Ein Bio-Bauer aus dem Kanton Thurgau wundert sich, als er vom K-Tipp erfährt, unter welchen Namen seine Eier verkauft werden: «Züri-Eier? Noch nie gehört!» Ihm war nicht bekannt, dass Coop seine Eier in Zürich als «Züri-Eier» anbietet. «Ich verkaufe meine Eier an einen Zwischenhändler. Wie sie im Laden präsentiert werden, weiss ich nicht.» Auch Bio-Bauer Hans-Ulrich Müller aus Bibern SO sagt: «Wir bekommen von den Grossverteilern keinen zusätzlichen Rappen für ‹regionales› Gemüse.
Bauern haben keinen Einfluss darauf, wie die Händler ihr Gemüse vermarkten.» Die Grossverteiler verkaufen immer mehr Produkte, die sie als «regional» bewerben. 2023 wurden laut dem Verein Schweizer Regionalprodukte solche Produkte im Umfang von 1,8 Milliarden Franken abgesetzt, 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Migros vermarktet sie unter dem Label «Aus der Region – für die Region», Coop unter der Bezeichnung «Miini Region». Die Migros schreibt dazu im Internet: «Bei uns erhältst du lokale Produkte, die seit Jahrzehnten von traditionellen Schweizer Familienbetrieben hergestellt werden.»
Region Zürich reicht bis ins Bündnerland
Ein kleiner Teil der Regionalprodukte in Grossverteilern sind tatsächlich Spezialitäten von Familienbetrieben: etwa Kräutertee, Apfelringe oder Sirup. Doch besonders die Migros vermarktet auch viel Massenware «aus der Region», darunter Gemüse von einigen der grössten Schweizer Produzenten wie Rathgeb aus Unterstammheim ZH. Und Coop definiert die Regionen sehr grosszügig.
So legen die Produkte bis in die Läden teilweise sehr weite Strecken zurück. Der Grossverteiler vermarktet in Zürich unter «Miini Region» Eier aus den Kantonen Thurgau und Zug oder Bündner Rahmkäse, verarbeitet in Rüdtligen BE. Auch die Napf-Bergmilch aus Hergiswil LU oder die Entlebucher Kräuter gelten im Coop Zürich als regional. Die als regional gekennzeichneten Produkte sind teurer als vergleichbare Schweizer Produkte ohne Regio-Zeichen. Das zeigte eine Stichprobe in Läden in Zürich Ende Mai:
- Migros: Zehn «Züribieter» IP-Suisse-Eier kosteten in der Migros Fr. 6.30, die gleiche Menge Schweizer IP-Eier ohne Regionallabel aber nur Fr. 4.95.
- Coop: Verkauft sechs «Züri»-Bio-Eier für Fr. 5.95, sechs normale Schweizer Bio-Eier kosten Fr. 5.30.
- Lidl: Verlangt für sechs «Züribieter» IP-Eier Fr. 3.29, für sechs normale Schweizer IP-Eier nur Fr. 2.97.
Coop bezahlt Eierproduzenten keinen besseren Preis für das Regionallabel. Lidl gab dem K-Tipp zu den Einkaufspreisen keine Auskunft. Bei der Migros haben Bauern Verträge für die Lieferung von «Aus der Region»-Eiern. Sie erhalten dafür etwas mehr Geld: Ein Landwirt aus dem Kanton Zürich sagt zum K-Tipp, er erhalte pro «Züribieter» Ei einen Regionen-Zuschlag von 0,7 Rappen. Er verkaufe die Eier für 25 Rappen pro Stück an den Händler.
Die Migros verkauft die «Züribieter» Eier im Laden für 63 Rappen pro Stück, ein normales Schweizer Ei für rund 50 Rappen. Sie kassiert pro «Züribieter» Ei also gut 12 Rappen zusätzlich – rund einen Viertel mehr. Bei Getreideprodukten und beim Gemüse sind die Preisaufschläge für «regionale» Produkte noch höher. Beispiele:
- Coop: Weissmehl «Stadtmühle Zürich», «Miini Region», kostet Fr. 2.30 pro Kilogramm, «Prix Garantie»-Weissmehl nur 1 Franken. Beide Mehle werden in der Coop-Mühle in Zürich aus normalem Schweizer Weizen hergestellt.
- Migros: Cherrytomaten «aus der Region», 100g: Fr. 1.50, Cherrytomaten Schweiz, 100g: Fr. –.79.
- Migros: Erdbeeren «aus der Region», 100g: Fr. 1.98. Erdbeeren Schweiz, 100g: Fr. 1.56.
Coop und die Migros räumen ein, dass sie den Bauern für Produkte, die als regional vermarktet werden, in der Regel keinen höheren Preis bezahlen.
Warum werden sie dann teurer verkauft? Die Migros nennt als Grund «Zertifizierungsvorschriften» und «Aufwendungen für Spezialitäten und kleinere Mengen». Bei regionalen Erdbeeren und Cherrytomaten handle es sich um Sorten von anderer Qualität. Coop nannte keinen allgemeinen Grund für den Preisaufschlag. Das «Stadtmühle Zürich»-Mehl werde aus Weizen aus der Region Zürich hergestellt. Die separate Lagerung erhöhe die Kosten.
Lidl begründet den Zuschlag für «Züribieter» Eier mit der «geringeren Absatzmenge». Die Detailhändler wissen, dass viele Kunden bereit sind, für regionale Produkte mehr zu bezahlen. Laut einer Studie der Hochschule für Wirtschaft Zürich besteht für Regionalprodukte «eine erhöhte Zahlungsbereitschaft von 10 bis 45 Prozent». Das nützen die Händler aus – und stecken das Geld in die eigenen Taschen.
Tipp: Wer Bauern aus der Region unterstützen möchte, kauft am besten in Hofläden ein. Viele Gemüsebetriebe bieten auch einen Lieferservice an. Infos dazu gibt es im Internet unter Vomhof.ch.
So legen die Migros und Coop fest, was eine Region ist
Migros und Coop versprechen: Die Produkte mit den Labels «Aus der Region – für die Region» oder «Miini Region» bestehen «zu mindestens 80 Prozent aus regionalen Rohstoffen», und die «Wertschöpfung wird zu mindestens zwei Drittel in der Region generiert». Das entspricht den Richtlinien des Vereins Schweizer Regionalprodukte.
Die Richtlinien schreiben aber nicht vor, was eine Region ist. Bei der Migros entsprechen die Regionen dem Gebiet der Regionalgenossenschaften. Diese sind zum Teil sehr gross: In der Ostschweiz darf die Ware etwa aus den Kantonen Schaffhausen, Thurgau, den beiden Appenzell, dem Fürstentum Liechtenstein und aus Teilen der Kantone Zürich, St. Gallen und Graubünden stammen. Käse aus dem 192 Kilometer entfernten Disentis GR wird so in Schaffhausen als regionales Produkt verkauft.
Bei Coop sind die Regeln für Regionalprodukte noch schwammiger. Coop schreibt im Internet: Eine Region sei «ein geografisch bestimmter Raum mittlerer Grössenordnung, der als zusammengehörig angesehen wird». Coop schreibt dem K-Tipp, man habe diese Definition kürzlich angepasst: Künftig würden «Miini Region»-Produkte in Zürich aus dem Kanton Zürich stammen. «Zurzeit laufen die Umstellungen in den Verkaufsstellen.»