Ursula Sury ist Professorin für Datenschutzrecht an der Hochschule Luzern. Sie warnt: Viele Leute seien der Meinung, sie hätten nichts zu verbergen und darum von der Datensammelwut von Google & Co. nichts zu befürchten. «Sie müssen sich aber bewusst sein, dass sie einfach ihre Persönlichkeit verschenken.» Das könne zu gravierenden Problemen führen: «Die Unternehmen kategorisieren die Leute aufgrund der erhobenen Daten und ziehen teils falsche Schlüsse.» So könne es passieren, dass jemand plötzlich nicht mehr als kreditwürdig gelte. Zudem würden viele persönliche Daten verkauft – oder auf Verlangen staatlichen Behörden herausgegeben.
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Google
Eine K-Tipp-Redaktorin hat bei Google eine E- Mail-Adresse und nutzt diverse Dienste der US-Firma. Sie forderte von Google Einsicht in die über sie gespeicherten Daten.
Google lieferte per Mail über 40 Ordner mit teilweise mehreren Dateien. Viele dieser Informationen stammen von den Aktivitäten der Redaktorin auf ihrem Smartphone und Computer. Beispiele:
«8.12.2020, 14.04 Uhr, App H & M, angesehen: Advent 10 % auf einen Sale-Einkauf.»
«9.12.2020, 23.04 Uhr, App Booking, verwendet: Unterkünfte in Wildhaus.»
«10.12.2020, 20.35 Uhr, App Twint: Winterhilfe Schweiz, Twint-Spenden aufgerufen.»
Je nach Tag finden sich mehrere Dutzend Einträge. Wurde die Spracherkennung Google Assistant benutzt, sind auch die Fragen der Redaktorin gespeichert. Google weiss auch, welche Videos die Redaktorin auf Youtube angeschaut hat: «10.12., 13.20 Uhr, Youtube, 9 praktische Lifehacks.»
Google kann auf allen Android-Handys auch den Standort ermitteln – und so einen Tagesverlauf und die zurückgelegten Wege inklusive Verkehrsmitteln minuziös nachzeichnen: 7.32 Uhr zu Hause. Auch Besuche in Arztpraxen werden erfasst: «17.25 bis 17.54, Permanence, Hauptbahnhof Zürich.»
In den Daten findet sich eine Liste von Themen, für die sich die Redaktorin interessiert. Auch das vermutete Alter sowie Informationen zur Familiensituation sind gespeichert.
Facebook
Bei der US-Internetplattform Facebook umfasst der gelieferte Datensatz der Nutzerin 30 Ordner mit teilweise mehreren Hundert Dateien. Auch Facebook weiss vieles über die Redaktorin. Beispiele:
Facebook speichert, welche Videos die Frau anschaut und wie lange: «12.8.2020, 17.42: ‹The Stay At Home Chefs Video›. Wo du aufgehört hast: 211 Sekunden.»
Facebook weiss auch, für welche Veranstaltungen sich die Redaktorin interessiert: «24.2.2020: Island: Multivision Film- und Fotoreportage; 26.6.2020: Podium zum Tag der Frau.»
Wie Google erstellt auch Facebook eine Liste mit den Interessensgebieten der Redaktorin. Mehrere Hundert Begriffe sind aufgeführt – von «Aperitif» über «Nachhaltigkeit» bis «Zeitungen».
Die gelieferten Daten enthalten auch einen Ordner «Aktivitäten ausserhalb von Facebook». Er umfasst rund 300 Dateien, in denen Internet- oder App-Aktivitäten der Nutzerin aufgezeichnet sind, die nichts mit Facebook zu tun haben. Auf der Liste befinden sich persönliche Daten zu Spotify, Airbnb, Coop, Migros, Aldi, Lidl, Edelweiss Air, TCS, UBS, Sunrise, NZZ, «Tages-Anzeiger» und vielen weiteren mehr. Facebook weiss, wann die entsprechenden Internetseiten oder Apps aufgerufen wurden, ob die Nutzerin einen Kauf tätigte oder die Werbung anschaute.
Hintergrund: Facebook kennt diese Informationen, weil die Firmen Analysewerkzeuge nutzen, die Facebook kostenlos zur Verfügung stellt. Im Gegenzug erhält der US-Konzern Zugang zu den Daten.
Apple
Die US-Firma Apple lieferte auf Anfrage einer K-Tipp-Redaktorin 30 Ordner mit mehreren Unterordnern.
Fazit: Auch Apple speichert intimste Informationen aus dem Alltag der Redaktorin. Beispiele:
Apple kennt zum Beispiel die Einkaufsliste der K-Tipp-Redaktorin. In den von Apple gelieferten Daten steht: «Tomate, Aubergine, Milch, Obst und Nüsse.»
Apple weiss, wofür sich die Redaktorin kulturell interessiert – etwa für die Rote Fabrik in Zürich oder das Theater Neumarkt.
Gespeichert wird auch alles, was im App-Store gekauft oder geladen wurde: etwa die Uber-App, UBS Mobile Banking, die Swiss Covid App.
Apple weiss auch, welche Computerspiele die Frau hat und wann sie spielt: «‹Redecor – Home Design Makeover›, last played 19.12.2020, 15.57 Uhr.»
Und bei jedem Foto, das die Redaktorin gemacht hat, ist aufgezeichnet, welche Kamera sie verwendete und wo es aufgenommen wurde: «iPhone 11, Glattpark.»
Amazon
Auch beim US-Internethändler Amazon umfassen die gelieferten Daten an die K-Tipp-Redaktorin mit einem Amazon-Konto mehr als 50 Ordner. Neben naheliegenden Informationen zu den bei Amazon getätigten Käufen und Suchläufen speichert die Firma aber auch weitere Informationen. Beispiele:
Amazon weiss, welche Geräte die Kundin benutzte und sogar, ob sie noch aktiv sind.
Amazon kennt sich auch bei der Lektüre der Redaktorin aus. So wird gespeichert, welche Seiten sie bei E-Books auf dem Webreader angeschaut hat: «Seiten 22–23, 33–37, 43».
Persönliche Daten geben die Kunden dem Konzern auch preis, wenn sie den in Amazon-Lautsprechern eingebauten Sprachassistenten Alexa verwenden. In der Schweiz kann die dazu nötige App noch nicht heruntergeladen werden – anders in Deutschland und Österreich. Befehle, welche die Nutzer Alexa erteilen, werden auf unbegrenzte Zeit gespeichert. Beispiel: «Today at 7.32: ‹Setze Brot auf die Einkaufsliste›». Wenig später: «Alexa, erinnere mich daran, am Freitag um 10 Uhr morgens: Frau Müller anrufen.»
Damit Alexa funktioniert, müssen die Mikrofone im Lautsprecher immer angeschaltet sein. Der Sprachassistent wird so zu einem Abhörgerät.
Aus den USA ist der Fall eines Paares bekannt, bei dem Alexa ein privates Gespräch an eine Person aus deren Handy-Kontaktliste schickte. Bekannt ist auch, dass Amazon-Angestellte teilweise Sprachaufzeichnungen schriftlich festhalten.
Tipps: So schützen Sie Ihre Daten besser
Google: Prüfen Sie unter https://accounts.google.com ! «Daten und Personalisierung verwalten» Ihre Einstellungen. So können Sie eventuell das Speichern Ihrer Daten unterbinden.
Apple: Hier können Sie die Datenschutzeinstellungen direkt auf den verwendeten Geräten anpassen: ! «Einstellungen» ! «Datenschutz»
Facebook: Rufen Sie die Seite https://www.facebook.com/privacy ! «Deine Facebook-Informationen» auf. Löschen Sie dort alle Aktivitäten, die Sie nicht mit Ihrem Konto verknüpfen wollen.
Amazon: Im Bereich «Kundenservice, Stichwort Datenschutz» können Sie Datenschutzeinstellungen für digitale Inhalte und Endgeräte eingeben.
Praktische Anleitungen: Unter www.ktipp.ch/datenschutz finden Sie die detaillierten Anleitungen, wie Sie Ihre Daten anfordern und welche Datenschutzeinstellungen Sie bei den vier Unternehmen vornehmen können.