Rund eine halbe Million Menschen in der Schweiz leiden an Diabetes. Die Zahl der Betroffenen bleibt seit Jahren ungefähr gleich. Anders bei den Kosten für Medikamente gegen Diabetes: Sie steigen sprunghaft an. Grund: neue Medikamente, die neben dem Blutzucker auch das Gewicht senken.
Ärzte verschreiben diese Mittel Patienten vermehrt zum Abnehmen. Das zeigen Zahlen aus dem Tarifpool des Gesundheitsdienstleisters Sasis. Dort sind die monatlichen Ausgaben der Krankenversicherer registriert. Eine Auswertung ergibt: Zwischen 2018 und 2022 stiegen die Kosten für Diabetes-Medikamente in der Grundversicherung um über 42 Prozent – bezahlt von den Prämienzahlern.
Hauptverantwortlich dafür sind die Medikamente Ozempic und Rybelsus des dänischen Pharmaherstellers Novo Nordisk. Ozempic kostet Fr. 129.80 pro Packung, Rybelsus Fr. 132.80. Deren Wirkstoff Semaglutid bewirkt einen deutlichen Gewichtsverlust.
Im Jahr 2018 lagen die Gesamtkosten für Diabetesmittel in der Schweiz bei 264 Millionen Franken. Im gleichen Jahr kam die Spritze Ozempic, 2020 dann Rybelsus in Tablettenform auf den Markt.
Folge: Die Gesamtkosten für Diabetesmittel in der Grundversicherung stiegen im Jahr 2021 auf rund 327 Millionen und 2022 auf 375 Millionen Franken. Davon verursachten Ozempic und Rybelsus Kosten von total 41,4 Millionen Franken. Ein Jahr später waren es schon 66,2 Millionen. Und im ersten Quartal des laufenden Jahres fielen für Ozempic und Rybelsus Kosten von über 27 Millionen Franken an – hochgerechnet auf das ganze Jahr wären das über 100 Millionen Franken.
Nachteile für Diabetes-Patienten
Der K-Tipp sprach mit mehreren Ärzten. Sie berichten von Diabetespatienten, die abnehmen wollen. «Es werden damit vor allem die überflüssigen Kilos behandelt», sagt ein Arzt. Das bedeutet: Ozempic und Rybelsus werden als Diätmittel abgegeben, aber als Diabetesmedikament über die Grundversicherung abgerechnet.
Für Peter Diem, Arzt und Präsident der Dachorganisation Diabetes Schweiz, ist klar: «Die Präparate sollten Patienten vorbehalten bleiben, die in erster Linie wegen Diabetes behandelt werden – und nicht wegen Übergewicht.»
Hinzu kommt: Beim Wirkstoff Semaglutid gibt es seit Monaten massive Lieferengpässe. Peter Diem sagt: «Deswegen mussten wir bereits mehrfach auf andere Substanzen ausweichen, die in der Regel jedoch weniger wirksam sind.» Patienten mit Diabetes entstehen damit gesundheitliche Nachteile.
Hersteller Novo Nordisk kassiert ab
Profiteure der Kostenexplosion sind die Pharmakonzerne: Novo Nordisk machte allein mit Ozempic im Jahr 2022 weltweit einen Umsatz von 7,6 Milliarden Franken. Hinzu kamen 1,4 Milliarden für Rybelsus. Deren Höhe gibt Novo Nordisk nicht transparent bekannt. Inzwischen liegt der Marktwert des Unternehmens an der Börse bei rund 400 Milliarden Dollar – das entspricht etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung von Dänemark.
Übrigens: Mit dem Medikament Wegovy steht ein weiteres Diätmittel von Novo Nordisk vor der Lancierung. Es dürfte das Portemonnaie der Prämienzahler zusätzlich belasten. Denn Wegovy wird laut der Heilmittelbehörde Swissmedic auch für Übergewichtige ohne Diabetes erhältlich sein.
Neue Spritze: Hersteller streitet mit Bund über den Preis
Die Abnehmspritze Wegovy ist in Deutschland bereits auf dem Markt, in der Schweiz noch nicht. Öffentlich machte Hersteller Novo Nordisk wiederholt Lieferschwierigkeiten dafür verantwortlich. Recherchen des K-Tipp zeigen aber: Novo Nordisk streitet seit über anderthalb Jahren mit dem Bundesamt für Gesundheit über den Preis.
Die Behörde wollte nach eigenen Angaben den Preis für Wegovy bei rund 193 Franken pro Packung festlegen. Novo Nordisk wolle aber einen «möglichst hohen Preis», schreibt das Bundesamt für Gesundheit. Novo Nordisk sagt auf Anfrage des K-Tipp, der Preis stehe noch nicht fest.