Der Bundesrat schlägt dem Parlament vor, die Mehrwertsteuer erneut zu erhöhen – von heute 8,1 auf 8,8 Prozent. Einkäufe und Dienstleistungen würden also spürbar teurer. Bei der letzten Erhöhung Anfang 2024 änderte sich die Steuer von 7,7 auf 8,1 Prozent. Das zusätzliche Geld soll an die AHV fliessen.
Gleichzeitig will der Bund seine Beiträge an die AHV reduzieren – von heute 20,2 auf 19,5 Prozent einer AHV-Jahresausgabe. Laut Prognosen des Bundesamts für Sozialversicherungen würde er damit von 2026 bis 2030 bei der AHV bis zu 441 Millionen Franken pro Jahr sparen. Das Geld könnte er für andere Zwecke ausgeben, vor allem fürs Militär. Unter dem Strich würde die Änderung durch die erhöhte Mehrwertsteuer zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung der Bevölkerung führen.
Dieser Schritt käme einer Missachtung des Volkswillens gleich. Erst vor sechs Jahren nämlich sagte die Stimmbevölkerung Ja zum Paket «Steuerreform und AHV-Finanzierung», dem sogenannten Steuer-AHV-Deal (K-Tipp 17/2018). Damit wurde der Bundesanteil an den AHV-Ausgaben von 19,55 auf 20,2 Prozent erhöht.
Der AHV-Kasse viel Geld entzogen
Fragwürdig sind die Pläne der Landesregierung auch aus einem anderen Grund. Die Bundeskasse schuldet der AHV nämlich noch viel Geld: insgesamt über 9 Milliarden Franken. Der Grund: Jahrelang wurden Gelder aus der Mehrwertsteuer in die Bundeskasse umgeleitet, die laut Verfassung in die AHV hätten fliessen müssen.
Dabei geht es um das sogenannte Demografieprozent. Dieses geht auf den im Jahr 1993 vom Volk beschlossenen Verfassungsartikel zur Mehrwertsteuer zurück. Der Artikel gab dem Parlament die Kompetenz, die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt zu erhöhen, falls die AHV «wegen der Entwicklung des Altersaufbaus» Mehreinnahmen nötig haben sollte.
Im Jahr 1997 sah der Bundesrat diesen Moment für gekommen und beantragte beim Parlament, die Mehrwertsteuer von 6,5 auf 7,5 Prozent zu erhöhen.
Anteil in die Staatskasse abgezweigt
Der Bundesrat wollte aber nicht das gesamte Demografieprozent der AHV zukommen lassen, obwohl die Verfassung dies ausdrücklich verlangt. Er wollte 17 Prozent davon in die Bundeskasse abzweigen. Das Parlament stimmte im März 1998 zu. Der Beschluss trat Anfang 1999 in Kraft und sicherte dem Bund bis und mit 2019 einen Anteil am Demografieprozent. Gesamthaft gelangten dadurch rund 9,12 Milliarden Franken in die Bundeskasse statt in die AHV.
Möglich war das, weil die Schweiz kein Verfassungsgericht hat. Deshalb können Parlamentsbeschlüsse, welche die Verfassung verletzen, von den Stimmbürgern bei keiner richterlichen Instanz angefochten werden.
Erst seit Anfang 2020 geht das Demografieprozent vollständig an die AHV. Das war ein Zückerchen, mit dem Bundesrat und Parlament vor sechs Jahren erfolgreich für ein Ja zum Steuer-AHV-Deal warben.