Der heimliche Griff ins Portemonnaie der Fondsanleger
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K-Geld 3/2001
01.06.2001
Manche Fondsgesellschaften melken ihre Kunden, ohne dass diese davon wissen. Mit einem einfachen Trick: Sie weisen nur einen Teil der Gebühren aus.
Stellen Sie sich vor: Sie stecken 50000 Franken in einen Aktienfonds. Die Aktienkurse steigen in einem Jahr um 6 Prozent an. Und so ginge es zehn nette Börsenjahre einfach weiter. Wenn Sie glauben, Ihre Fondsanteile seien dann 89542 Franken wert, irren Sie sich gewaltig. Denn Bank und Fondsgesellschaft zweigen im Lauf der Jah...
Manche Fondsgesellschaften melken ihre Kunden, ohne dass diese davon wissen. Mit einem einfachen Trick: Sie weisen nur einen Teil der Gebühren aus.
Stellen Sie sich vor: Sie stecken 50000 Franken in einen Aktienfonds. Die Aktienkurse steigen in einem Jahr um 6 Prozent an. Und so ginge es zehn nette Börsenjahre einfach weiter. Wenn Sie glauben, Ihre Fondsanteile seien dann 89542 Franken wert, irren Sie sich gewaltig. Denn Bank und Fondsgesellschaft zweigen im Lauf der Jahre Gebühren ab. Und die zahlen Sie als Anleger: Zuerst einmal einen Ausgabeaufschlag von beispielsweise 2 Prozent und dann noch eine jährliche Management Fee von 1 Prozent.
Wenn Sie nun damit rechnen, Ihr Fonds sei nach zehn Jahren 79815 Franken wert, irren Sie sich gleich noch einmal. Denn Ihre Fondsgesellschaft weist im Prospekt nur einen Teil der Gebühren aus. Denn alles in allem liegen die laufenden Gebühren 40 Prozent über der ausgewiesenen Management Fee. Dies lässt Ihren Gewinn auf 76826 Franken schmelzen.
Fazit nach zehn Jahren: Sie haben unter dem Strich 26826 Franken verdient, Bank und Fondsgesellschaft immerhin 12716 Franken. Und das Risiko? Das lag ganz allein bei Ihnen.
Solange die Aktienkurse in die Höhe schossen, interessierte sich kaum jemand für die Kosten der Fonds. Doch nach einem Jahr Baisse reiben sich viele ernüchtert die Augen. Fondsanleger fragen sich verwundert, warum Banken und Fondsgesellschaften noch immer gleich viel kassieren wie in den Hausse-Jahren, sie selber aber viel Geld verloren haben.
Die meisten Fondsanleger wissen allerdings gar nicht, wie viel Fondsgebühren sie Jahr für Jahr bezahlen. Ein unhaltbarer Zustand. «Für die Konsumenten ist das Total der Gebühren wichtig. Denn nur so können sie ihren Anlageentscheid in Kenntnis aller Kosten treffen», sagt der Fondsexperte Paul Moulton. Er ist Gründer der Londoner Fondsresearch- und Consultingfirma Fitzrovia International, die seit 1999 vierteljährlich die Gebühren von Fonds in neun europäischen Ländern untersucht. Diese jährlichen Gesamtkosten weist sie als Total Expense Ratio aus, kurz TER genannt.
Das überraschende Resultat: Die Verwaltungsgebühr - gewöhnlich als Management Fee im Fondsprospekt ausgewiesen - hat nur bedingt Aussagekraft. Denn die TER liegt in der Schweiz rund 28 Prozent höher. Dies ist aber nur ein Durchschnittswert. Denn jede Fondsgesellschaft berechnet und verrechnet anders. Fünf Beispiele: Bei der UBS sind die effektiven Kosten nur knappe 3 Prozent höher als ausgewiesen, bei der CS 8 Prozent, bei der Swissca 11 Prozent, bei Fleming 34 Prozent, bei Sarasin gar 65 Prozent.
Es ginge auch anders, wie die USA beispielhaft vormachen. Dort müssen Fondsgesellschaften das Total der Gebühren offen und für den Durchschnittskonsumenten verständlich angeben. Zudem sind sie verpflichtet, im Prospekt genau darzulegen, welche Auswirkungen die Gebühren auf den Anlageerfolg haben. Während in den USA die Gebühren für Aktienfonds bei 0,98 Prozent liegen, belaufen sie sich in Europa auf 1,46 Prozent. In der Schweiz liegen die Gebühren ein Drittel über dem US-Durchschnitt bei 1,31 Prozent.
Auch in der Schweiz gibt es positive Beispiele. Die UBS, die mit Abstand grösste Fondsanbieterin auf dem Schweizer Markt, arbeitet mit einer verbindlich zugesicherten All-in-Fee. Die UBS garantiert, dass die Gebühren die ausgewiesene All-in-Fee nicht übersteigen werden.
Dass weniger Transparenz zu höheren Kosten führt, beweisen die amerikanischen Fondsgesellschaften - und zwar in Europa, wo die strikten US-Regeln ausser Kraft gesetzt sind. Hier verlangen sie für die gleichen Fonds ungleich höhere Spesen als auf dem Heimmarkt. So zählen die in Amerika günstigen US-Fonds in der Schweiz zu den Gebührenfressern. Gemäss den Erhebungen von Fitzrovia verlangen sie in der Schweiz durchschnittlich über 75 Prozent höhere Spesen als in den USA.
Für Rolf Zürcher von der niederländischen Robeco, einem der grössten und punkto Spesen günstigsten Fondshäuser Europas, ist das «Raub am helllichten Tag». Experten wie Max Bolanz vom VZ VermögensZentrum sind überzeugt, dass nur ein Mittel gegen überhöhte Gebühren hilft: «Druck von Investoren und Öffentlichkeit.» Bolanz weiter: «Gesellschaften, die sich gegen mehr Transparenz sträuben, werden über kurz oder lang ein Problem bekommen.»
Auch Preisüberwacher Werner Marti fordert, dass alle Kosten offen und klar deklariert werden. An sich eine Selbstverständlichkeit, denn «Wettbewerb kann nur funktionieren, wenn Transparenz besteht und die Preise vergleichbar sind». Einen Schritt hat die Swiss Fund Association (SFA) jetzt getan. Auf Anfang 2002 verpflichtet der Branchenverband alle in der Schweiz tätigen Fondsgesellschaften zu mehr Transparenz. «Alle verrechneten Kosten müssen für den Konsumenten einfach und verständlich dargelegt werden», sagt SFA-Geschäftsführer Max Baumann.
Ein positiver Schritt, dem weitere folgen sollten, meint Matthäus Den Otter von der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK). Denn die neuen SFA-Regeln sind punkto Transparenz nicht annähernd so strikt wie der US-Standard. Trotzdem sei es falsch, Fonds als «Black Boxes» anzusehen. Im Vergleich zu Beteiligungsgesellschaften «ist die Kostentransparenz der Fonds an sich gross», sagt Fondsspezialist Den Otter.
Allen Experten ist klar: Die heutige Regelung ist unbefriedigend. Gemäss Schweizer Fondsgesetz muss das Fondsreglement nur «die Art und die Berechnung aller Vergütungen an die Fondsleitung und an die Depotbank umschreiben». Die Fondsgesellschaften halten sich dem Buchstaben nach an diese Regelung. Sie verteilen ihre Zahlen im Jahresbericht so geschickt, dass man sie erst mühsam zusammensuchen muss. Weil zudem oft unterschiedliche Begriffe verwendet werden, ist es für Fondsanleger schwierig, konkrete Gebührenvergleiche anzustellen.
Die Fleissarbeit, die Fondskosten zu vergleichen, macht die Fitzrovia. Und weist nach, dass die Gebührenunterschiede zwischen den einzelnen Fondshäusern beträchtlich sind. Einzelne langen kräftig zu, am kräftigsten die Banque Syz, bei der Anleger bei aktiv gemanagten Aktienfonds Jahr für Jahr durchschnittlich 3,23 Prozent, bei Obligationenfonds 1,79 Prozent Gebühren zahlen. Zum Vergleich: State Street berechnet nur 0,91 Prozent Spesen für vergleichbare Aktienfonds, die Kredietbank Luxembourg nur 0,61 Prozent für vergleichbare Oblifonds.
Die massive Differenz bei den Gebühren wirkt sich auf die Performance aus. Wer 20000 Franken in einen Banque-Syz-Aktienfonds legt, zahlt in nur zehn Jahren sage und schreibe 5155 Franken mehr Spesen als bei State Street.
Immerhin zeigen die Fitzrovia-Zahlen, dass sich die grossen Schweizer Fondsgesellschaften anständig verhalten. Unter den Top Ten bei den in der Schweiz zugelassenen aktiv gemanagten Aktienfonds findet man vier Schweizer: die Swissca (4.), Zürich Investments (6.), die Raiffeisen Bank (8.) und Banca della Svizzera Italiana (9.). Bei den Oblifonds siehts noch rosiger aus: Swissca (2.), Banca della Svizzera Italiana (5.) und UBS (10.).
Die Durchschnittswerte für die einzelnen Fondshäuser täuschen darüber hinweg, dass man für verschiedene Fondsarten unterschiedlich hohe Gebühren zahlt. Oblifonds sind günstiger. Sie verschlingen in der Regel weniger als 1 Prozent Gebühren. Aktienfonds sind dagegen durchwegs teurer, besonders hohe Spesen belasten die Branchenfonds.
Der Zürcher Fondsspezialist Fondvest benützt die Total Expense Ratio schon bei der Fondsauswahl. Beat Hess: «Jenes Drittel, das bei einem Fondstyp die höchsten Gebühren verrechnet, empfehlen wir normalerweise nicht.» Das habe einen klaren Grund: «Untersuchungen zeigen, dass Fonds mit höheren Gebühren nicht automatisch eine bessere Performance aufweisen.» Ausserdem rät Hess den Kleinanlegern, «keine Fonds mit weniger als 100 Millionen Franken Fondsvermögen zu kaufen». Denn je kleiner das Fondsvermögen, desto höher sind tendenziell die Spesen. Bei Fonds über 100 Millionen Franken Vermögen sinkt die TER mit steigendem Fondsvolumen nur noch marginal.
Dass die hohen Gebühren auf die Rendite durchschlagen, weiss natürlich auch VZ-Gründer Max Bolanz. Er warnt aber davor, bei der Fondswahl ausschliesslich die Gebühren zu berücksichtigen: «Bei unseren Fondsvergleichen sehen wir uns immer die Netto-Performance an. Hier zeigt sich nämlich, ob die hohen Kosten gerechtfertigt sind.»
Martin Metterli
Die zwei Arten von Fondskosten
Bei Fonds zahlen Anleger doppelt: einmalige Kosten beim Kauf und laufende Kosten, die bei jeder Inventarrechnung vom Fondsvermögen abgezogen werden.
- Einmalige Kosten: Die Gebühren für Kauf und Verkauf, der so genannte Ausgabeaufschlag, variiert beträchtlich. Die Höhe hängt von der Fondsgesellschaft, dem Vertriebspartner und der Art des Fonds ab. Für den Anleger gilt: Je niedriger, desto besser. Faustregel: Ausgabekommissionen von über 3 Prozent sollten nicht bezahlt werden.
- Laufende Kosten: Zur Total Expense Ratio (TER) zählen das Verwaltungshonorar (Management Fee), die Depotbankgebühr und weitere Kosten für Revision, Publikation, Beratung. Nicht ausgewiesen werden - wie international üblich - die Transaktionskosten. Den Otter: «Die Kosten fallen immer an, der Wertzuwachs eines Fonds hängt aber von den Launen der Kapitalmärkte ab.»