Der Verlierer hat gesiegt
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K-Tipp 8/2002
17.04.2002
Garantie-Versand: Kunde erhält keinen «Gewinn» - darf sich aber trotzdem freuen
Hansjakob Lehmann hat vor Bundesgericht 50 000 Franken eingeklagt, die ihm der Garantie-Versand versprochen hatte. Nur formale Fehler verhinderten seinen Triumph.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Aus Konsumentensicht ist das Urteil eine kleine Sensation: Das Bundesgericht hat zwar einen einzelnen Bürger aus formalen Gründen abblitzen lassen. Gleichzeitig heisst e...
Garantie-Versand: Kunde erhält keinen «Gewinn» - darf sich aber trotzdem freuen
Hansjakob Lehmann hat vor Bundesgericht 50 000 Franken eingeklagt, die ihm der Garantie-Versand versprochen hatte. Nur formale Fehler verhinderten seinen Triumph.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Aus Konsumentensicht ist das Urteil eine kleine Sensation: Das Bundesgericht hat zwar einen einzelnen Bürger aus formalen Gründen abblitzen lassen. Gleichzeitig heisst es aber im Urteil - salopp übersetzt: Wenn du alles richtig gemacht hättest, hätten wir dir Recht geben müssen.
Strittig war, ob der Garantie-Versand seinem Kunden 50 000 Franken auszahlen musste. In einem Werbeschreiben hatte der Garantie-Versand den Empfängern den Eindruck vermittelt, sie hätten einen Bargewinn in dieser Höhe quasi auf sicher.
Lehmanns Fehler: Er hatte keinen Anwalt
Vor Bezirksgericht Kreuzlingen hatte Lehmann noch obsiegt (K-Tipp 19/00). Beim Thurgauer Obergericht erlitt er dann allerdings Schiffbruch. Wie jetzt auch vor Bundesgericht.
Grund: Lehmann war ohne Anwalt nach Lausanne gegangen. Das war ein fataler Fehler, denn Laien sind in solchen Angelegenheiten hoffnungslos überfordert.
So musste denn das Bundesgericht lapidar festhalten: «Die blosse Bemerkung, der Garantie-Versand habe das Gesetz umgangen und gegen das Lotteriegesetz verstossen, vermag den Anforderungen an eine Begründung nicht zu genügen.»
«Es ist ja nicht so, dass ich mir einen Anwalt nicht hätte leisten können», betont Lehmann. «Aber ich wollte das als Bürger hautnah durchziehen. Die Richter hätten mir das nachsehen müssen.»
Mussten sie aber nicht. Das Bundesgericht schreibt, es könne die Anforderungen nicht weniger streng handhaben, «wenn ein Bürger keinen Anwalt beizieht».
Lehmann musste auf diesem Weg schmerzhaft erfahren, dass Recht haben das Eine ist, Recht zu bekommen hingegen teuer werden kann.
Denn im Grunde hatte Lehmann Recht. Auch das haben ihm die Richter schriftlich gegeben. In den Erläuterungen zur Verteilung der Gerichtskosten steht: «Da der Kläger nach Treu und Glauben schliessen durfte, er habe den ersten Preis erzielt, sofern er eine Ware bestelle - was er getan hat -, wäre die Berufung bei Erfüllung der formellen Voraussetzungen mit grosser Wahrscheinlichkeit gutzuheissen gewesen.»
Mit anderen Worten: Ein guter Anwalt hätte die 50 000 Franken für ihn erkämpfen können.
Besonders bitter: Lehmann kann jetzt nicht wieder von vorne anfangen. Ist in einer Sache mal materiell entschieden, können Betroffene ihr Verfahren im Prinzip nicht noch einmal aufrollen.
Und die anderen Empfänger des scheinbar sicheren Gewinnes? Der K-Tipp kann niemandem empfehlen, jetzt ebenfalls zu klagen. Der Garantie-Versand ist seit längerer Zeit nicht mehr aktiv. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Verantwortlichen dafür gesorgt haben, dass dort kein Geld mehr zu holen ist.
Konsumentenschützer fordern Richtlinien
Reagieren müssen hingegen all die dubiosen Versandhäuser, die nach wie vor mit leeren Gewinnversprechen unbedarfte Empfänger zu Bestellungen verleiten. Wenn sie ihre Versprechen weiterhin so formulieren, dass ein gemäss Bundesgericht «durchschnittlich aufmerksamer Verbraucher» meint, er habe gewonnen - dann könnte es eines Tages so weit kommen, dass ein Versandhaus den Gewinn auch effektiv auszahlen muss.
Derweil fordert die Stiftung für Konsumentenschutz bessere gesetzliche Grundlagen, um solchen Firmen das Handwerk zu legen.
Illegale Werbemethoden - Garantie-Versand-Chef Jürgen Volker Ern verurteilt
Nach dem Fall Lehmann musste sich das Bundesgericht auch mit der Strafklage gegen den Garantie-Versand und die Verantwortlichen befassen.
Wie bereits das Thurgauer Obergericht haben nun auch die höchsten Richter die aggressiven Werbemethoden des Garantie-Versandes als illegal eingestuft: Sie bestätigten die Verurteilung des Verwaltungsratspräsidenten Jürgen Volker Ern zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zehn Wochen sowie zu einer Busse von 50 000 Franken. Tatbestand: unlauterer Wettbewerb und Widerhandlung gegen das Lotteriegesetz.
Der Thurgauer Staatsanwalt Felix Gerber sagt, beim Kantonalen Untersuchungsrichteramt werde jetzt das zweite Paket mit den nach Mitte August 1999 eingegangenen Anzeigen gegen den Garantie-Versand geschnürt. Mit der Anklage sei bis Ende Jahr zu rechnen.