Der blinde Fleck bei Garantien
Bis zu 10 Prozent der in der Schweiz verkauften PC-Flachbildschirme haben störende Pixelfehler. Noch ärgerlicher ist, dass die Hersteller die Haftung für dieses Manko in den Garantiebestimmungen ausschliessen.
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K-Tipp 5/2005
09.03.2005
Pirmin Schilliger - redaktion@ktipp.ch
Michael Nordemann kaufte im November 2004 bei Steg Computer in Basel einen PC mit einem 19"-Flachbildschirm (Modell Acer AL 1912). Dieser hatte auf dem Display einen störenden hellen Fleck, weswegen Nordemann Garantieaustausch verlangte. Prompt erhielt er vom Hersteller Acer einen neuen Bildschirm, der aber zu seinem grossen Ärger einen noch gravierenderen Mangel hatte: einen auffälligen roten Fleck, einen so genannten Pixelfehler. Nordemann reklamierte erneut bei Acer, stiess nun aber auf ta...
Michael Nordemann kaufte im November 2004 bei Steg Computer in Basel einen PC mit einem 19"-Flachbildschirm (Modell Acer AL 1912). Dieser hatte auf dem Display einen störenden hellen Fleck, weswegen Nordemann Garantieaustausch verlangte. Prompt erhielt er vom Hersteller Acer einen neuen Bildschirm, der aber zu seinem grossen Ärger einen noch gravierenderen Mangel hatte: einen auffälligen roten Fleck, einen so genannten Pixelfehler. Nordemann reklamierte erneut bei Acer, stiess nun aber auf taube Ohren. Der Mann vom Kundenservice beschied ihm, er könne diesmal keinen Garantieanspruch geltend machen. Der Pixelfehler befinde sich nämlich nicht in der Mitte, sondern am Rande des Bildschirms - und dafür werde die Haftung ausgeschlossen. Tatsächlich sind im Kleingedruckten der Garantiebestimmungen gewisse Mängel wie etwa vier Pixelfehler pro eine Million Bildpunkte ausgeklammert.
Rechtlich steht Acer ein solches Vorgehen durchaus zu. Allerdings ist dabei nicht alles erlaubt. Die Garantieeinschränkung muss branchenüblich sein. Mit Blick auf das vorliegende Beispiel fragt es sich deshalb, ob Käuferinnen und Käufer prinzipiell mit einer gewissen Zahl von Pixelfehlern rechnen müssen.
Eine Umfrage in der Branche zeigt: Auch die anderen Anbieter von Flachbildschirmen haben ähnliche Klauseln. «Nach dem heutigen Stand der Produktionstechnik kann kein Hersteller einen absolut fehlerfreien Bildschirm garantieren», erklärt Fujitsu-Siemens-Sprecherin Jacqueline Schleier. Das aber kann Michael Nordemann nicht beschwichtigen: «Als Käufer fühle ich mich verschaukelt, denn mit solchen Garantieeinschränkungen verkauft eine ganze Branche absichtlich Ausschuss.»
Die Folgen sind für Konsumenten tatsächlich sehr unangenehm: Rund 10 Prozent der Käufer müssen mit ein paar hellen oder dunklen Flecken auf ihrem Bildschirm rechnen und diese laut Garantiebestimmungen auch akzeptieren. Roland Marbacher vom Samsung-Importeur Sedico-IT räumt denn auch ein, dass sich bereits ein einziger Pixelfehler sehr störend auswirken kann. «Wer ihn einmal entdeckt hat, der ärgert sich permanent darüber.» Deshalb sei man bei Reklamationen kulant: Ab vier Fehlern (Pixel- und Subpixelfehler zusammengerechnet) ersetzt Samsung den Bildschirm.
«Bei Pixelfehlern in der Mitte des Bildschirms sind wir sogar grosszügiger und geben beim geringsten Fehler ein neues Gerät», sagt Thomas Berli, Produktverantwortlicher bei Acer. Pixelfehler am Rande hingegen seien weniger störend, und deshalb mute man dort dem Nutzer bis zu vier Pixel- und fünf Subpixelfehler zu.
Zu spät und rechtlich nicht zulässig
Sollte sich Acer weiterhin weigern, dem Käufer den mangelhaften Bildschirm zu ersetzen, so kann Nordemann die Gültigkeit der Garantieeinschränkungen auch direkt beim Verkäufer anfechten. Nordemann konnte die Garantiebestimmungen nämlich erst zu Hause lesen, als er den Bildschirm ausgepackt hatte. Sie befanden sich in der Verpackung. Das ist nach Ansicht des Rechtsprofessors Heinrich Honsell von der Uni Zürich zu spät und rechtlich daher nicht verbindlich: «Der Verkäufer kann sich nur dann auf die spezifischen Abmachungen berufen, wenn er vor dem Verkauf auf diese hingewiesen hat, wobei die Garantiebestimmungen für den Käufer einsehbar sein müssen.»
Der Käufer hat Anrecht auf Ersatz
Das war bei diesem Verkauf nicht der Fall. Auf der Quittung des Verkäufers, der Steg Computer in Basel, stand lediglich: «3 Jahre On-Site- Garantie; die Abwicklung erfolgt über Acer Computer Schweiz». Zudem kann der Verkäufer die Haftung, zu der auch die Gewährleistung der Garantie gehört, nicht einfach so an den Lieferanten delegieren. «Die einschränkenden Garantiebestimmungen von Acer sind im vorliegenden Falle nicht Bestandteil des Kaufvertrags zwischen Steg Computer und Nordemann», spricht die Rechtsexpertin Doris Slongo Klartext.
Es gilt folglich: Der Käufer hat volle Garantie, auch bei Fehlern am Rande des Bildschirms. Nordemann steht demnach ohne Wenn und Aber ein vollwertiger Ersatz zu - oder er kann das Geld direkt vom Verkäufer Steg Computer zurückverlangen oder mit ihm zumindest eine Preisreduktion aushandeln.
Übrigens: Nach der Intervention des K-Tipp gibt es für Michael Nordemann doch noch ein Happyend: Er erhält drei Monate nach dem eigentlichen Kauf von Acer einen neuen Flachbildschirm - diesmal ohne einen einzigen Pixelfehler.
Die meisten Garantiebestimmungen sind schlechter als das Gesetz
Garantieausschlüsse sind zwar grundsätzlich legal. Sie gelten aber nur, wenn der Käufer korrekt und rechtzeitig (vor oder spätestens beim Kauf) informiert wird.
Es ist durchaus üblich, dass die Hersteller in den Garantiebestimmungen gewisse Mängel ausschliessen und die Rechte des Kunden, wie sie im Obligationenrecht (Artikel 197 bis 210) festgelegt sind, einschränken:
- Frist: Häufig wird die auf ein Jahr laufende Garantiefrist verkürzt, zum Beispiel auf drei oder sechs Monate.
- Umtausch: Das Recht auf Umtausch von mangelhafter Ware (Ersatzleistung), Preisreduktion (Minderung) oder Geldrückgabe (Wandelung) wird oft geschmälert. Stattdessen legen die Garantiebestimmungen fest: «Sie haben Anspruch auf kostenlose Reparatur. Das Recht auf Wandelung (Rücktritt vom Vertrag) oder Minderung (Preisreduktion) wird damit ausgeschlossen.»
- Umfang: Oft wird die Garantie nur auf Ersatzmaterial, nicht aber auf Arbeit gewährt, sodass nach der Reparatur teure Rechnungen ins Haus flattern. Weit verbreitet ist auch die Praxis, keine Garantie auf gewisse Teile wie Akkus, Fernbedienungen und häufige Fehler zu gewähren.
- Zeitpunkt: Die Praxis - etwa von Interdiscount -, Garantiebestimmungen in einem Couvert erst nach dem Kauf samt Kassenzettel nachzuschieben, ist ungültig, ebenso Bestimmungen, die erst zu Hause gelesen werden können, wie auch der blosse Hinweis im Laden, die Geschäftsbedingungen seien im Web nachzulesen.
- Recht auf Ersatz: Garantieeinschränkungen werden hinfällig, wenn der Verkäufer den Mangel eines Geräts arglistig verschweigt oder wenn mehrere Reparaturen fehlschlagen. Werden die spezifischen Garantieeinschränkungen ungültig resp. der spezifisch ausgehandelte Kaufvertrag gebrochen, gelten Artikel des OR. Der Käufer hat demzufolge ein Jahr Garantie, und zwar aufs ganze Gerät. Bei Mängeln hat er Anrecht auf ein vollwertiges Ersatzgerät, eine Preisminderung oder die Rückerstattung des Kaufpreises.
Wichtig: Falls ein neues Gerät nicht tadellos funktioniert: Reklamieren Sie sofort! Bringen Sie das Gerät umgehend ins Geschäft zurück. Falls das nicht möglich ist, etwa bei einer schweren Kühltruhe: Schicken Sie unverzüglich eingeschrieben eine Mängelrüge und Ihre Forderung.
Falls Sie sich bereits beim Kauf an den Garantiebestimmungen stören: Verlangen Sie, dass der Verkäufer jene Bestimmungen streicht, die Ihre gesetzlichen Ansprüche unterschreiten. Tut er das nicht, so sehen Sie vom Kauf ab.