«Die AHV bestraft mich»
Ein Rentner erhält von der AHV nur 2026 statt 2150 Franken. Der Grund: Die Höhe der Rente hängt nicht nur von den Einzahlungen ab, sondern auch vom Zivilstand.
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K-Tipp 4/2005
23.02.2005
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Das ist doch völlig unverständlich», ärgert sich Rentner Gerold Rüttener aus Zürich. «Meine AHV-Rente wurde gekürzt, weil ein Teil meines Einkommens an meine Exfrau ging. Doch sie hat gar nichts von diesem Splitting, denn sie ist bereits gestorben», klagt der AHV-Bezüger.
Und weiter: «Bildlich gesprochen wurde mein Einkommen ins Grab meiner Exfrau gesplittet - doch der Nachteil bleibt dennoch lebenslang an mir hängen.»
Rütteners Ärger ist systembeding...
Das ist doch völlig unverständlich», ärgert sich Rentner Gerold Rüttener aus Zürich. «Meine AHV-Rente wurde gekürzt, weil ein Teil meines Einkommens an meine Exfrau ging. Doch sie hat gar nichts von diesem Splitting, denn sie ist bereits gestorben», klagt der AHV-Bezüger.
Und weiter: «Bildlich gesprochen wurde mein Einkommen ins Grab meiner Exfrau gesplittet - doch der Nachteil bleibt dennoch lebenslang an mir hängen.»
Rütteners Ärger ist systembedingt. Das Einkommenssplitting wurde Anfang 1997 mit der 10. AHV-Revision eingeführt. Es bedeutet konkret: Nun hat jede Person und damit auch jeder Ehegatte einen eigenständigen Rentenanspruch aufgrund der eigenen Einkommen und der Anzahl Jahre, in denen er Beiträge an die AHV gezahlt hat.
Die Ehe kann die AHV-Rente schmälern
Aber: Die während der Ehejahre erzielten Einkommen der beiden Ehegatten werden gesplittet, also je halbiert und dem anderen Ehepartner angerechnet.
Die Teilung erfolgt übrigens auch bei den Erziehungsgutschriften (Kompensation für unbezahlte Hausarbeit und Kinderbetreuung) und bei den Betreuungsgutschriften (zum Beispiel für die Pflege von Verwandten).
Mit anderen Worten: Die Höhe der Rente hängt nicht nur von den individuellen Einzahlungen ab, sondern auch vom Zivilstand.
In den meisten Fällen profitieren natürlich Frauen von diesem Splitting - auch im Fall des heute 68-jährigen Gerold Rüttener. Er musste von seinem eigenen rentenbildenden Einkommen, das er über die Jahre seines Erwerbslebens geäufnet hatte, rund 350000 Franken an seine Exfrau abgeben - und deswegen beträgt seine AHV-Rente nun im Monat nur 2026 statt 2150 Franken.
Dem K-Tipp ist ein anderer Fall bekannt, bei dem die Auswirkungen massiver sind: Bei jenem Mann sank die AHV-Altersrente von 2150 auf 1875 Franken.
Die Frauen der zwei Betroffenen sind beide kurz nach der Scheidung gestorben; sie haben also das Rentenalter nicht erreicht und konnten vom Splitting - und damit von einer höheren Rente - gar nicht profitieren.
«Das ist ungerecht und unsozial»
Die Einkommensteilung in solchen Fällen rückgängig zu machen ist vom AHV-Gesetz nicht vorgesehen. «Das ist ungerecht und unsozial», ärgert sich Rüttener. «Man müsste diese Regelung ändern.»
Natürlich ist es keine Seltenheit, dass ein Mann das AHV-Alter erreicht, dessen Ehefrau schon gestorben ist. Aber bei Verheirateten gibt es dafür eine gewisse Kompensation: Falls die Ehe bis zum Tod bestand, erhalten Verwitwete auf ihre Altersrente einen Zuschlag von 20 Prozent.
Nach einer Scheidung hingegen - wie im Fall Rüttener - gibts diesen Zuschlag nicht.
Der negative Effekt des Rentensplittings, der Rüttener und andere Betroffene ärgert, wird voraussichtlich noch lange bestehen. Änderungsbestrebungen sind aus verschiedensten Gründen nicht in Sicht:
- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) argumentiert unter anderem mit dem umgekehrten Fall - wenn also Gerold Rüttener vor seiner geschiedenen Exfrau gestorben wäre. In solchen Fällen hätte das «Zurückdrehen» des Rentensplittings meist eine Rentenkürzung bei der Frau zur Folge - und dieser Fall wäre gemäss BSV viel häufiger, da Frauen im Durchschnitt länger leben als Männer.
- Auch Colette Nova vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) sieht keinen Handlungsbedarf. Beim Splitting gebe es nun mal Gewinner (meist Frauen) und Verlierer (meist Männer). «Die Rechnung ginge für die AHV nicht auf, wenn man das Splitting immer nur dann anwenden würde, wenn dies für die betroffene Person vorteilhafter ist, nicht aber dann, wenn es nachteilig ist. Das wäre teuer und im Parlament kaum mehrheitsfähig.»
- Auch Lili Nabholz und Gret Haller, die damals im Parlament an vorderster Front für die Einführung des Splittings kämpften, beharren auf der derzeitigen Lösung. «Insgesamt ist das jetzige System ein grosser Fortschritt für die Frauen. Daran herumzudoktern würde nur Begehrlichkeiten von allen Seiten wecken.»
Einkommenssplitting verlangen
Wer sich scheiden lässt, sollte gleich nach der Scheidung bei der zuständigen AHV-Ausgleichskasse das Einkommenssplitting verlangen.
Anschliessend kann die AHV-Kasse auf Wunsch die voraussichtliche Altersrente berechnen. Aufgrund des neuen massgeblichen Einkommens hat sich diese wahrscheinlich geändert.
Wer eine Kürzung der AHV-Rente durch das Splitting kompensieren will, hat nur eine Möglichkeit: privat sparen.