Der Kaschmir-Bschiss
Bettwaren aus Wolle sind besonders teuer, wenn sie Kaschmir enthalten. Doch das edle Haar ist nicht überall zu finden, wo es angeblich drin ist.
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K-Tipp 20/2003
26.11.2003
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Wenn Verkäufer von Bettwaren aus Wolle auf das Haar der Kaschmirziege zu sprechen kommen, gibt es kein Halten mehr. Kaschmirwolle habe einzigartige Eigenschaften; eine Bettdecke oder ein Kissen aus Wolle mit Kaschmiranteil sei zum Schlafen das Beste vom Besten.
Auch Margrith Saxer aus Kaiseraugst AG bekam auf einer Werbefahrt solche Schwärmereien zu hören. Sie liess sich blenden und kaufte ein Kopfkissen, zwei Oberbetten sowie zwei Unterbetten für insgesamt 2290 Franken. Gemä...
Wenn Verkäufer von Bettwaren aus Wolle auf das Haar der Kaschmirziege zu sprechen kommen, gibt es kein Halten mehr. Kaschmirwolle habe einzigartige Eigenschaften; eine Bettdecke oder ein Kissen aus Wolle mit Kaschmiranteil sei zum Schlafen das Beste vom Besten.
Auch Margrith Saxer aus Kaiseraugst AG bekam auf einer Werbefahrt solche Schwärmereien zu hören. Sie liess sich blenden und kaufte ein Kopfkissen, zwei Oberbetten sowie zwei Unterbetten für insgesamt 2290 Franken. Gemäss Rechnung besteht dieses «Traumbett»-Set aus «Merino mit Kaschmir».
Keine Spur von Kaschmir...
Stutzig wurde die Käuferin, als sie entdeckte, dass der Kisseninhalt aus Schaumstoff besteht. Deshalb schickte sie das Kissen ans Textillabor Testex in Zürich. Befund: Die Bettwaren enthalten zwar 100 Prozent Wolle - aber keine Spur von Kaschmir.
Verkäuferin der falsch deklarierten Ware ist die Firma Happy Tours aus Bazenheid SG. Geschäftsführer Hans-Rudolf Bodenmann schreibt, das beauftragte Labor habe wohl per Zufall eine Stelle ohne Kaschmiranteil erwischt. Und er habe Prüfergebnisse vorliegen, die Kaschmir nachgewiesen hätten. Deshalb erhalte die Käuferin Saxer ihr Geld nicht zurück.
Das ist dreist. Denn bei einem Nachtest des «Traumbetts» kommt das Testex-Labor zum gleichen Schluss: «Kaschmirfasern wurden in allen untersuchten Proben nicht gefunden» - auch nicht in Ober- oder Unterbett.
«Solche Schlawiner machen unser Gewerbe kaputt», klagt Peter Schneider aus Gerlafingen SO, dessen Firma «Ovis 3» ebenfalls Wollbetten mit Kaschmiranteil verkauft. Und Peter Ming von der gleichnamigen Naturwollprodukte-Firma in Giswil OW weiss: «Der Verzicht auf die teure Kaschmirwolle kann die Herstellungskosten um bis zu 30 Prozent senken.»
Den genau gleichen Bschiss macht die Firma Vital-Line AG aus Wallisellen ZH. Sie lockt unter dem Namen «Promotion-Team» angebliche Wettbewerbsgewinner an Preisübergabe-Veranstaltungen - und dort werden auch Wollbetten verkauft. «Kaschmir de Luxe» steht gross auf den Banderolen an den entsprechenden Kissen und Bettdecken.
Doch auch das stimmt nicht. Testex hat ein Kissen untersucht und kein Kaschmir gefunden.
Vital-Line-Kadermitglied Thomas Kruse bestätigt den Befund indirekt. Er habe Probleme mit dem Lieferanten gehabt und «vor gut drei Wochen» die Geschäftsbeziehungen abgebrochen.
...und nicht einmal reine Wolle
Seltsam nur: Noch am 5. November hat die Vital-Line AG einer Kundin schriftlich bestätigt, «dass in unseren Kaschmirprodukten ein Kaschmiranteil von 18 bis 24 Prozent vorhanden» sei.
Auffällig ist auch: An den Innenkissen von Vital-Line hängt ein Etikett, das die Ware als «Öko-Tex-Standard-100»-geprüft ausweist. Doch ein entscheidender Hinweis fehlt: Zertifikatsnummer und Namen des Prüfinstituts sind offensichtlich abgeschnitten. Vital-Line weist den Vorwurf des Betrugs zurück, die Ware werde so angeliefert.
Woll-Bettwaren werden übrigens auch an der Haustür verkauft. Der K-Tipp weiss von einem Beispiel aus dem Raum Zürich, das gemäss Banderole Kaschmir enthält. Doch auch in diesem Fall ist die Angabe falsch. Mehr noch: Die Decke besteht nicht einmal zu 100 Prozent aus reiner Wolle, sondern überwiegend aus Kunststofffasern.