Der gebeutelte Geschmack
Wer Fertigsuppen konsumiert, erliegt einer Sinnestäuschung. Denn: Künstliche Aromen und Geschmacksverstärker im Suppenpulver täuschen Gaumenkitzel vor, wo Fadheit herrscht.
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K-Tipp 2/2005
26.01.2005
Bennie Koprio - bkoprio@ktipp.ch
Um eine Hühnersuppe zuzubereiten, benötigt ein Koch vor allem eins - ein Huhn. Nicht so der Lebensmitteltechnologe, der ein Beutelpulver zusammenmixt: Er nimmt für einen Liter Suppe zwei Gramm eines Granulats, das im Jargon Trockenhuhn heisst. Dies entspreche gerade mal sieben Gramm Fleisch eines echten Federviehs, so der Ernährungsspezialist Hans-Ulrich Grimm. «Damit kann kein Koch der Welt Hühnergeschmack in vier Teller Suppe zaubern», schreibt Grimm im K-Tipp-Spezial «Essen und Trinke...
Um eine Hühnersuppe zuzubereiten, benötigt ein Koch vor allem eins - ein Huhn. Nicht so der Lebensmitteltechnologe, der ein Beutelpulver zusammenmixt: Er nimmt für einen Liter Suppe zwei Gramm eines Granulats, das im Jargon Trockenhuhn heisst. Dies entspreche gerade mal sieben Gramm Fleisch eines echten Federviehs, so der Ernährungsspezialist Hans-Ulrich Grimm. «Damit kann kein Koch der Welt Hühnergeschmack in vier Teller Suppe zaubern», schreibt Grimm im K-Tipp-Spezial «Essen und Trinken».
Das kann nur der Lebensmittelchemiker - und auch er nur mit einem weiteren Trick: Er fügt zusätzlich ein Gramm synthetisches Aroma bei. Auch mit Geschmacksverstärkern kann er nachhelfen. Das ergibt zwar keine echte Hühnersuppe. «Dank Aroma ist das Geschmackserlebnis aber dennoch möglich - als Illusion», so Grimm.
Die Sinnestäuschung verkauft sich gut: Im letzten Jahr gaben Herr und Frau Schweizer 78,3 Millionen Franken für Fertigsuppen aus. «Wir stellen fest», sagt Heinz Knieriemen, Dozent für Ernährungsheilkunde, «dass selbst Frauen zunehmend zum Beutel greifen, weil sie nicht mehr in der Lage sind, etwas frisch zuzubereiten. Convenience - Bequemlichkeit - ist in weiten Bereichen der Ernährung zum Trend der Zeit geworden.»
Dies, obwohl man längst erkannt hat: Künstlich aufgepeppte Nahrung ist nicht unbedenklich für die Gesundheit. «Geschmacksverstärker können Allergien und Migräne auslösen, das zeigen unsere Erfahrungen», sagt Knieriemen, der sich seit Jahren kritisch mit Zusatzstoffen auseinander setzt*. Bei empfindlichen Menschen führten bereits geringste Mengen zu Kopfwehattacken, Asthma und Hautkrankheiten.
Künstliche Aromen machen dick
Aromen und Geschmacksverstärker können zudem dick machen, denn sie führen den Körper in die Irre, wie der Regensburger Sinnesphysiologe Jürgen Boeckh an einem Beispiel aufzeigt. «Wenn Geschmacksstoffe Rind signalisieren, wird das Hirn alarmiert, dann werden die Verdauungsdrüsen aktiviert, die das ganze System darauf vorbereiten, Rind zu verarbeiten.» Kommt nun kein Rind, «läuft der Apparat leer». Die Folge: Der Mensch bekommt Hunger und isst weiter.
Für Ernährungsspezialist Heinz Knieriemen birgt Design Food zudem die Gefahr, die gesamte Esskultur zu degenerieren: «Die Geschmacksnerven werden fixiert auf das, was die Industrie uns vorkocht.» Die Leute wissen nicht mehr, wie frisch zubereitete Speisen schmecken, und halten den industriell hergestellten Einheitsgeschmack für echt. Mit der Folge, dass gerade jungen Menschen etwa Beutelsuppen oft besser schmecken als jene, die auch ungeübte Köche in einer Viertelstunde aus frischen Zutaten zubereiten können.
*Ratgeber «E-Nummern», zu bestellen auf Seite 24 oder unter www.ktipp.ch
Vernichtendes Urteil
Kassensturz hat zur Degustation von Steinpilzsuppen und Minestrone aus dem Beutel geladen. Das Resultat ist niederschmetternd.
Ob die Steinpilzsuppe nun von Migros oder Maggi, von Knorr oder Oswald stammte; ob der Liter nur Fr. 1.60 oder bis zu Fr. 2.65 kostete, für die Jury machte es keinen Unterschied: Die getesteten Steinpilzsuppen aus dem Beutel waren alle schlecht. «Hätten wir den Test blind durchgeführt, wir hätten nicht einmal herausgefunden, was wir degustieren», resümiert Tester Patrick Zbinden, Gastro-Journalist und ausgebildeter Sensoriker.
Zbinden und drei weitere Fachleute - alle drei Top-Köche mit Spezialgebiet Suppen - beurteilten sechs Minestrone und vier Steinpilzsuppen. Die Kriterien: Aussehen, Geruch, Konsistenz und Geschmack. Wobei von Anfang an klar war: Suppen aus dem Beutel lassen sich nicht mit einer frisch zubereiteten vergleichen.
Weniger vernichtend als bei den Steinpilzsuppen war das Urteil über die degustierten Minestrone. Positiv fiel das Produkt von Maggi zum Preis von Fr. 1.90 auf. Eine ehrliche Beutelsuppe, befanden die Tester. «Man schmeckt keine Geschmacksverstärker», so Zbinden. Zudem gefiel die Thymian-Provençale-Würze. Den zweiten Platz teilten sich Knorr (Fr. 2.-) und Migros (Fr. 1.60).
Unbefriedigend beurteilten die Tester die Suppe von Oswald (Fr. 3.20 bei Globus). Auch das Produkt «Nature Compagnie», für 4 Franken pro Liter im Bioladen erhältlich, schnitt schlecht ab, ebenso die Teuerste im Test, die Minestrone von Hausmann. Kassensturz hatte den edlen Beutel mit dem dürftigen Inhalt zum Preis von Fr. 6.50 pro Liter bei Globus erstanden. «Fad und farblos», lautete das vernichtende Urteil.