Vergangene Woche befasste sich der Ständerat wieder einmal mit der Zukunft der AHV. Die Diskussion über Revisionsvorschläge begann schon im März. Sie vermittelte teilweise den Eindruck, als stünde die wichtigste Altersversicherung des Landes am Abgrund: «Wenn wir jetzt nicht handeln, wird aus einem lodernden Feuer ganz schnell ein Vollbrand», sagte zum Beispiel der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller. Wer der Bevölkerung höhere Mehrwertsteuern und ein höheres Rentenalter für Frauen schmackhaft machen will, greift offenbar gern zu drastischen Bildern, die Angst auslösen.
Auch 2020 gabs einen Milliardengewinn
Doch bereits im Februar war offensichtlich: Das Krisenjahr 2020 brachte die AHV nicht aus dem Tritt. Die Rendite auf ihren Geldanlagen betrug 4,05 Prozent, wie die AHV-Vermögensverwalterin Compenswiss mitteilte. Zudem erhielt die AHV erstmals die zwei zusätzlichen Milliarden aus dem sogenannten AHV-Steuer-Deal, den das Stimmvolk im Mai 2019 gutgeheissen hatte. Direktor Eric Breval sagte im Februar denn auch, das Umlageergebnis sei «leicht positiv». Das heisst: Die AHV verzeichnete im vergangenen Jahr erstmals seit 2013 wieder höhere Einnahmen als Ausgaben – und zwar selbst ohne Berücksichtigung des Ertrags aus den angelegten Reserven.
Das definitive Resultat fürs Jahr 2020: Die AHV machte einen Gewinn von 1,94 Milliarden Franken – 259 Millionen mehr als im Vorjahr. Ihr Vermögen kletterte auf 47,16 Milliarden. Es ist damit mehr als doppelt so hoch wie vor 20 Jahren. So viel hatte die AHV noch nie in der Kasse.
Die guten Zahlen liessen notorische AHV-Schwarzmaler nicht zurückhaltender werden: «Das Blatt wird sich leider rasch wenden», hielt beispielsweise Kurt Gfeller, Vizedirektor des Schweizerischen Gewerbeverbands, Mitte Mai in der Verbandszeitung fest: «Bereits für das laufende Jahr 2021 wird ein negatives Umlageergebnis prognostiziert. Und schon bald werden wohl Milliardenverluste eingefahren.»
Die AHV-Vermögensverwalterin Compenswiss hatte schon im Februar den Mahnfinger gehoben und «politische Massnahmen» zur finanziellen Stabilisierung der AHV gefordert. Die Presse nahm das einmal mehr ungefiltert auf: «Ohne Reformen ist die AHV-Kasse bald leer», titelten beispielsweise der «Ta-ges-Anzeiger» und weitere Zeitungen des Medienhauses Tamedia im Internet.
Prognosen stehen auf wackligem Grund
Die Untergangspropheten berufen sich jeweils auf die düsteren Prognosen des Bundesamts für Sozialversicherungen zur Zukunft der AHV-Finanzen. Diese stehen jedoch auf wackligem Grund, wie der K-Tipp schon mehrmals aufzeigte (K-Tipp 14/2020, 3/2020, 13/2019, 1/2018). Das Amt orakelte in der Vergangenheit denn auch schon oft alles andere als treffsicher. So lagen zum Beispiel vor viereinhalb Jahren seine Prognosen zur Vermögensentwicklung der AHV für die Jahre 2017 bis 2020 um 450 Millionen bis 1,66 Milliarden Franken daneben.