Wegen schlecht gelüfteter Zimmer stecken sich «signifikant mehr» Schüler und Lehrer mit Corona an. Mit diesem Studienresultat bestätigte der Kanton Graubünden im Dezember, wovor Experten seit Jahren warnen: An vielen Schweizer Schulen sorge schlechte Luft dafür, dass sich Viren schneller verbreiten und die Konzentrationsfähigkeit der Schüler leide.
Der K-Tipp ermittelte in den Kantonen Zürich, Glarus, Aargau, Thurgau, Solothurn und Basel-Stadt in zehn Schulen die Luftqualität anhand des Gehalts an Kohlendioxid (CO2). Schüler platzierten jeweils einen Tag lang CO2-Messgeräte in Klassenzimmern, in denen sie unterrichtet wurden. Damit die Daten möglichst die Alltagsrealität abbilden, informierte der K-Tipp die Schulen vorher nicht.
Luft teils «hygienisch inakzeptabel»
Resultat: In neun der zehn Schulen lag der CO2-Gehalt während der Unterrichtszeit teils deutlich über 1000 ppm (siehe Tabelle im PDF). Die Masseinheit ppm steht für die CO2-Konzentration. Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt, 1000 ppm in Klassenzimmern nicht zu überschreiten. Sonst sei das Risiko für Ansteckungen erhöht und es trete eine «zunehmende Häufigkeit von Symptomen wie Müdigkeit und Konzentrationsstörungen» auf. Schulen sollten alle 20 bis 25 Minuten für 5 bis 10 Minuten stosslüften.
In neun Schulen der K-Tipp-Stichprobe lag der CO2-Gehalt während mindestens einer Lektion bereits nach 15 Minuten über 1000 ppm – und stieg danach immer weiter an. In der Kantonsschule Glarus stieg der CO2-Gehalt bereits 5 Minuten nach Beginn einer Lektion auf über 1000 ppm und erreichte gegen Ende der Lektion gar 1700. An der Bezirksschule Aarau lag der CO2-Gehalt vor dem Beginn einer Lektion über 1000 und stieg bis auf 1800.
An der Schule Oberbuchsiten SO überschritt der CO2-Gehalt 10 Minuten nach Unterrichtsbeginn 1000 und stieg in der darauffolgenden Lektion auf über 2000 ppm. Ab diesem Wert ist die Luft laut Bundesamt «hygienisch inakzeptabel». Mit maximal über 2700 ppm wurde in der Kantonsschule Stadelhofen der höchste Wert gemessen. Die Schulleitung nahm dazu keine Stellung.
Die Bezirksschule Aarau schreibt dem K-Tipp, die Lehrer würden instruiert, wie sie gemäss Bundesamt für Gesundheit richtig lüften sollten. Zudem würden regelmässig Messungen durchgeführt. Bei schlechten Werten würden Massnahmen ergriffen – etwa konsequenteres Lüften. Die Kantonsschule Glarus erklärt, sie verleihe CO2-Messgeräte an Lehrer und habe Lüftungsanlagen installiert. In stark belegten Klassenzimmern müssten die Lehrer trotz Lüftungsanlage regelmässig die Fenster öffnen.
Es reicht nicht, nur in der Pause zu lüften
Lufthygieniker Benoit Sicre von der Hochschule Luzern hat bei eigenen Messungen ähnlich schlechte Luftwerte festgestellt. Er bemängelt: «Gerade im Winter lüften die meisten Lehrer zu selten. Wenn sie in der Pause nur ein paar Minuten die Fenster aufmachen, ist die Luft schon zu Beginn der nächsten Lektion wieder schlecht.» Aktuelle Messungen des Kantons Luzern zeigen, dass der CO2-Gehalt in 61 Prozent der 216 untersuchten Klassenzimmer 1000 ppm überschreitet. In Graubünden steigt er in 60 Prozent der 150 untersuchten Zimmer sogar regelmässig über den Wert von 2000.
Die sechs Kantone, in denen die K-Tipp-Stichprobe stattfand, begnügen sich damit, Schulen auf Empfehlungen des Bundesamts hinzuweisen: Die Lehrer sollen zwischen den Lektionen sowie alle 20 bis 25 Minuten lüften.
Laut Benoit Sicre genügt die Umsetzung der Empfehlungen des Bundes teilweise nicht. Er empfiehlt, in jedem Klassenzimmer mit einem CO2-Messgerät zu prüfen, wie oft und lange gelüftet werden muss. Auch Lufthygienikerin Claudia Vassella vom Bundesamt für Gesundheit räumt auf Anfrage ein, dass der CO2-Gehalt schnell 1000 überschreiten kann, selbst wenn sich die Lehrer an alle Vorgaben halten – etwa bei Räumen mit kleinen Fenstern oder bei dichter Belegung.
Luftqualität: Das können Eltern tun
Eltern sollten Lehrer und Schulleitung auffordern, Luftfilter und CO2-Messgeräte zu beschaffen. Gute Luftfilter gibt es für unter 200 Franken (K-Tipp 15/2021). Ein CO2-Messgerät können Lehrer unter www.ktipp.ch/co2 für eine Woche gratis ausleihen. Wenn die Messgeräte zeigen, dass ein Klassenzimmer schlecht belüftbar ist, sollte die Schulleitung die Klasse verkleinern. Experten raten, spätestens bei einem Umbau oder Neubau geeignete mechanische Lüftungen einbauen zu lassen.