen, ob die Betroffenen tatsächlich freiwillig auf die versprochene Internetleistung verzichteten. Denn die 1300 Ausnahmefälle auf der Liste des Bundesamts sind anonymisiert. Der Fall Huber zeigt jedoch: Kunden werden auch mit Ausreden abgewimmelt.
Milliarden versickern in der Bundeskasse
Die Swisscom mit dem Bund als Hauptaktionär könnte die Erschliessung der entlegenen Weiler problemlos berappen: Im Jahr 2020 schrieb die Swisscom laut Geschäftsbericht einen Reingewinn von 1,5 Milliarden Franken.
So surfen Sie schneller und testen die Internetleistung
Tausende Haushalte in der Schweiz surfen mit einer geringeren Geschwindigkeit als den 10 Megabit pro Sekunde, welche die Grundversorgung vorsieht. Daran ändert sich nichts, sofern die Betroffenen nicht bei der Swisscom reklamieren. Das Telecomunternehmen bestätigt dem K-Tipp, nicht von sich aus aktiv zu werden.
Wer eine schnelle Leitung wünscht, sollte sich unter Tel. 0800 800 800 melden und explizit das Grundversorgungsangebot (Basic) von mindestens 10 Megabit pro Sekunde verlangen. Das Kombi mit Internet und Telefon kostet Fr. 59.25 pro Monat. Internet allein gibt es bei der Swisscom für 45 Franken. Infos zu den Angeboten gibt es auf www.swisscom.ch/grundversorgung.
Tipp: Die Geschwindigkeit der eigenen Internetleitung kann man selber überprüfen. Dazu ruft man die Website https://speedtest.cnlab.ch/de/ auf und startet dort den Cnlab-Speedtest.