K-Tipp Leser Karl Frey aus Langenthal BE heizt die vier Zimmer seines Einfamilienhauses mit Erdgas. Wenn er in diesem Jahr ähnlich viel Gas braucht wie im Vorjahr, wird er dafür über 3000 Franken zahlen müssen – das sind 650 Franken mehr als im Vorjahr und rund 1800 Franken mehr als noch 2021. Sein Gaslieferant, die IB Langenthal, erhöhte den Gastarif in den vergangenen zwei Jahren sechs Mal. Im Vergleich zum April 2021 ist das Gas in Langenthal heute dreimal teurer.
Mit höheren Gasrechnungen muss auch Robert Aerni (Name geändert) aus Aefligen BE rechnen: Er wird im Jahr 2023 voraussichtlich rund 3400 Franken zahlen müssen – das sind 1800 Franken mehr als 2021. Bei Silvana Raimondi (Name geändert) aus Diessenhofen TG sind es etwa 1400 Franken mehr.
In Glarus doppelt so teuer wie letztes Jahr
Auch in Basel, Zürich und Glarus betragen die Aufschläge der lokalen Gasversorger aufs Jahr hochgerechnet teilweise über 1000 Franken. In Basel zahlen die Haushalte im Januar 2023 fürs Gas 16,8 Rappen pro Kilowattstunde (kWh). Ein Jahr zuvor verlangten die Industriellen Werke Basel erst 11,3 Rappen. In Zürich erhöhte das städtische Gaswerk Energie 360 den Tarif von 14,7 Rappen pro kWh im Januar 2022 auf 21,7 im Dezember. Und in Glarus kostet das Gas schon seit April 2022 mehr als doppelt so viel wie noch im Januar 2022 – 24,8 statt wie vorher 10,2 Rappen pro kWh.
Alle Gasversorger begründen die gestiegenen Tarife mit höheren Preisen im internationalen Gashandel. Doch diese sanken schon im April und Mai und ab August (siehe Grafik im PDF). Ende Dezember 2022 war der Gaspreis wieder auf dem Niveau vor Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022. In 17 von 18 europäischen Ländern sind die aktuellen Gasreserven grösser als im Vorjahr.
Der Gasversorger von Robert Aerni, Localnet in Burgdorf BE, begründet die hohen Tarife mit der «Versorgungssicherheit». Der Bundesrat habe die Gasversorger dazu verpflichtet, das Gas für den Winter frühzeitig zu sichern. Der Vorlieferant habe das Gas deshalb früher als üblich einkaufen müssen. Und das zu höheren Preisen. Auch die Gaswerke aus Zürich und Basel sagen, die meisten Gasversorger hätten im Herbst das benötigte Gas bereits beschafft – ebenfalls zu höheren Preisen. Der aktuell tiefere Marktpreis wirke sich deshalb «nicht unmittelbar» auf die Tarife aus.
Auch der Bund kassiert mit
An den Gastarifen verdient auch die Bundeskasse: Sie kassiert 7,7 Prozent Mehrwertsteuer. So zahlten die Schweizer Haushalte im Jahr 2021 rund 100 Millionen Franken Mehrwertsteuern fürs Gas.
Die Politik könnte handeln: Eine Reduktion der Mehrwertsteuer auf 2,5 Prozent, wie sie für Wasser, Brot und Zeitungen gilt, hätte die Schweizer Haushalte 2021 um etwa 70 Millionen Franken entlastet. Das zeigen Berechnungen des K-Tipp mit Daten der Bundesämter für Energie und Statistik.
Konsumenten können fragwürdige Tariferhöhungen dem Preisüberwacher melden. Dieser darf aber nur Empfehlungen abgeben. So ignoriert beispielsweise Basel-Stadt die Empfehlung des Preisüberwachers, eine «Konzessionsgebühr» abzuschaffen.
Vergleich: Tarif-Entwicklung bei zehn Gaslieferanten seit Anfang 2022
Die Grafik im PDF vergleicht die Tarife für Erdgas für ein Einfamilienhaus (Jahresverbrauch: 20 000 kWh). Wo 100-prozentiges Erdgas nicht verfügbar ist, für Gas mit dem geringsten Anteil Biogas. Im Tarif inbegriffen sind CO2-Abgabe, Mehrwertsteuer sowie Konzessions- und Sicherstellungsabgabe, nicht aber die Netzkosten. Beim Börsenpreis handelt es sich um den in Franken umgerechneten Durchschnittspreis für eine Gaslieferung im folgenden Monat gemäss Gasbörse EEX in Leipzig.